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Rücktritt von NRW-AgrarministerinMit persönlichen Angriffen begründet

Vorwürfe und eine angebliche Hackerattacke haben die Amtszeit von Schulze Föcking geprägt. Mit dem Rücktritt ist die Affäre noch nicht ausgestanden.

Bis hierhin und nicht weiter. Christina Schulze Föcking hat ihr Amt niedergelegt Foto: dpa

BOCHUM taz | Nervös und angeschlagen wirkte Christina Schulze Föcking schon seit Wochen: Auf Druck von TierschützerInnen und der Landtagsopposition aus SPD und Grünen ist die einstige Massentierhalterin am Dienstag als nordrhein-westfälische Umwelt- und Landwirtschaftsministerin zurückgetreten. Die 41-Jährige stand zuletzt unter massiver Kritik: Kurz nach ihrem Amtsantritt hatte „stern tv“ schwer erträgliche Bilder gesendet, die Tierrechtler in den Ställen des Mastbetriebs ihrer Familie bei Steinfurt im Münsterland gefilmt hatten: Zu sehen waren Schweine, die sich in großer Enge gegenseitig angefressen hatten, deren Gewebe entzündet und teilweise abgestorben war.

Danach geriet die staatlich geprüfte Landwirtin unter Druck, weil sie die Stabsstelle Umweltkriminalität ihres Ministeriums aufgelöst hatte. Diese habe sich nur um Nebensächlichkeiten wie Greifvogelschutz gekümmert, behauptete die große blonde Christdemokratin. Tatsächlich aber intervenierte die Stabsstelle auch beim Envio-Skandal, bei dem ein kriminelles Recyclingunternehmen große Teile der Dortmunder Nordstadt mit krebserregendem PCB überzogen hatte, ebenso wie bei der Verseuchung von Grundwasser durch die Kölner Shell-Raffinerie – und sie legte eine Akte zur „Schweinehaltung Betrieb Schulze Föcking“ an.

Völlig bizarr war dann die angebliche Hacker­affäre, über die Schulze Föcking Mitte März klagte: „Fassungslos“ sei sie gewesen, als auf ihrem heimischen TV plötzlich Bilder einer Landtags-Fragestunde zu sehen gewesen seien, bei der es um die üblen Haltungsbedingungen auf dem Hof ging, der ihrer Familie seit Jahrhunderten gehört. Schnell nötigte die Mutter zweier Söhne CDU, FDP, SPD und Grüne zu einer gemeinsamen Solidaritätserklärung. In Verdacht gerieten militante Tierschützer. Deren Verhalten sei „abstoßend“, erklärten die vier Landtagsfraktionen.

Allerdings: Der angebliche Hackerangriff war keiner. Erst am 7. Mai räumte Schulze Föcking, seit 2006 in der CDU, kleinlaut ein, es habe sich lediglich um eine „unbemerkte Fehlbedienung eines Tablets in einer anliegenden Wohnung“ gehandelt. Die Schuld dafür schob sie ihren Eltern zu: Sie lebe „in einem Mehrgenerationen-Haus“. Von der „Fehlbedienung“ gewusst hat die Vorsitzende des CDU-Kreisverbands Steinfurt aber schon am 29. März – Polizeiermittler hatten ihr das Untersuchungsergebnis gesteckt. Trotzdem informierte sie den Landtag wochenlang nicht. „Wahrscheinlich inszeniert“ sei der falsche Hackerangriff, schäumten deshalb SPD und Grüne – und kündigten einen Untersuchungsausschuss an.

Spätestens damit wurde die Ministerin, die als Hoffnung konventioneller Landwirte galt, zur Belastung des Kabinetts von CDU-Ministerpräsident Armin Laschet. Die 41-Jährige aber inszeniert sich weiter als Opfer: In „anonymen Briefen und ganz offen im Internet“ habe sie „Drohungen gegen meine Person, meine Gesundheit und mein Leben“ erhalten, die „das Maß des menschlich Zumutbaren weit überschritten haben“. Ihr Landtagsmandat will sie dennoch behalten.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Seitab davon. Natürlich ist die Situation eines Bauern bei dem Druck der

     

    Lebensmittelindustrie, billig zu produzieren, unsäglich.

    Nur geschehen dann ja nicht Dinge, Fehlhandlungen, die im luftleeren Raum produziert

     

    werden, oh, Entschuldigung, ist ja nicht so schlimm. Sondern uns alle betreffen.

    Ich habe vor ein paar Tagen eine Melone zurück gegeben, die ekelig intensiv nach

     

    Düngung schmeckte.

    Es gibt bei uns Kartoffeln, wenn man die als Pellkartoffeln gart, dreht sich einem beim

     

    entstehenden Geruch der Magen um.

    Und es gibt Bauern, die nachts mit fremden vollen Güllewagen deren Inhalt auf ihre

     

    Felder verklappen. Ich könnte da ewig weitermachen. Massentierhaltung ist für mich nur

     

    ein Ausdruck der Verrohung der Menschheit. Aber halt nur des Teiles, der das geschehen

     

    lässt. Ob auf der Strasse, im Stall..

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @Tahelia :

      Nur mal so aus Neugierde: wie schmeckt denn Duengung??? Bzw wie kommen Sie darauf, dass Ihre Melone (Kartoffeln) nach Duengung schmecken (riechen)?

  • Persönlich angegriffen werden, das ist natürlich ganz schlimm. Womöglich noch persönlich verantwortlich gemacht! Schlimm ist auch immer wieder, wie Lobbyisten in die Politik kommen. Ist schön, wenn solch eine Person aus ihrer Verschleierung enttarnt wird. Noch wichtiger ist das, wenn diese Person skrupellos fake News als politisches Instrument einsetzt, und man hätte erwarten können, von diesem Stil noch mehr ertragen zu müssen.

    • @Tahelia :

      Ja, Drohungen gegen die Gesundheit und das Leben sind schlimm. Sehen Sie das etwa anders?

       

      Bei Politikerinnen wie Baerbock, Kipping, Nahles, Göring-Eckardt oder Dağdelen sind solche Makel im Zusammenhang mit der Ausübung einer Arbeit nicht zu finden, die haben ja in ihrem Leben noch nie gearbeitet.

      • @Chutriella:

        Sie müssen mal irgendeine Person des öffentlichen Leben, die freiwillig oder unfreiwillig in eine Kontroverse geraten ist, fragen, was da so alles täglich oder seltener reinkommt. Facebook, Twitter, email.. Wir hätten schon längst keine Kabarettisten mehr, wenn die alle solche Ergüsse von Bedrohung ernst nähmen. Ich muss Ihnen auch ehrlich sagen, und jetzt wird es sicher für mich kontrovers: Ein Massentierhalter heute kann für mich kein guter Mensch sein. Man hat ja auch vor ein paar dutzend Jahren bei Bauern noch überzählige Katzen gegen die Wand geschlagen. Vielleicht ist da ja Massentierhaltung nur die Fortführung einer alten Tradition.

        Bei manchen Bauern. Ahh, die, die den Schritt in die Großproduktion getan haben. Ich kenne einen Sohn eines solchen Exemplares persöhnlich, 600 Milchkühe. Das war ihm zu langweilig, er ist dann in die Stadt gezogen, und treibt dort mit seiner erworbenen inneren Einstellung gegenüber Leben sein Unwesen.

        Wir wollten als Menschen ja eigentlich weg vom Fressen und gefressen werden der Tierwelt. Dafür haben der Teil der Menschheit, der seinen Verstand und Gewissen entdeckt hat, und sich fasziniert der Idee eines methodischen Friedens gewidmet haben, bis hier her gelebt. Nur sind das für Sie ja vielleicht auch keine Arbeiter.

        Tatsache ist, es gibt immer mehr Menschen, denen bei der Idee, einem Tier das Leben zu nehmen, schlecht wird.

        Und das halte ich für natürlich. Ich weiss nicht, wie es ihnen geht, aber wenn ich in eine Situation gerate, wo jemandem direkt neben mir faschistische Gewalt wiederfährt, die direkt sein Leben bedroht, ergreift mich ein heiliger Zorn.

        Wer hat das gesagt, war es Gandhi, solange wir Menschen Tiere töten, werden wir keinen Frieden finden. Man kann sich ohne Fleisch ernähren.

        • @Tahelia :

          Und weil Sie zu einem Thema eine Meinung haben, ist die Bedrohung von Leib und Leben derjenigen, die Ihre Meinung nicht teilen, ok? Was für eine beschissene Einstellung.