Rückkehr nach Damaskus: „Ich habe wieder gefühlt, dass ich wirklich lebe“
Aghyad Alnwelati und Ahmad Awad sind nach Syrien zurückgekehrt. Der eine hat seine Erinnerungen an Deutschland sorgsam weggepackt, der andere pendelt nun zwischen zwei Leben.
A hmad Awad und Aghyad Alnwelati haben ihr Leben riskiert, um Deutsche zu werden. Sie sind in überfüllte Boote gestiegen, tagelang quer durch Europa gelaufen. Sie haben in Asylbewerberheimen auf engem Raum mit fremden Menschen gelebt, es mit dem deutschen Bürokratielabyrinth aufgenommen, die Sprache gelernt und einen Wissenstest über Kultur und Geschichte des Landes bestanden.
Dann passiert das, was zuvor unmöglich schien: Die Diktatur in Syrien stürzt, eine neue Übergangsregierung kommt an die Macht. Syrien, das Land, in dem sie aufgewachsen sind, das ihnen die Jugend nahm, öffnet nun die Arme. Die Regierung sagt: Ihr seid willkommen. Und Deutschland sagt: Dann geht jetzt wieder.
Ahmad Awad und Aghyad Alnwelati sind beide nach Syrien zurückgekehrt. Wie geht es ihnen dort? Und was bedeutet für sie Zuhause?
7. Dezember 2025, es ist Abend und kalt in Damaskus. Ahmad Awad steht auf dem Umayadden-Platz, lautes Feuerwerk um ihn herum. Der 29-Jährige ist mit seinen Freunden hierher gekommen, um zu feiern. Seine Haare sind mit Gel nach oben fixiert, trotz tiefer Stimme wirkt er quirlig und lebendig, er spricht schnell. Manchmal muss er gegen den Lärm im Hintergrund anreden. „Bis jetzt kann ich nicht glauben, dass ich wieder nach Syrien kann, wann ich will“, sagt er. Es ist dunkel, ein großer Bildschirm erhellt den Platz. Darauf steht: „Ein neues Kapitel“. Die Behörden haben eine Bühne aufbauen lassen, der „Tag der Befreiung“ soll groß zelebriert werden.
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Ein Jahr ist es her, dass ein Milizenbündnis das Regime in Syrien gestürzt hat. Während des 14 Jahre andauernden Krieges wurden mehr als 181.000 Menschen gewaltsam verschleppt oder willkürlich inhaftiert. Hunderttausende wurden vom Assad-Regime getötet, über die Hälfte der Bevölkerung war geflohen.
Ahmad Awad erzählt seine Geschichte. Er ist 15 Jahre alt, als er 2012 das Land verlässt, um der Gewalt zu entkommen. „Das war so auf die Schnelle“, erinnert er sich. Sein Vater schickt ihn mit 700 US-Dollar in der Tasche zu einem Bekannten nach Jordanien, denkt, dass sein Sohn dort zwei, drei Monate bleibt und sich die Lage bis dahin schon beruhigt. Aus den geplanten drei Monaten werden dreieinhalb Jahre. „Der Kumpel meines Vaters hat selbst auch Schwierigkeiten gehabt, wie alle Syrer. Er hatte alles verloren in Syrien, konnte nichts für mich bezahlen.“
Den Tag, an dem er beschließt zu fliehen, hat er noch genau im Kopf. „Vater, guck mal, hier gibt es keine Arbeit, hier habe ich keine Zukunft. Ich überlege, wie alle anderen, nach Europa zu gehen“, sagt er damals zu seinem Vater am Telefon. Über das Meer, dieses Risiko in Kauf nehmen? „Das kannst du komplett vergessen“, entgegnet der. Awad sagt nur „okay“, legt auf, ruft einen Freund an, bittet ihn, ihm einen Flug in die Türkei zu buchen. Ende 2015 macht er sich mit seinem Kumpel auf die Reise, die ihnen das Leben kosten könnte.
Mit Russlands Eingreifen in Assads Krieg gegen die eigene Bevölkerung fliehen 2015 besonders viele Menschen aus Syrien. Sie fliehen vor flächendeckenden Bombardierungen durch Fassbomben, Beschuss und Giftgasangriffe des Regimes. Vor allem Männer wollen raus, um nicht in Assads Militär eingezogen oder verhaftet zu werden.
Gemeinsam mit seinem Freund sitzt Ahmad Awad bald in einem überfüllten Schlauchboot über das Mittelmeer nach Griechenland. Weil andere Syrer*innen, die den Weg schon genommen haben, Informationen und Bilder auf Facebook teilen, wissen sie ungefähr, was sie erwartet. Danach sind sie 13 Tage zu Fuß unterwegs, über grüne Grenzen durch Wälder, durch Bulgarien, Mazedonien, Serbien, Österreich und dann: Deutschland.
Ankunft
„In München angekommen, musste ich zur Polizei. Dann in ein Asylheim, da bin ich vier, fünf Tage geblieben.“ Dort bekommt er ein Bahnticket nach Schweinfurt. Nach einer Nacht muss er weiter in eine Unterkunft in Bad Neustadt an der Saale. „Dort bin ich ungefähr sechs Monate geblieben. Dann durfte ich eine Wohnung nehmen und habe die Wirtschaftsschule angefangen, in einer Klasse extra für Ausländer.“
Wie könnte eine Politik aussehen, die auf Ankommen statt Abschotten setzt? Was können wir lernen aus 2015? Und wo sind die Orte, an denen der restriktiven Politik von oben eine solidarische Politik von unten entgegengesetzt wird? Diesen Fragen haben wir über das im Jahr 2025 fünf Sonderausgaben zu Flucht und Migration gewidmet.
Mit der wochentaz vom 20. Dezember findet das Projekt seinen Abschluss. Es ist keine besinnliche Zeitung geworden – aber eine, die sich um ein Thema dreht, das zu Weihnachten einen besonderen Klang bekommt. Wir beschäftigen uns mit der Frage, was „Zuhause“ eigentlich ist, was es braucht, um sich an einem Ort zu Hause zu fühlen – und wie die Hoffnung darauf oft zerstört wird.
Alle Texte aus dieser Sonderausgaben erscheinen nach und nach hier. In dem Online-Schwerpunkt finden Sie auch die Texte aus den vier vorherigen Sonderausgaben.
Er macht Integrationskurse, lernt Deutsch. Zwei Jahre lang geht er in die Schule, arbeitet dazu in Nebenjobs. „Ich habe meinen Führerschein gemacht, für eine Bäckerei als Fahrer in der Nacht gearbeitet.“ So spart er sich ein bisschen Geld an. Denn obwohl ihm Behörden und Freunde raten, eine Ausbildung zu machen, hat Ahmad Awad andere Pläne: einen eigenen Friseurladen.
„Alle haben mich davor gewarnt. Das war Anfang 2018, ich war erst zwei Jahre in Deutschland, konnte noch nicht so gut Deutsch. Ich kannte mich mit Selbstständigkeit überhaupt nicht aus. Ich wusste nicht, was Steuer heißt. Ich wusste nicht, was Krankenkasse bedeutet. Ich hatte wirklich keine Ahnung.“ Doch er will unbedingt etwas Praktisches machen. „Eine Ausbildung wäre gar nichts für mich gewesen. Ich kann nicht länger als fünf Minuten auf dem Stuhl sitzen.“ Er erzählt das mit etwas Trotz und auch Stolz, sich in alles selbst eingearbeitet zu haben.
Am letzten Tag der Schule unterschreibt er den Mietvertrag für einen kleinen Laden, bezahlt die erste Monatsmiete und Kaution. Dann fällt ihm auf: „Ich habe gar kein Geld mehr für Möbel und Ausstattung!“ Ein syrischer Freund, den er in der Asylunterkunft kennengelernt hat, hilft ihm, kostenlose Paletten zu organisieren und die Möbel für den Laden zu bauen.
Noch immer fehlt ein Logo, eine Preisliste und – wie er dann erst lernt: ein Gewerbeschein. „Als ich ein Gewerbe anmelden wollte, hat die Handwerkskammer gesagt: ‚Stopp! Du darfst das überhaupt nicht. Du brauchst einen Meister. Und dafür brauchst du eine Ausbildung.‘ Da wurde mir richtig schlecht. Das war eine sehr krasse Zeit für mich, ich war psychisch wirklich fertig.“
Ahmad Awad
Doch hinschmeißen kommt für ihn nicht infrage. Er sucht nach Informationen und findet heraus, dass es eine Ausnahmebewilligung für Friseure gibt. Dafür prüft die Handwerkskammer die Kenntnisse in einer Eignungsprüfung ab. „Ich bin noch mal zu demselben Typ von der Handwerkskammer gegangen. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass es diese Regelung gibt. Der war schockiert. Er musste seinen Chef anrufen, der mir recht gab. Da war ich richtig stinksauer.“
Ahmad Awad lernt hart für Eignungsprüfung, bekommt daraufhin die Ausnahmebewilligung. „Das war für mich der entscheidende Moment in meinem Leben. Ich habe gleich meinen Vater angerufen. Er hat geweint, ich habe geweint.“
Anfang
Gleich am nächsten Tag öffnet er endlich seinen Barbershop: ohne Namen, ohne Logo. „Ich habe einfach so angefangen. Mit dem ersten Kunden habe ich 35 Euro Umsatz gemacht. Das war für mich wie 3 Millionen. Und dann irgendwann ist es super gelaufen. Ein, zwei Wochen, dann ist es bei mir richtig eskaliert.“ Einen Frisör nur für Männer, der mit Rasiermesser Bärte und Haare formt, mit Faden die Augenbrauen zupft. Das gab es in Neustadt an der Saale vorher nicht. Innerhalb eines Jahres kann Ahmad Awad sechs Angestellte einstellen – und 2019 eine zweite Filiale eröffnen. Dann übernimmt er einen bestehenden Friseursalon mit sieben Mitarbeitern. „Das war ein deutscher Friseur mit deutschen Mitarbeitern, also deutsche Frisuren für Damen und Männer. Das Geschäft war im Minus.“ Awad geht das Risiko ein, übernimmt alle Mitarbeiter. 2020 eröffnete er eine dritte Filiale – mit Möbeln ganz nach seinem Geschmack. Es ist sein „Traumsalon“.
Irgendwann bekommt Awad auch einen deutschen Pass. Doch schnell merkt er, dass etwas nicht stimmt. „Innerlich war irgendwas leer“, sagt er. „Du hast keine Familie, keine Freunde. Ich war nicht glücklich. Ich hatte einfach keine Gefühle mehr.“ 15 Jahre lang, seit dem Beginn des Bürgerkriegs, habe er nicht gewusst, was Zuhause für ihn sei. „Ich kann mich nicht deutsch fühlen. Ich kann mich aber nicht als Syrer fühlen. Du hockst da allein am Abend, mit den schönen Erinnerungen an deine Familie, und du kannst das nicht mehr erleben. Ich habe mich gezwungen, Syrien zu vergessen.“
Doch dann stürzt das Regime, im März 2025 fliegt Ahmad Awad zum ersten Mal nach langer Zeit wieder zurück. Nur zu Besuch. „Ich habe mich mit dem Typ getroffen, der gegenüber von uns wohnt. In einer kleinen Straße haben wir am Straßenrand gesessen, Tee getrunken, geredet. So wie wir das mit 14 gemacht haben. Das waren die glücklichsten Minuten.“ Damals merkt er: „Ich will einfach der sein, der da auf dieser Straße erwachsen ist. Danach habe ich gefühlt, dass ich wirklich lebe.“
Ahmad Awad nennt das den Elektroschockmoment. „Ich habe mich gefühlt wie auf der Intensivstation und dann, auf einmal, wird dir neues Leben eingehaucht.“
Seitdem war er sechsmal in Syrien. Mit seinem Bruder arbeitet er an einem Geschäft, sie importieren Verpackungsmaterialien wie Kartons aus Europa und verkaufen sie an den Großhandel in Syrien. Komplett umziehen möchte er nicht. „Ich habe Verantwortung für meine Mitarbeiter, die haben ja auch Familie. Die kann ich nicht hängen lassen.“ Wie viele Mitarbeitende er heute hat? „Da muss ich zählen. Ich habe einen Syrer, vier aus dem Irak, eine aus Kosovo, eine aus Russland, einen Deutschen, im zweiten Salon sieben deutsche Mitarbeiter und zwei Azubis, ich darf sogar ausbilden …“ Ahmad Awad lebt nun mal in Deutschland, mal in Syrien.
Aghyad Alnwelati hingegen hat sein deutsches Leben hinter sich gelassen. Alles, was davon übriggeblieben ist, befindet sich in einer orangenen Kladde. Seine Krankenkassenkarte, die Sozialversicherungsbestätigung, Sparkassen-Dokumente. Die Bescheinigung über den Test „Leben in Deutschland“, bestanden mit 25 von 33 Punkten, seinen Gabelstapler-Führerschein und: die Abmeldebestätigung seines Wohnsitzes.
Der 35-Jährige ist ein ruhiger Mensch. Ihm ist es wichtig, seine Fluchtgeschichte komplett auf Deutsch zu erzählen, denn er ist stolz darauf, die Sprache zu können – und möchte sie auch anwenden. Sein Lieblingswort ist „natürlich“. Natürlich hat er alle seine Dokumente ordentlich gesammelt, natürlich steht seine Tür für Besuch offen. Natürlich wollte er zurück nach Syrien. Er sitzt im Majlis, einem Gemeinschaftsraum, seine Mutter hat Schokokuchen und Sesamkekse auf den Glastisch gestellt. Der Boden ist mit einem rot-beige gemusterten Teppich ausgelegt. Fahme, eine graue Katze, liegt auf dem Boden, kratzt mit ihren Krallen am Teppich. Was er am meisten vermisst hat? „Alles! Meine Eltern. Fahme. Und den Ausblick.“ Durchs Fenster ist Damaskus zu sehen, mit Blick direkt auf die große Umayyaden-Moschee.
Zurück?
Als das Assad-Regime fiel, wusste er sofort: „Ich möchte zurück nach Syrien gehen! Ich bin am 19. Dezember zur Diakonie gegangen und habe ihnen gesagt, dass ich in mein Heimatland zurück möchte. Sie haben mir sehr geholfen.“ Der ganze Papierkram zog sich hin, doch seit Oktober ist er nun wieder hier. Er wohnt in der Wohnung seiner Eltern, schläft im Stockbett in seinem alten Kinderzimmer. Zwar hat er eine eigene Wohnung, in die er mit einer zukünftigen Ehefrau ziehen könnte, doch zurzeit möchte er einfach bei seinen Eltern sein. „Ich kann putzen, ich kann kochen. Ich kann das alles. Aber ich habe so lange allein gelebt.“
2013 ist er aus Syrien ausgereist. Lebte zwei Jahre im Libanon, zwei Jahre in der Türkei. Danach in Saudi-Arabien und wieder in der Türkei. 2019 kam er über das Mittelmeer und die Balkanroute nach Deutschland. Sieben Jahre lang hat er im Ruhrgebiet gelebt, war in einer Bäckerei tätig und als Reinigungskraft in Hotels und Bürogebäuden. Auch Gabelstaplerfahrer bei einem Möbelhaus war er eine Zeitlang.
„Ich hatte keine Leute, keine Freunde, um mal feiern zu gehen, Kaffee zu trinken.“ Die Kollegen seien nach der Arbeit nach Hause gegangen zu ihren Familien. Wir waren alle müde. In der einen Woche steht er morgens um 5.40 Uhr auf, in der nächsten arbeitet er bis spät in die Nacht. Fünf Tage die Woche. „Am Wochenende habe ich meine Wohnung geputzt und dann allein dort gesessen.“
In Syrien könne er mit seiner Familie zusammensitzen, im Laden seines Vaters arbeiten. Dieser hat ein Geschäft für Küchenutensilien in der Altstadt. Die Wohnung, in der er aufwuchs, befindet sich im Norden von Damaskus, in der Umgebung wohnt die erweiterte Familie, Onkels, Cousins. Wenn Aghyad Alnwelati aus dem Haus geht, wird er auf der Straße sofort begrüßt.
In Deutschland sei es mit der Nachbarschaft ganz anders gewesen: „Ich habe eine Nachbarin gehabt, eine alte Frau. Wenn ich ihr Hallo gesagt habe, hat sie gesagt: ‚Was?‘ Und sie hat so an mir herabgeschaut, so abwertend.“ Er macht ihren Blick nach, sein Mund verzieht sich, die Stirn wird kraus. Er traut sich damals nicht, mit den anderen Menschen in seinem Haus zu sprechen. Denn: „Wenn ich mit Leuten gesprochen habe, haben die immer geantwortet: „Was? Ich verstehe dich nicht.“
In Damaskus sei das ganz anders. „Hier kannst du mit allen Leuten auf der Straße sprechen. Alle Leute helfen dir – in Deutschland nicht. Tut mir leid, das zu sagen.“ In der U-Bahn zum Beispiel habe er immer gehört, wie die Leute zueinander gesagt hätten: „Guck mal, der hat Asyl“, erzählt Alnwelati. „Was ist das Problem daran? Ich bin doch kein Terrorist.“
Gegen die Einsamkeit in seiner Bochumer Wohnung hat sich Aghyad Alnwelati eine Katze zugelegt. Er vermisst sie, aber in Syrien hat er mehr als nur eine Katze. „Hier habe ich viele Kollegen, viele Freunde. Die kann ich treffen, mit ihnen zusammensitzen.“ Und endlich könne er wieder gut spazieren gehen: „Das Wetter ist sehr schön. Wenn du in Deutschland spazieren möchtest, regnet es immer!“, sagt er und lacht.
Empfohlener externer Inhalt
Zuhause
Was ist Zuhause für ihn? „Zuhause ist ein Ort und Liebe. Es ist Zeit für mich und mit anderen.“
„Zuhause? Das ist eine gute Frage“, antwortet der Frisör Ahmad Awad. „Ich weiß erst seit diesem Jahr, was Heimat ist, seitdem ich wieder zurück nach Syrien darf.“ Zuhause bedeute für ihn Sicherheit und dass er sagen könne, was er wolle. „Dass ich meine Rechte nicht verliere und dass ich als Mensch behandelt werde. Also mit Respekt.“ Heimat, das sei bezahlbarer Wohnraum, ein gutes Gesundheitssystem. „Ich muss mich wohlfühlen. Ich muss Freunde und Familie haben.“
Die Übergangsregierung in Syrien sorgt nicht für die Sicherheit all ihrer Bürger*innen. Drusen, Alawiten und Christen sind in diesem Jahr bei Massakern ermordet worden. Manche syrische Drusen oder Christen im Ausland können ihre Familien in Syrien aus Angst vor Gewalt nicht besuchen. Auch in Deutschland kann der Schutzstatus aberkannt und die Rückkehr verwehrt werden, sollten Geflüchtete einmal nach Syrien eingereist sein. Diejenigen Syrer*innen, die aus Deutschland zurückkehren, sind oft finanziell gut gestellt. Und sie haben einen deutschen Pass und damit die Wahl, wo sie leben möchten.
Die beiden Männer haben Glück, die Wohnungen ihrer Familien stehen noch. Ganze Stadtviertel liegen in Trümmern, darunter Schulen und Krankenhäuser. Die Wasserversorgung ist eingeschränkt. Blindgänger bedrohen das Leben der Menschen. Es mangelt an Strom, sauberem Wasser, Krankenhäusern. Arbeitsmöglichkeiten sind begrenzt. Das Geflüchtetenhilfswerk der Vereinten Nationen meldet, dass vielen Rückkehrenden Ausweispapiere fehlen. Das erschwert den Zugang zu Eigentumsrechten und grundlegenden Dienstleistungen.
Seit Dezember 2024 sind laut UNHCR etwa 1 Million Syrer*innen zurückgekehrt, die zuvor im Ausland waren, 1,9 Millionen Binnenvertriebene leben wieder in ihren Herkunftsgebieten. Mehr Vertriebene wünschen sich, zurückzugehen. Doch ihre Häuser stehen nicht mehr, es gibt keine staatlichen Hilfen für den Wiederaufbau.
„Hättest du mir die Frage nach Heimat vor zwei Jahren gestellt, hätte ich gesagt: Deutschland ist meine Heimat“, sagt Unternehmer Ahmad Awad. Heute würde er sagen, dass er sowohl in Damaskus als auch in Deutschland Zuhause ist. Aghyad Alnwelati fasst es so zusammen: „Heimat ist Gemeinschaft.“
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