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Rot-grüner A-100-Kompromiss wackeltRamsauer holt die Route raus

Der Bundesverkehrsminister grätscht in die Einigungsformel der potenziellen Koalitionäre. Die Grünen setzen auf den Faktor Zeit.

Macht den Grünen alles madig: Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU). Bild: dpa

In die rot-grüne Debatte um die Stadtautobahn A 100 hat sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer eingeschaltet. "Wer glaubt, Gelder könnten bei konkreten Straßenbauprojekten des Bundes einfach in Lärmschutzmaßnahmen umgewidmet werden, der täuscht sich", sagte der CSU-Politiker am Dienstag. "Diese verkehrspolitische Realität muss ein künftiger Senat zur Kenntnis nehmen." Ramsauer bremste damit die Hoffnung der Grünen aus, den umstrittenen Weiterbau der A 100 durch eine Umwidmung der vorgesehen Bundesmittel zu stoppen. Ein grüner Landesparteitag soll am Freitag die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPD beschließen. Die Landesvorstände beider Parteien haben dafür bereits grünes Licht gegeben.

Wie berichtet, haben SPD und Grüne bei ihren Sondierungen ein Moratorium für den Weiterbau der A 100 vereinbart. Dabei soll vor allem geprüft werden, ob die veranschlagten 420 Millionen Euro vom Bund auch in Sanierungs- und Lärmschutzmaßnahmen umgewidmet werden können. Ist dies nicht der Fall, kann die A 100 gebaut werden - wenn es dafür Geld gibt - so die Ansage. Grundsätzlich soll der Weiterbau der Autobahn durch Neukölln und Treptow nicht aufgegeben werden.

Die Grünen reagierten gelassen auf die Äußerungen des Verkehrsministers. "Es ist doch klar, dass Ramsauer versucht, seine Freunde von der Berliner CDU ins Spiel zu bringen", ließ Fraktionschef Volker Ratzmann seinen Sprecher per SMS mitteilen. "Darauf fallen wir nicht herein." Der grüne Landesvorsitzende Daniel Wesener sprach von einem "durchsichtigen Manöver". Der taz sagte Wesener: "Erst warten wir das Urteil aus Leipzig ab, dann schauen wir, ob es überhaupt Geld gibt, und drittens verhandeln wir dann über eine Umwandlung der Mittel." Das Oberverwaltungsgericht in Leipzig wird wohl im Frühjahr 2012 darüber entscheiden, ob der Planfeststellungsbeschluss für den A 100-Weiterbau rechtens ist. Wenn nicht, fällt das Projekt ohnehin ins Wasser.

Der Weg zum neuen Senat

Der erste Schritt auf dem Weg zu einem rot-grünen Senat ist, dass am Freitag ein Grünen-Landesparteitag Koalitionsverhandlungen zustimmt. Bei der SPD reichte dazu ein Beschluss des Parteivorstands vom Montag aus. Diese Gespräche werden sowohl in großer Runde der Parteioberen als auch in Arbeitsgruppen der Fachpolitiker geführt. Können sich die Verhandler einigen, müssen Parteitage dem ausformulierten Koalitionsvertrag zustimmen. Wieviel Zeit die Verhandlungen in Anspruch nehmen, ist offen. Die Landesverfassung setzt dafür kein Zeitlimit. Fest steht allein, dass das neue Abgeordnetenhaus am 27. Oktober erstmals tagt. 2001 dauerte es nach der Wahl drei Monate bis zur Senatsbildung. Damals verhandelten erst SPD, FDP und Grüne vier Wochen vergeblich, bis sich SPD und PDS binnen 14 Tagen auf eine Koalition einigten. 2006 vergingen nach der Wahl bis dahin zwei Monate. Die aktuellen Geschäfte führt bis zur Regierungsbildung weiter der rot-rote Senat. Steht die Koalition, wählt sie im Abgeordnetenhaus den Regierungschef. Der ernennt darauf hin sein Kabinett, wofür er nicht die Zustimmung des Parlaments braucht. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ging am Dienstag davon aus, dass im November die neue Koalition steht. (STA)

Anders als Ramsauer halten die Grünen eine Mittel-Umwidmung für möglich - wenn sie denn politisch gewollt werde. "Die Haushaltstitel Autobahnneubau und Autobahnreparatur sind deckungsfähig", so Grünenfraktionschefin Ramona Pop. Ramsauer selbst habe gesagt, Erhalt gehe vor Neubau. In den Koalitionsverhandlungen wollen die Grünen nun klären, wo das Geld investiert werden soll. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte nur, er strebe eine zügige Entscheidung an. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein rot-grünes Projekt für die Stadt an dieser Frage scheitern sollte", fügte er hinzu.

Allerdings gibt es nach wie vor Interpretationsbedarf, was SPD und Grüne tatsächlich ausgehandelt haben. In einem Papier, das der SPD-Landesvorstand am Montag beschlossen hat, steht unter Punkt 5: "Lässt sich eine Umwidmung der Bundesmittel nicht erreichen, steht die Koalition zum Weiterbau der BAB 100." Der Grüne Wesener sagte hingegen, das sei so nicht beschlossen worden. Wowereit wiederum räumte am Rande der Senatssitzung ein, dass die SPD den Satz nur "der Klarheit" zuliebe eingefügt habe.

Wesener ist nicht nur aus diesem Grund optimistisch, die A 100 verhindern zu können. Auch die Tatsache, dass bislang kein Geld für den Bau im Bundeshaushalt eingestellt ist, stimme ihn zuversichtlich. Der Grünen-Politiker glaubt anders als das Bundesverkehrsministerium und die SPD nicht, dass der allgemeine Investitionstopf des Bundes reicht: "Dieser Investitionsplan ist zu 60 Prozent überzeichnet. Auch da werden Projekte gestrichen werden müssen."

Autobahn-Gegner bleiben derweil skeptisch. Den Sekt habe man angesichts des Kompromisses zwischen Rot und Grün nicht aufgemacht, sagte die Sprecherin der Bürgerinitiative Stadtring-Süd (BISS), Birte Rodenberg. "Es kommt darauf an, wie letztlich die Formulierung im Koalitionsvertrag aussieht."

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8 Kommentare

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  • EA
    Enzo Aduro

    Die Grünen - sonst machen Sie ja immer ein auf Basisdemokratisch - machen keinen Volksentscheid, weil Umfragen die es mal sagen: 55% zu 25% FÜR die A100.

     

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/sollte-es-eine-volksabstimmung-zur-a-100-geben/4658554.html

  • S
    Svenja

    Ob es im Frühjahr 2012 noch einen Verkehrsminister Ramsauer gibt ist doch fraglich. Ich habe das Gefühl, dass die Koalition nicht mehr lange bestand haben wird, zum mindest für einen (kleinen) Teil sieht es ja derzeit nicht gerade rosig aus.

    Ich denke, die Grünen setzten einfach schon mal auf den eigenen Verkehrsminister, der wird sich nicht so anstellen und eine Umwidmung ganz lässig durchwinken.

  • AD
    an der Tür

    Es erscheint mir unsinnig, sich an der A100-Frage zu zerlegen. Die Grünen haben sich hier festgelegt, die SPD kaum weniger. Ein Kompromiss ist kaum möglich, weil halbe Autobahn bauen kann man nicht.

     

    Anstatt also über die A100 zu streiten, könnte man eine ähnliche Einigung wie in BW anstreben – lasst die Berlinerinnen und Berliner doch einfach selber in einem Referendum über die A100 abstimmen. So wahren beide Seiten das Gesicht und das Thema ist vom Tisch – es gibt schließlich noch anderes zu besprechen.

     

    Allerdings müssten dafür die gesetzlichen verfassungsrechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Ein solches Referendum müsste natürlich beim Abgeordnetenhaus angesiedelt sein, damit die Exekutive kein Schindluder damit treiben kann. Auch eine 2/3-Mehrheit für den Beschluss im Parlament scheint mir ratsam.

     

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass LINKE oder Piraten sich für eine vernünftig ausgestaltete Lösung hier nicht gewinnen ließen.

  • EA
    Enzo Aduro

    Was für ein dummer Kompromiss.

    Hoffentlich bekommt Berlin nicht so eine zerstrittene Regierung wie es Schwarz-Gelb im Bund ist.

     

    Eine Volksabstimmung, meinetwegen in Form einer Volksbefragung (in Form einer Wahl) an dessen Ergebnis sich die Politik bindet, soll das klären. Diese Aufschieberei bringt nichts als Streit in einen Senat der knallhart und entschieden diese hochverschuldete Stadt regieren muss und sich keinesfalls mit sich selber beschäftigen darf!

  • P
    Philipp

    Ja, ich ärgere mich auch über diesen faulen Kompromiss. Ich bin mir aber auch im Klaren darüber, dass sollte es nicht zu Rot-Grün (inklusive diesem faulen Kompromiss)kommen, es zu Rot-Schwarz (inklusive einem 100%ig Bau der A100) kommt. Vielleicht hätten sich doch manche dem Trend Grünen-Bashing entziehen sollen, und ihre Stimme nicht einer anderen Partei geben sollen. Stärkere Grünen könnten der SPD jedenfalls mehr entgegensetzen. Tja, Pech gehabt.

  • SM
    stephan mirwalt

    Die Grünen haben sich ganz schön übers Ohr hauen lassen. Die Bundesregierung mitsamt dem Ramsauer sind doch von der Automobilindustrie gekauft und geschmiert.

  • G
    gerd.

    @Name-von-mir

    Stimmt. Moorburg-Kohlekraftwerk, ick hör dir trapsen.

    Und bei der A100 hängt es noch von der Union ab. So schnell kommt die nächste Bundestagswahl - vermutlich - nicht.

  • NV
    Name von mir

    Warum lassen sich die Grünen immer wieder auf solche faulen Kompromisse ein? Bei der derzeitigen Bundesregierung wird man mit Sicherheit alles dran setzen den Grünen nicht entgegen zu kommen.

     

    Und Ramsauer wird bestimmt nicht gegen den Bau einer Autobahn stimmen. Dem wird doch allein bei dem Begriff warm ums Herz.