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RuhrtriennaleStöbern im Märchenarsenal

Die britische Performancegruppe Forced Entertainment und der libanesische Klangkünstler Tarek Atoui mit „The Last Adventures“ in Gladbeck.

Krieg zwischen Baumatrrappen: The Last Adventures in der Maschinenhalle Zweckel. Bild: Jörg Baumann / Ruhrtriennale

Wenn letzte Abenteuer angekündigt werden, hat man es meist mit einer untergehenden Welt zu tun. Da kämpfen historisch überständige Helden einen finalen Kampf und halten alte Werte noch einmal in den Durchzug einer neuen Zeit. Geschichten aus der moralischen Grabbelkiste, schwer kitschverdächtig, mit melancholisch-gutem Ende.

Wenn aber – wie am vergangenen Wochenende – die britische Performancegruppe Forced Entertainment (unter Leitung von Tim Etchells) bei der Ruhrtriennale ihre „Last Adventures“ auf die Bühne bringt, geht das kitschfrei vonstatten. Zudem wenig moralisierend und am allerwenigsten stringent erzählt.

Die Performer – 16 an der Zahl – tragen Stühle herein, wechseln hier ein Wort, dort ein Lächeln. Ganz ungezwungen. Alle nehmen Platz und zwei Lehrende sprechen ihren Schülern Sätze vor, die diese chorisch wiederholen.

Eine Situation zwischen Sprachunterricht und Speaker’s Corner mit Sätzen wie „This river runs by a road“, „The sky is black at night“ oder „A door cannot remember“. Simple Aussagen, mal schneller, mal langsamer gesprochen, mal Sinn ergebend, dann wieder nicht.

Vermessen und interpretiert

Die Welt wird vermessen und interpretiert, vom Himmel und den Wolken über Menschen und Tiere bis zu Häusern und Messern. Alles hat hier seinen Platz.

Zugleich findet man ein Konvolut an Sätzen, aus dem man Hunderte von Geschichten spinnen könnte. Als Einleitung hatte zuvor der libanesische Soundartist Tarek Atoui mit elektronischen Sounds die Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck beschallt, die er mit Hand- und Körperbewegungen hochempfindlichen Sensoren entlockte. Ein Grundrauschen, in das die Sprache zunächst selbstsicher einfällt, sich behauptet und dann jämmerlich untergeht.

Etchells’ Glaube an das Wort ist also nur von kurzer Dauer. Anders als in früheren Produktionen der Truppe dominiert diesmal nicht die Erzählung und der direkte Kontakt des Performers mit dem Publikum. Etchells setzt ganz auf das Bild und bohrt damit den gewaltigen Erinnerungsspeicher des Zuschauers an, holt Gesehenes, Erträumtes, Visionäres ans Licht.

In einer Art romantischem Schleuderkurs tragen die Performer Baumattrappen über die Bühne, zucken Blitze auf, laufen Schatten über die Wände. Das Terrain für die anschließende Kriegsszene wird vorbereitet. Aus einer großen Kiste werden Töpfe, Metallsiebe, Besen, Schrubber, Golfschläger und Betttücher herausgezerrt und zu Kampfgerätschaften umfunktioniert.

Ein Flimmern der Gewalt

Die Helme auf dem Kopf, das Gewehr im Anschlag gehen diese Soldaten gegeneinander vor, verfolgen und ermorden sich, schwenken Fahnen, humpeln auf Krücken, lassen blutrote Knäuel aus ihren Leibern quellen – bis sechs Performer im Skelettkostüm dem Treiben ein Ende setzen.

Ein Schlachtgemälde aus dem Kinderzimmer? Ein juveniler Totentanz? Eine Ikonografie von Kriegsdarstellungen? Schemenhaft blitzen Assoziationen von Kriegsfotos auf, ein Flimmern der Gewalt, gebrochen im kindlichen Spiel auf dem Theater.

Es bleibt allerdings rätselhaft, was Etchells damit will. Im Vorfeld hatte er von Anregungen durch Fantasy und Science-Fiction gesprochen und auf die Zeichnungen des 1973 verstorbenen US-amerikanischen Künstlers Henry Darger hingewiesen, in denen eine poetische Kinderwelt – Lewis Carroll lässt grüßen – im Kampf mit den Erwachsenen beschworen wird.

Man erkennt einiges wieder, mehr in der anschließenden Märchen- als in der Kriegsszenerie. Feen verfolgen sich, ein König schwenkt eine goldene Sonne, ein auf Pappen gemaltes Seeungeheuer windet sich herein, ein blond bezopftes Mädchen köpft lustvoll Männer. Überall Erinnerungen an Geschichten, an erschreckende, komische oder grausame Situationen, die aber nie ausbuchstabiert werden.

Man stöbert das eigene Märchenarsenal durch, freut sich an dem fabulierenden Gestus, doch letztlich bleibt es beim blinden Tasten im Assoziationenwald. Auch Tarek Atouis Musik hilft da kaum weiter. Sie verschwimmt zu einem Klangteppich, den man zwar wahrnimmt, der aber kaum Erhellendes zur Szene beiträgt.

Am Ende dürfen neben den Bäumen auch Wolken und Wellen auf die Bühne, das alten Kulissentheater wird zitiert. Ein Mann in einem roten Hemd grölt unverständliche Sätze vor sich hin und lacht sich schließlich schlapp – der Schöpfer dieser theatralen Welt hatte offensichtlich seinen Spaß. Das Publikum dagegen weniger.

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