Ruhrparlament vor der Entscheidung: Eon macht Dampf für Datteln
Um sein umstrittenes Steinkohlekraftwerk Datteln noch ans Netz zu bringen, setzt der Eon-Konzern auf veraltete Gutachten. Dabei ist der Klimakiller eigentlich überflüssig.
Auf Basis veralteter Daten soll das Ruhrparlament am Montag über den Weiterbau des umstrittenen Eon-Steinkohlekraftwerks Datteln entscheiden. Aktuelle Gutachten, die auf die von der Bundesregierung beschlossenen Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke ebenso eingehen wie auf den Ausbau erneuerbarer Energieträger, werden den Vertretern des Regionalverbands Ruhr (RVR) vorenthalten.
Bau ist überflüssig
Dabei zeigen die Studien nach taz-Informationen, dass der Bau des als "Klimakiller" kritisierten Kraftwerks überflüssig ist: Das Prognos-Institut rechnet mit Datum vom 20. Oktober vor, dass die "gesicherte Kraftwerksleistung" in Deutschland bis 2030 von 39 auf über 50 Gigawatt steigen wird. Die Energieversorgung der Republik wäre damit auch ohne Neubauten gesichert, der Steinkohleblock mit seiner Leistung von gerade mal einem Gigawatt also verzichtbar.
Abstimmen sollen die RVR-Vertreter deshalb über veraltete Fassungen der vier Gutachten. Die stammen vom 16. Juli und berücksichtigen das durch den "Atomkompromiss" geschaffene Stromüberangebot nicht.
"Zum Zeitpunkt, zu dem die Unterlagen einzureichen waren", sei die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke "noch nicht rechtskräftig" gewesen: So erklärt Eon die Desinformation der Parlamentarier. "Das Gesetz ist ja erst jetzt vom Bundespräsidenten unterschrieben worden", argumentiert ein Sprecher. "Wir wissen, dass es diese neuen Gutachten gibt, wollen sie aber gar nicht haben", räumt auch der RVR-Bereichsleiter Planung, Thomas Rommelspacher, ein.
Der Grüne Rommelspacher steht seit Monaten unter immensem Druck - schließlich sorgt Datteln seit 2009 bundesweit für Aufregung. Das fast fertiggestellte Kraftwerk sei ein illegal errichteter Schwarzbau, hatte das Oberverwaltungsgericht Münster geurteilt. Der Steinkohleblock, in den der Energieriese Eon bereits mehr als 1,2 Milliarden Euro investiert hat, verstoße gegen den geltenden Landesentwicklungsplan, der die Reduktion von Treibhausgasen vorsehe: Der gigantische Ofen wird pro Jahr rund 5,3 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen.
Außerdem habe die Stadtverwaltung "das Gefährdungspotenzial des Kraftwerks und den Schutz der Bevölkerung" nicht ausreichend berücksichtigt. Als Kraftwerksstandort sei der Bauplatz nie vorgesehen gewesen, die Baugenehmigung also hinfällig.
Schon die im Mai abgewählte schwarz-gelbe Landesregierung von Exministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) versuchte, Datteln durch Gesetzesänderungen im Nachhinein zu legalisieren. Doch auch für die Minderheitsregierung der Sozialdemokratin Hannelore Kraft könnte das Kraftwerk zum Koalitionskiller werden: Die Grünen wollen die Fertigstellung verhindern.
Sozialdemokraten sorgen sich dagegen um den "Industriestandort NRW". Die Genossen wollen um jeden Preis verhindern, dass Eon seine Milliardeninvestition abschreiben muss. Für den Fall, dass sich Datteln als Schwarzbau erweist, hat der Konzern den Abriss zugesagt.
Missachtung des RVR
Um Krafts Minderheitsregierung zu schonen, wurde das Problem zum RVR abgeschoben. Dort versucht der Planer Rommelspacher, die Genehmigung für Datteln per "Zielabweichungsverfahren" doch noch auf den Weg zu bringen - und sprengte so beinahe die rot-grüne Koalition im RVR.
Nur mit Mühe einigten sich SPD und Grüne auf einen Kompromiss, über den am Montag beraten werden soll: Zwar wird die Planung wiederaufgenommen, gleichzeitig werden aber Gutachten in Auftrag gegeben. Klären sollen die teuren Expertisen nur eins: ob ein "Zielabweichungsverfahren" überhaupt rechtmäßig ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!