Ruhr-Konzern in Not: Thyssenkrupp verkauft Geldbringer

Investoren zahlen Milliarden Euro für die Aufzugssparte. Deren Beschäftigten winkt Jobgarantie, doch im Stahl droht der Verlust tausender Jobs.

Testturm bei Rottweil

Thyssenkrupp-Testturm bei Rottweil Foto: Michaela Rehle/reuters

BOCHUM taz | Mit dem Verkauf der Aufzugssparte „Elevator“ trennt sich der finanziell angeschlagene Ruhr-Konzern Thyssenkrupp von seinem profitabelsten Geschäftsbereich. Für 17,2 Milliarden Euro geht der Aufzugbau an ein Konsortium aus der britischen Beteiligungsgesellschaft Cinven, der US-amerikanischen Private-Equity-Fonds Advent und der gemeinnützigen RAG-Stiftung. Das hat der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp am Donnerstagabend beschlossen. 1,25 Milliarden Euro sollen wieder in die dann selbstständige Aufzugssparte reinvestiert werden. Thyssenkrupp hielte an „Elevator“ statt bisher 100 dann noch 7,3 Prozent der Anteile.

Der Essener Industriekonzern mit seinen weltweit 146.000 Mitarbeiter*innen ist nach massiven Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und den USA hoch verschuldet. In der Bilanz stehen Verbindlichkeiten von rund sieben Milliarden Euro. Dazu kommen Pensionsverpflichtungen von neun Milliarden.

Außerdem stecken große Teile von Thyssenkrupp wie die Automobilzulieferung oder der Stahl in der Krise. Eine lang vorbereitete Fusion mit dem indischen Stahlriesen Tata hatte die EU-Kommission im Juni 2019 wegen kartellrechtlicher Bedenken untersagt.

Der Börsenkurs der Essener ist daher seit Jahren auf Talfahrt. Anfang September war Thyssenkrupp deshalb aus dem Dax-Aktienindex der 30 größten deutschen Unternehmen geflogen. Ende September musste Vorstandschef Guido Kerkhoff gehen.

„Thyssenkrupp entschulden“

Nachfolgerin wurde die bisherige Aufsichtsratschefin Martina Merz. Deren Wechsel von der Spitze des Kontrollgremiums an die des Vorstands gilt als völlig unüblich – und verdeutlicht die Probleme der einstige Ikone der Ruhr-Industrie, die Chefetage überhaupt noch adäquat besetzen zu können.

Die 56-jährige Managerin Merz erklärte, die „Elevator“-Milliarden sollten weitgehend „im Unternehmen verbleiben“. Ziel sei, „Thyssenkrupp so weit wie möglich zu entschulden und gleichzeitig sinnvoll in die Entwicklung des Unternehmens zu investieren“.

Wie bedrohlich die Lage des Restkonzerns ist, zeigt der Börsenwert: Am Donnerstag kam Thyssenkrupp vor dem „Elevator“-Verkauf nur noch auf eine Marktkapitalisierung von 5,7 Milliarden Euro. Die Aufzugssparte allein war ohne potentielle Verlustbringer wie Automotive, Stahl oder Kriegsschiffbau dagegen drei Mal so viel Wert.

Über Jahre gesichert sind dagegen die rund 53.000 Arbeitsplätze in der Aufzugssparte. Die IG Metall konnte dem Bieterkonsortium aus Cinven, Advent und RAG-Stiftung, die die langfristigen Ewigkeitskosten des Steinkohlebergbaus finanzieren muss, nicht nur eine Beschäftigungsgarantie von sieben Jahren und einem Monat abringen. Die Käufer haben zugesagt, „Elevator“ nicht weiter zu zerschlagen und den Konzernsitz in Deutschland zu halten. Auch alle Tarifverträge, die Altersversorgung und die weitreichende Montan-Mitbestimmung haben weiter Bestand.

Gewerkschaft stark bei Thyssenkrupp

„Weder in dieser Detailtiefe noch mit einer solchen Laufzeit gibt es bisher ähnliche Vereinbarungen, wenn ein Unternehmen an ein Private-Equity-Konsortium verkauft wurde“, sagte deshalb der Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, Knut Giesler.

Dank Mitbestimmung ist die Gewerkschaft bei Thyssenkrupp traditionell stark: Giesler ist stellvertretender Aufsichtsratschef von „Elevator“ – und sein Vorgänger als NRW-Landeschef der IG Metall, Oliver Burkhard, ist heute Personalvorstand des Gesamtkonzerns.

Im Stahlbereich droht dagegen Arbeitsplatzvernichtung. Mitte Februar hat der Vorstand von Thyssenkrupp Steel den Wegfall von 2.800 Jobs angekündigt. Das Grobblechwerk in Duisburg-Hüttenheim steht noch bis Juni zum Verkauf. Wird bis dahin kein Interessent gefunden, soll der Standort mit 800 Mitarbeiter*innen geschlossen werden. „Der Stahl“, sagt ein Gewerkschafter deshalb schon jetzt, „wird die nächste Baustelle“.

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