■ Rot-grüne Verhandlungen in Hamburg um mehr Homobürgerrechte: Ein Muster mit weitreichendem Wert
Gleiche Bürgerrechte für schwule Männer und lesbische Frauen: Die meisten Heterosexuellen halten dieses Thema eigentlich für erledigt. Hat man nicht am Umgang mit Aids bewiesen, wie mitfühlend eine Gesellschaft mit ihren Minderheiten umgehen kann? Leben Schwule und Lesben in der Bundesrepublik nicht tatsächlich so, daß sie meist zwar nicht geachtet, aber zumindest nach dem Motto „Leben und leben lassen“ toleriert werden? Haben nicht sogar die Evangelischen Kirchen ihre Schuld an der Ausgrenzung von Homosexuellen in der Vergangenheit bekannt?
Allein: Es waren und sind all dies nur – wenn auch nötige – freundliche Gesten. Im wirklichen Leben genießen Homosexuelle nach wie vor nicht die gleichen Rechte wie Heterosexuelle. Mit dieser unseligen Tradition wird momentan bei den Verhandlungen um eine rot-grüne Koalition in Hamburg gebrochen.
Die Koalitionäre in spe haben sich – in dem Bewußtsein, daß sie bundesrechtlich nichts zu melden haben – darauf verlegt, die Lebenssituation von Homosexuellen dort zu verbessern, wo ihnen dies bundesrechtlich nicht ausdrücklich versagt bleiben muß. So soll in Hamburg zukünftig ein Mann seinen Lebensgefährten im Krankenhaus besuchen dürfen, ohne daß ihm dies die Familie des Verunglückten verbieten kann; möglich soll werden, daß schwule und lesbische Wohnungssuchende gemeinsam eine Sozialunterkunft haben können. Auch wird sowohl über Adoption als auch über eine Art standesamtliche Registrierung nachgedacht – ohne das Heteromonopol an der Ehe anzutasten. Auch das Bleiberecht für ausländische Partner soll so ermöglicht werden.
Daß diese Politik (der Selbstverständlichkeiten) nicht schon bei anderen rot-grünen Verhandlungen erörtert wurde, liegt an der Angst der SPD vor dem Ruf, eine Homopartei zu sein. In Hamburg muß sie dies nicht allzusehr fürchten. Der CDU-Opposition sitzt mit Ole von Beust ein bekennender Junggeselle vor, der, als liberaler Modernist, gesetzlichen Homoinitiativen keine Steine in den Weg legen will: Da droht dem hetero-verheirateten SPD-Bürgermeisterkandidaten Ortwin Runde kein Leumundsschaden.
Was in Hamburg in puncto Homobürgerrechte formuliert wird, ist ein Muster mit weitreichendem Wert. Sichtbar wird an diesem, vordergründig nur für eine Minderheit wichtigen Beispiel, daß eine rot-grüne Option mehr verbinden kann als nur die schnöde Gier nach einem Bonner Regierungswechsel: Es wäre die Idee, die Bundesrepublik weiter zu demokratisieren – nicht nur in Hinblick auf Homobürgerrechte.
Wenn die kleinbürgerlich-konservative und christlich-fundamentalistischen Teile der Union nun auf die Barrikaden gehen, kann dies den Hamburger Koalitionären nur recht sein. Sie würden endlich erkennen lassen, weshalb der Wechsel auch in Bonn und Berlin lohnen könnte. Jan Feddersen
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