Rückkehr Karl-Theodor zu Guttenberg: Er kam, sah und – ja, was denn?
Als „engagierter Bürger“ tritt Karl-Theodor zu Guttenberg am Gillamoos auf. Arbeitet er an einem politischen Comeback?
Doch der – so scheint es dieser Tage – ist ohnehin mehr als ein aktiver CSU-Politiker. Strahlend zieht „KT“, wie sie ihn hier alle nennen, ins Zelt. Das weiße Hemd trägt er offen, gerade so, dass es noch als leger durchgehen kann. Und während der Aristokrat aus Franken auf der Bühne mit Generalsekretär Andreas Scheuer anstößt, spielt die Kapelle für den bekennenden AC/DC-Fan „TNT“. „Schön, zu Hause zu sein“, sagt Guttenberg.
Draußen werden Gewürze, Strohhüte, Steckerlfische und sogar Nähmaschinen feilgeboten. Eine Stunde vor Ankunft des Gastes sind die ersten Maß Bier bereits geleert. Die meisten der 3.200 Sitzplätze sind besetzt. Ein älterer Herr hat zu seiner Begrüßung ein Schild gebastelt, mit dem er nun im Zelt durch die Reihen geht. „Welcome in Bavaria“ steht auf der einen Seite. „KT für Berlin und Bayern“ auf der anderen. Auf den Biertischen liegen CSU-Mitgliedsanträge bereit – gedruckt auf Bierdeckel.
Man muss sich den Gillamoos vorstellen wie eine Kreuzung aus Oktoberfest und Politischem Aschermittwoch. Allerdings mit einer noch viel älteren Tradition: Schon 1313 wurde er zum ersten Mal erwähnt. Mehr als 250.000 Besucher kommen jedes Jahr ins niederbayerische Abensberg. 20-mal mehr, als hier Menschen leben.
Es habe so viele Anfragen gegeben
Bleibt die Frage: Was macht eigentlich Karl-Theodor zu Guttenberg hier? Die CSU ist – neben der kleinen ÖDP – die einzige Partei, die zum Gillamoos keinen Parteichef schickt. Für die SPD tritt Martin Schulz in den Ring, für die Grünen Cem Özdemir, für die FDP Christian Lindner. Für die CSU aber kommt nicht einmal Spitzenkandidat Joachim Herrmann. Sondern nur ein „engagierter Bürger“, wie Guttenberg sich nennt.
Und doch ist er ist die Attraktion des Gillamoos. Es habe so viele Anfragen gegeben, dass man mehrere Zelte hätte füllen können, hört man aus der CSU. Noch nie hat ein Mann so viel Zeit damit verbracht, durch die Lande zu ziehen, um den Leuten im Wahlkampf zu versichern, er strebe kein Amt an. Das letzte, das endgültige Dementi fehlt dann aber jedes Mal. Das bekommt man von ihm nicht zu hören. „Mich sehen sie in zwei Wochen wieder in den USA“, sagte er etwa am Sonntagabend in der „Anne Will“-Sendung zum Kanzlerduell. Mehr nicht. Da waren die Ankündigungen Horst Seehofers, 2018 nicht mehr als Ministerpräsident anzutreten, schon deutlicher. Und nicht einmal die hatten Bestand.
„Ich glaube nicht, dass ich den Empfang verdient habe“
Darf man es also denjenigen übelnehmen, die Guttenberg seine Ambitionslosigkeit nicht abnehmen wollen? Die in seinem Wahlkampfbeitrag eine Promotiontour in eigener Sache sehen. Dazu kommt, dass gerade jener Horst Seehofer keinen Hehl daraus macht, wie sehr er es begrüßen würde, wenn sich „KT“ wieder stärker für die CSU verpflichten ließe. Und sei es nur – das sagt er natürlich nicht –, um dem Machtstreben von Finanzminister Markus Söder Einhalt zu gebieten.
Andererseits: Ist es tatsächlich so unvorstellbar, dass es für jemanden, der sich ein neues Leben und eine neue Firma in den USA aufgebaut hat, Erstrebenswerteres gibt als das Dasein als CSU-Berufspolitiker? Und selbst wenn nicht? Welches Amt käme für einen Guttenberg überhaupt in Frage? Joachim Herrmann soll Innenminister werden, das prestigeträchtige Außenministerium würde vermutlich ein weiterer Koalitionspartner, ohne den es nicht gehen dürfte, für sich beanspruchen. Was bliebe für einen Guttenberg übrig? Ein Ministerium für die digitale Zukunft?
Guttenberg freut sich über den überschwänglichen Empfang, den ihm die überwiegend älteren Zuhörer am Gillamoos bereiten. „Ich glaube nicht, dass ich ihn verdient habe, aber schön ist es trotzdem.“ Es folgt eine große Show. In erster Linie geht es darin um – Guttenberg. Diesen verlorenen Sohn, der so reichlich Buße getan hat. Die Rede ist reichlich gespickt mit Selbstironie. Immer wieder kommen Anspielungen auf Doktortitel und Raubkopien. Auch von den „selbst verschuldeten dunklen Stunden“ spricht Guttenberg.
Guttenberg nimmt die Hörer mit auf eine Reise
Es war im vergangenen Jahr, da sagte Guttenberg zur Süddeutschen Zeitung: „Die berechtigten Gründe für meinen Rücktritt sowie mein lausiger Umgang damit würden eine Rückkehr nicht rechtfertigen.“ Die berechtigten Gründe, das waren eine Doktorarbeit, die zu ganz großen Teilen aus fremden Quellen zusammenkopiert worden war. Der damalige Verteidigungsminister sprach zunächst von abstrusen Vorwürfen und räumte erst spät Fehler ein. Das war der lausige Umgang. Schließlich wurde ihm der Doktortitel aberkannt. Im März 2011 legte er seine politischen Ämter nieder und verschwand alsbald in die USA.
Vor diesem jähen Fall war es für Guttenberg stets nur bergauf gegangen. Geboren in ein Großgrundbesitzergeschlecht aus Oberfranken, wurde der bis dahin unauffällige junge Abgeordnete von Horst Seehofer zum Generalsekretär befördert. Schon ein Jahr später übernahm er das Bundeswirtschaftsministerium, nach der Bundestagswahl 2009, bei der Guttenberg mit 68,1 Prozent der Erststimmen bundesweit das beste Ergebnis einfuhr, wurde der ehemalige Gebirgsjäger Verteidigungsminister. Er war noch keine 40 Jahre alt, da wurde er schon als künftiger CSU-Parteichef und möglicher Kanzlerkandidat gehandelt.
Jetzt steht er nach acht Jahren zum zweiten Mal als Redner in diesem Bierzelt und spricht außer über sich selbst über außenpolitische Krisenherde. Von Innenpolitik verstehe er nichts mehr, bekennt Guttenberg. Und so nimmt Guttenberg seine Zuhörer mit auf eine „kleine Reise um diese Welt“. Zum „blonden Schachtelteufel“ Donald Trump, zu Wladimir Putin, der ausschließlich seine eigenen Interessen vertrete, und zu Kim Jong Un, dem „moppeligen Herrn aus Pjöngjang“. Guttenbergs Hände befinden sich ständig in der Luft, immer wieder schiebt er die Brille hoch, dreht sich nach links, nach rechts, erobert so Stück für Stück das Zelt.
Die Angriffe sind überschaubar
Es sind zumeist Allgemeinplätze, die Guttenberg vorträgt. Aber er versteht es, sie in einer Art vorzutragen, dass am Ende bei vielen der Eindruck zurückbleibt: Denen hat er’s aber gezeigt. Guttenberg spricht geschliffen. Mehr als anderthalb Stunden. Ohne Manuskript. Gewiss, das Meiste ist nicht neu, das hat er vor wenigen Tagen auch schon in Kulmbach erzählt. Dennoch: Nicht viele in der CSU haben seine rhetorischen Fähigkeiten. Besonders augenfällig wird das, als später auch noch Generalsekretär Scheuer das Wort ergreift.
Die Angriffe auf die politischen Mitbewerber der Union sind überschaubar. Zu gering schließlich die Unterschiede auf dem Themenfeld der Außenpolitik. Mit der SPD gibt es kaum Reibungsflächen. Der „Novize aus Brüssel“ – das ist in etwa das Kaliber, mit dem Guttenberg den SPD-Kanzlerkandidaten schmäht. Nichts, was wehtut. Stattdessen lästert Guttenberg dann eben über „Gazprom-Gerd“. Vermutlich ist es doch eine Wahlkampfrede. Nicht gegen die SPD oder die Opposition. Auch nicht für die Kanzlerin. Sondern für Guttenberg.
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