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Rot-Rot-Grün in BerlinOb das noch ein Jahr hält?

Kommentar von Stefan Alberti

Die rot-rot-grüne Koalition streitet wieder wie vor Corona. Profitieren von einer vorgezogenen Neuwahl könnte vor allem die SPD.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Hoffnungsträgerin der Berliner SPD Foto: dpa

J eder traut dem anderen nur so weit, wie er ein Klavier schmeißen kann“, war mal sehr treffend formuliert über eine Regierung in einem anderen Bundesland zu lesen. Viele Jahre ist das her, aber der Satz ließe sich problemlos auf den aktuellen Zustand der rot-rot-grünen Berliner Koalition übertragen.

Alle paar Tage knallt es bei einem anderen Thema: vorige Woche, als nach dem Kopftuch-Urteil der grüne Justizsenator Behrendt seine Kabinettskollegin vom Bildungsressort düpierte, weil die neue Kopftuch-Regelung für Jura-Referendarinnen nur einige Tage später auf den Weg kam. Diese Woche, weil die SPD im Senat auf den letzten Drücker erneut das vor einem halben Jahr schon mal gestoppte Klimapaket der grünen Senatorin Regine Günther aufhielt – weil angeblich wichtige Dinge fehlten und anderes den Sozialdemokraten zu unsozial erschien.

Seit März und auch die Sommerpause hindurch schien die Koalition endlich zu funktionieren, ja, zu harmonieren. Regierungschef Michael Müller (SPD) und seine beiden Vizes, Klaus Lederer von der Linkspartei und Ramona Pop von den Grünen, vermittelten den Eindruck, die Krise gut zu bewältigen. In Pressekonferenzen kam tatsächlich der Eindruck rüber, da zögen drei Partner an einem Strang.

Nun ist Corona noch lange nicht passé, aber es sieht zumindest so aus, als komme Berlin einigermaßen mit der Krise klar. Das lässt deshalb auch wieder andere Themen nach vorne kommen – Themen, die bereits vor dem Lockdown für viel Streit in der Koalition sorgten. Gerade geht es nicht um Wohnungsbau, bei dem SPD und Linkspartei im Dauerclinch lagen, sondern um Verkehr und Klimaschutz, wo sich die Sozialdemokraten längst nicht überall mit den Grünen einigen können – oder wollen. „Klima­krise“, spottete unter der Woche jemand doppeldeutig über den jüngsten innerkoalitionären Streit.

Die Frage ist: Wie viele solcher Auseinandersetzungen hält die Koalition noch aus? Vor allem, wenn der inoffiziell längst begonnene Wahlkampf hochoffiziell wird? Wann ist der Punkt erreicht, wo die eine oder andere Seite schon aus Gründen der Selbstachtung eigentlich sagen muss: bis hierher und nicht weiter?

Eine solche Strategie aber könnte auch im völligen Absturz münden

Wobei die SPD von den drei Partnern am ehesten im Verdacht steht, einen solchen Bruch bewusst zu provozieren: denn sie könnte mit ihrer designierten Spitzenkandidatin Franziska Giffey mutmaßlich am meisten von einer vorgezogenen Neuwahl mehrere Monate vor der Bundestagswahl profitieren. Bei parallelen Wahlen am selben Tag fürchten viele Sozialdemokraten, dass der Boom der CDU auf Bundesebene auf Berlin durchschlägt.

Eine solche Strategie aber könnte auch im völligen Absturz münden: Ließe sich ein Koalitionsende nicht 100-prozentig schlüssig erklären, stünde die verantwortliche Partei als jene dar, die einem Land im Corona-Krisen-Modus der Abstandsregeln einen weiteren Wahltermin aufbürdet.

Es läuft darauf hinaus, dass alle die Zähne zusammenbeißen und versuchen werden, eben keine Situation entstehen zu lassen, aus der es kein Zurück mehr gibt. Keine tollen Aussichten sind das für das letzte Jahr eines rot-rot-grünen Bündnisses, das seinen Koalitionsvertrag 2016 mit „Berlin gemeinsam gestalten“ überschrieben und darin sogar ausdrücklich „Gutes Regieren“ versprochen hat.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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