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Rückzug von Norbert Walter-BorjansDas Ende eines Intermezzos

Norbert Walter-Borjans wird nicht mehr als SPD-Chef antreten. Ob Saskia Esken bleiben kann, ist offen. Die Zeit der linken SPD-Führung scheint vorbei.

Walter-Borjans hat am Freitag das Ende seiner politischen Karriere angekündigt Foto: Janine Schmitz/photothek/imago

Berlin taz | SPD-Chef Norbert Walter-Borjans (69) will sein Amt als Parteivorsitzender abgeben. „Für mich war mit dem Vorsitz von vornherein keine weitere Karriereplanung verbunden, sondern das Ziel, die Partei auf Kurs zu bringen“, sagte Walter-Borjans der Rheinischen Post. Und weiter: „Mit dieser Mission bin ich so weit gekommen, dass ich sagen kann: Jetzt sollen mal Jüngere ran.“

Damit endet ein Intermezzo. Walter-Borjans und Saskia Esken waren Ende 2019 ins Amt gekommen – unterstützt von den Jusos. Ihre Wahl war ein Ventil für den Frust der SPD über die GroKo und ein Votum für die Trennung von Parteispitze und Regierung. Und gegen Olaf Scholz. Die Mischung aus einer moderat linken Parteispitze und einem eher rechten Kanzlerkandidaten war eine Bedingung für den SPD-Wahlerfolg. Die Partei stand im Wahlkampf geschlossen hinter Scholz. Esken twitterte am Freitag: „Wir können mit Stolz auf unsere Wegstrecke zurückblicken. Die SPD ist geeint wie lange nicht.“ Dass Walter-Borjans aufhören will, hatte sich abgezeichnet.

In der SPD hat der Schritt nur wenige überrascht, wohl aber der Zeitpunkt. Der Grund, es jetzt zu tun, ist formal. Am Freitagabend berät der Landesvorstand der SPD in Nordrhein-Westfalen, wen die NRW-SPD für den Bundesvorstand nominiert, der auf dem Parteitag im Dezember gewählt wird. Dazu musste sich der Nordrhein-Westfale Walter-Borjans verhalten.

Optimal ist der Zeitpunkt nicht – die SPD steckt mitten in Koalitionsverhandlungen. Walter-Borjans und Esken sind Teil des sechsköpfigen SPD-Verhandlungsteams. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich versichert zwar, dass Walter-Borjans bei den Koalitionsverhandlungen „selbstverständlich entscheidend mitwirken wird“. Aber so ist es nicht. Der Einfluss von Walter-Borjans und auch Esken ist mit dem Rückzug rapide gesunken.

Wie geht es weiter? Ralf Stegner, SPD-Linker, der 2019 auch Parteichef werden wollte, plädiert dafür, die Trennung von Parteispitze und Regierung fortzusetzen. „Bei der Kandidatur mit Gesine Schwan habe ich mich dafür ausgesprochen, Regierung und Parteispitze zu trennen. Das gilt noch immer“, so Stegner zur taz.

Auch Walter-Borjans warnt davor, MinisterInnen zu Parteichefs zu machen: „Ein Regierungsmitglied als Parteichefin oder Parteichef ist notwendigerweise immer ein Stück Regierungssprecher.“ Wahrscheinlich wird die Partei wieder ein Duo wählen. Wiebke Esdar, SPD-Abgeordnete aus Bielefeld, sagt der taz, sie gehe fest davon aus, „dass die SPD im Dezember wieder eine Doppelspitze bekommt“.

Esken hofft auf Regierungsamt

Wenn der Ampel-Zeitplan gelingt, steht am 6. Dezember das Kabinett. Esken hatte kürzlich in der taz unterstrichen, dass sie Parteichefin bleiben will. „Es gibt noch viel zu tun.“ Dafür braucht sie nun einen Partner. Lars Klingbeil, derzeit SPD-Generalsekretär, werden Ambitionen auf den Parteivorsitz nachgesagt. Allerdings fällt auch der Name von Manuela Schwesig, Regierungschefin in Schwerin, immer wieder. Und die Gruppe der Esken-Anhänger ist auch bei der SPD-Linken überschaubar.

So ist viel offen, zumal Kabinettsbildung und die neue Parteispitze zusammenhängen. Esken macht sich auch Hoffnung auf einen Job in der Regierung. Unwahrscheinlich ist, dass die SPD wieder eine linke Parteiführung als Gegengewicht zu Olaf Scholz bekommt. Der Konflikt zwischen Seeheimern und Parteilinken, der 2019 akut war, ist weitgehend entdramatisiert –ein Ergebnis des SPD-Wahlsieges und auch der Amtszeit von Walter-Borjans. Axel Schäfer, Parteilinker aus Bochum, sagt: „Wir brauchen jetzt vor allem eine Parteiführung, die den Laden zusammenhält.“

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12 Kommentare

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  • Wie kommt man bitte zu der These, das der Konflikt zwischen links und rechts in der spd "entdramatisiert" ist???

    Das geht egtl nur, wenn man oberflächlichkeiten als lösung ansieht.

    Der konflikt zwischen links und rechts ist gerade in einer sehr entscheidenden phase und es kommt jetzt drauf an, weiter aufzuklären und soziale strukturen zu etablieren. denn sonst schwehlt die spaltung der kulturen (inklusiv vs exklusiv) weiter an und wir haben bald wieder den selben primitiven dualismus wie die letzten 70 bzw (7000) jahre!



    Die enorm schwachen reformen durch die ampel zeigen das. und wie Esken sagt, es gibt noch viel zu tun!

    Die Spaltung der SPD sowie der CDU als auch der Grünene ist repräsentativ für die spaltung der gesellschaft. Und so lange die ideologien so dualistisch und undifferenziert (volksparteienmäßig) ausgerichtet sind, wird das problem der spaltung und oberflächlichkeit bestehen bleiben und die sozialen reformen sowie wissenschaftlichen fortschritt ausbremsen!!

    die neue führung muss also links bleiben, aber eben auch mitte und rechts verstehen, besonders bei einer eher rechten Regierung, sonst war alles umsonst!

    • @Christian Will:

      So wahnsinnig links sind doch auch die Linken in der SPD nicht, die wirklich Linken in der SPD sind damals mit Lafontaine zur WASG gegangen. Man darf nicht vergessen, dass es Walter-Borjans und Esken waren, die Scholz zum Kanzlerkanditen gemacht haben und damit den Grundstein für die Ampel gelegt waren.



      Der derzeitige sozialpolitische Kurs der SPD ist doch weitgehend Konsens innerhalb der Partei, der große Konflikt von 2018, Groko oder nicht, war eher einer über die strategische Zukunft der Partei als über Inhalte. Es ist glaube ich eher das Wunschdenken der Linken, dass viele in der SPD eigentlich R2G wollen und Hartz4 abschaffen wollen. Das findet man vielleicht bei den Jusos, aber der klassische Juso verliert ja immer irgendwann noch seine Linken Überzeugungen.

  • Dem 69jährigen Norbert Walter-Borjans nehme ich es durchaus ab, dass er den SPD-Parteivorsitz nicht an weitergehende persönliche politische Karriereambitionen gebunden hat, sondern mit seiner Kandidatur zuallererst die Konsolidierung der noch vor zwei Jahren darniederliegenden Partei im Blick hatte … ein ehrenwertes Anliegen, aber aus meiner Sicht eben nur die eine Hälfte der Wahrheit.



    Jüngeren den Weg zur Parteispitze freimachen …. nun gut, unbestreitbar ist Olaf Scholz mit 62 Jahren der Jüngere von beiden. Ich denke, darum geht es: Kanzleramt und SPD-Vorsitz in einer Hand.



    Und seien wir ehrlich, auch wenn es meinem Verständnis von innerparteilicher Demokratie widerspricht: es waren für die Sozialdemokraten nicht die schlechtesten Zeiten, als beide Ämter in einer Person vereint waren. Man denke an Willy Brandt und Gerhard Schröder (dass dessen Agendapolitik so negativ bewertet wird, ist ja nur das Ergebnis der retrospektiven Betrachtung, damals hieß es noch überwiegend “Hosianna”, später erst “Kreuzigt ihn”).



    Scholz als Parteivorsitzender würde vermutlich auch den positiven Nebeneffekt mit sich bringen, endlich auch die im Volk unbeliebte Saskia Esken loszuwerden. Ich kann mit meiner Einschätzung aber natürlich auch komplett danebenliegen … insofern sehe ich dem SPD-Parteitag im Dezember mit Spannung entgegen.

  • Ups - Nowabo und Esken, die beiden gibt es also auch noch?

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @Adam Weishaupt:

      Das dachte ich mir auch, als ich die Schlagzeile gelesen habe.

  • 3G
    34936 (Profil gelöscht)

    NoWaBo ist zu klug und zu menschlich für die neue Koalition.

    • @34936 (Profil gelöscht):

      Ja, stimme zu … menschlich genug, um den Weg für Olaf Scholz als Parteivorsitzenden frei zu machen. Aber ob das klug ist?

  • Eine Entscheidung, die nachvollziehbar, plausibel und respektabel ist. Der Konflikt zwischen Seeheimern und Parteilinken, der 2019 akut war, wurde allerdings vor allem durch den Rückzug von Strippenzieher und Seeheimer Johannes Kahrs 2020 von seinen politischen Ämtern entschärft. Falls Olaf Scholz tatsächlich Kanzler werden sollte, wird er früher oder später auch wieder den Parteivorsitz anstreben. Da soll sich mal keiner täuschen.

    • @Rainer B.:

      Glaube ich nicht. Nachdem Scholz die Abstimmung um Parteivorsitz vor 2 Jahren verloren hat, hat es ja in der SPD eine Machtverschiebung gegeben, nach der die Vorsitzenden nur noch dafür zuständig waren, nach innen für Ruhe zu sorgen, während die großen politischen Linien von den Bundesministern, insbesondere von Scholz bestimmt wurden. Mit dem Wahlerfolg von Scholz hat sich dieses Konstrukt als ziemlich erfolgreich erwiesen.



      Als Kanzler hat Scholz sicher besseres zu tun, als die jetzigen Aufgaben der Parteivorsitzenden zu übernehmen. Zudem ist er glaube ich nicht jemand, der für seine Eitelkeit zusätzlich noch Parteivorsitzender werden muss. Es muss nur jemand gefunden werden, der ihm genau so erfolgreich den Rücken freihält, wie die bisherigen Vorsitzenden.

      • @Ruediger:

        Eine Aufgabe, für die bei einem Bundeskanzler Olaf Scholz wohl nur einer in Frage kommt - Olaf Scholz.

    • @Rainer B.:

      Sehe ich auch so!



      Kluger rechtzeitiger Abgang.



      Wäre er geblieben und Lindner( so Gott, ne, nicht Gott irgend jemand andres vor ) Finanzminister wird, das hätte Breitseiten gegeben!

    • @Rainer B.:

      Ich sehe es genauso … warten wir mal den SPD-Parteitag im Dezember ab.