Rudolf Balmer über die Wahlen in Frankreich: Das große Unbehagen
Frankreichs Wählerinnen und Wähler haben ihrem neuen Präsidenten Emmanuel Macron eine Lektion erteilt: Seine Macht soll sich nicht in Hochmut verwandeln. Seine Regierung bekommt in der Nationalversammlung eine absolute Mehrheit, die sie handlungsfähig macht. Aber nicht eine Übermacht von bis zu vier Fünfteln der Sitze, wie es die Umfragen in Aussicht gestellt hatten. Das wollten vielleicht selbst die Macron-Anhänger nicht.
Die verschiedenen Oppositionsparteien wurden zudem nicht auf ein lächerliches Minimum reduziert – auch wenn einige von ihnen das aufgrund ihrer Vergangenheit verdient gehabt hätten. Das erlaubt den Gegnern der geplanten wirtschaftsliberalen Reformen einen effektiven Widerstand.
Trotz dieser positiven Auswirkungen des Votums kann nicht übersehen werden, dass die Wahlbeteiligung einen historischen Tiefpunkt erreicht hat. Das liefert nicht gerade das Bild einer perfekten Demokratie. Im Gegenteil zeigt sich darin das weiterhin starke Unbehagen großer Bevölkerungsteile am politischen System und an dessen Vertretern.
Die „Demokratieverweigerung“ durch eine Mehrheit der Stimmberechtigten erinnert daran, dass der Nährboden für den rechtsextremen Populismus unverändert existiert. Dass der Front National wegen des Mehrheitswahlrechts wie eine Randgruppe lediglich mit Marine Le Pen und sieben anderen Abgeordneten vertreten ist, könnte leicht einen falschen Eindruck vermitteln.
Macron und seine Regierung haben jetzt den Auftrag, die französischen Verhältnisse mit Entschiedenheit und sozialpolitischer Finesse zu verbessern. Falls ihnen das nicht rasch gelingt und Macron scheitert wie sein Vorgänger François Hollande, dürfte der Weg für Le Pen bereitet sein. Dann könnte sich Bertolt Brechts düstere Ahnung aus „Arturo Ui“ von drohenden Neuauflagen des Faschismus bestätigen: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch …“
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