Rotermundt für "Die Freiheit": Der Bürgerfänger
Kommunalpolitiker Steffen Rotermundt will in Schleswig-Holstein einen Landesverband der islamkritischen Partei "Die Freiheit" gründen. Die will nicht als ausländerfeindlich gelten, unterzeichnete aber eine "Erklärung gegen Islamismus".
HAMBURG taz | Das sind wahre Fans: Pünktlich, sehr pünktlich war die kleine Gruppe zu der Veranstaltung mit Thilo Sarrazin im Januar in Itzehoe gekommen. Auf den blau-gelben Plakaten, die die fünfköpfige Truppe in den Händen hielt, stand "Die Freiheit sagt Danke Thilo".
Die Sarrazin-Lesung war eine der ersten Veranstaltungen, bei der sich die Anhänger der Partei "Die Freiheit" in Schleswig-Holstein zeigten. Geht es nach dem Ahrensburger Kommunalpolitiker Steffen Rotermundt, wird diese Aktion nicht die letzte der Partei sein. Das ehemalige CDU-Mitglied will einen Landesverband der Partei "Die Freiheit" aufbauen.
"Die Freiheit" verkauft sich als liberale Bürgerrechtspartei, auffällig sind aber vor allem ihre kritische Haltung zum Islam und ihre rechtspopulistischen Äußerungen. Die Partei bezeichnet in ihrem Programm den "politischen Islam" als totalitäre Ideologie, gegen die die Freiheiten im Land verteidigt werden müssten.
Bevor eine neue Partei in Schleswig-Holstein an einer Landtagswahl teilnehmen kann, muss sie folgende Hürden nehmen:
Ihre Beteiligung anzeigen muss sie beim Landeswahlleiter.
Der Landeswahlausschuss prüft, ob die Vereinigung eine Partei im Sinne des Gesetzes ist.
Die Prüfung entfällt, wenn eine Partei bereits im Landtag oder Bundestag vertreten ist.
1.000 Unterschriften von Wahlberechtigten braucht eine Partei, um als Liste wählbar zu sein.
Direktkandidaten in den Kreisen müssen je 100 Unterschriften vorweisen.
Meldeämter prüfen die Unterschriften.
Sie wollen sich wehren gegen "linksideologisch motivierte Experimente zur Umerziehung der Bevölkerung" und gegen die "sozialistische Gleichschaltung" der Gesellschaft. Sie fordert einen Zuwanderungsstopp "bis zur Lösung der Integrationsprobleme".
"Die Freiheit" wurde vom Berliner René Stadtkewitz mitgegründet, ebenfalls ein ehemaliger Christdemokrat. Er ist auf CDU-Ticket ins Berliner Abgeordnetenhaus gekommen. In Berlin gibt es bereits einen Landesverband und "Die Freiheit" will bei den Wahlen fürs Abgeordnetenhaus im September antreten.
Zur nächsten Wahl in Schleswig-Holstein will auch Rotermundt mit der "Freiheit" antreten. Er ist selbst seit Dezember 2010 Mitglied und nennt sich "Beauftragter zur Gründung eines Landesverbandes". Nach Rotermundts Angaben gab es bei einem ersten Treffen von Interessenten der Partei "Die Freiheit" aus Schleswig-Holstein und Hamburg rund 40 Besucher, bei einem zweiten kamen 25. Er selbst verdient sein Geld als Vermögensberater.
Rotermundt sagt, er sei in die "Freiheit" eingetreten, weil man dort ein Thema ansprechen könne, über das man in der CDU nicht diskutieren dürfe: Das Problem mit der Integration. In der CDU würden aufgrund von politischer Korrektheit Themen unterdrückt.
Ausgetreten ist Rotermundt allerdings, weil er mit der Nominierung eines Bürgermeisterkandidaten in seiner Heimatstadt Ahrensburg nicht einverstanden war. Außerdem hatte er schon 2005 eine Abstimmung um eine CDU-Direktkandidatur für den Bundestag gegen Carl-Eduard von Bismarck verloren.
"Die Freiheit" will nicht als ausländerfeindliche Partei gelten. Die Mitglieder wollen als seriös wahrgenommen werden und für die Mitte der Gesellschaft wählbar sein. Wo die "Freiheit" tatsächlich politisch steht, ist an der Wahl ihrer Partner zu sehen:
Gemeinsam mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), dem Vlaams Belang (Belgien) und den Schwedendemokraten hat "Die Freiheit" eine "Jerusalemer Erklärung gegen Islamismus" unterzeichnet.
Die genaue Definition, was der von seiner Partei geforderte Zuwanderungsstopp bedeuten solle, müsse man diskutieren, sagt Rotermundt. Wie man Anhänger des Islam als Religion und Anhänger des Islam als Ideologie denn unterscheiden wolle, kann er auch noch nicht sagen.
Das sei eine "Riesenaufgabe, dort zu differenzieren". Auch für die Integrationsprobleme hat Rotermundt noch keine Lösung gefunden und will erstmal diskutieren. Er wolle die "Einwanderung in die Sozialsysteme stoppen", sagt er.
Bei der Sarrazin-Lesung in Itzehoe ließen sich die Mitglieder der "Freiheit" von der Presse fotografieren. "Aber schreiben sie wirklich mal die Wahrheit", sagte einer. "Sie haben doch alle verschwiegen, was für eine Gefahr die Ausländer hier sind."
Im Foyer des Theaters sprachen sie Besucher an, diskutierten über Sarrazins Thesen "der sagt das mal endlich" und verteilten Anstecker auf denen stand "Danke Sarrazin" und "Danke Thilo" - und ernteten viel Zuspruch.
Als nach der Buchvorstellung in der Podiumsrunde Adnan Vural vom türkisch-moslemischen Kulturverein sagte, dass der Islam keine Religion des Krieges sei, lachten sie höhnisch.
Rotermundt ist da zurückhaltender: Auch zu Sarrazin will er keine klare Stellung beziehen. Das Buch sei ein guter und wichtiger Diskussionsanstoß. "Wenn sich die Statistiken bewahrheiten", müsse man diskutieren wie mit den dort skizzierten Problemen umzugehen sei, sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland