Rosenkriege in der Klatschpresse: Die Frau, das überlegene Wesen

Warum sind bei den Rosenkriegen in der Klatschpresse eigentlich immer die Frauen die Bösen? Es muss an ihren Superkräften liegen.

Ein Portrait von Amber Heard und ein Portrait von Johnny Depp.

Wer ist gut, wer ist böse? Aus Sicht des Boulevards und der Bibel immer die Frau Foto: dpa/PA Wire | Victoria Jones/Kirsty O'connor

„Warum ist eigentlich immer die Frau die Böse, Mama?“, fragt die 12-Jährige im Café und stochert in ihrem Apfel-Crumble.

Alice Weidel meinst du?“, fragt die Mutter und ext ihren Espresso.

„Nee, nicht die, die sicher böse ist. Ich mein’ die, die alle für böse halten, obwohl keiner nix genau weiß und so.“

Eine ältere Dame schaut von ihrem Buch auf und sagt: „Du meinst Yoko Ono?“

„Wer ist das?“, fragt das Mädchen und ihre Mutter sagt: „Das ist die Frau, die angeblich die Beatles zerstört hat!“

„Ach so, nee, ich mein Amber Heard von Johnny Depp!“

„Ist dieser Johnny auch aus so einer … Boy Band?“, fragte die ältere Dame.

„Nee, das ist nur ein Boy!“

„Und diese Amber hat den Boy zerstört?“

Die Mutter sagt: „Na, der Boy war wohl schon vorher ganz schön kaputt!“

„So wie Justin Bieber, der ist immer traurig und guckt voll bescheuert!“, ruft das Mädchen.

„Und alle reden nur von Selena und Hailey, als wären die jemals das Problem gewesen“, sagt ein junger Typ am Nebentisch, ohne von seinem Handy aufzublicken.

Die ältere Dame sagt: „Und das Königshaus ist dann quasi die Boy Band, die Meghan Markle auf dem Gewissen hat.“

„Es ist einfach noch immer alles religiös verseucht“, sagt die Mutter. „Alle haben ’ne Meinung zur Zuschiebung der Sünde, so ein Scheißbuch!“

Männer können mit Kritik nicht umgehen und machen dann seltsame Sachen

„Welches Scheißbuch, Mama?“

„Die Bibel, Tilda, so ein ewiger Bestseller!“

„Eva hat’s verbrochen, dann Yoko, später Meghan, der Mann ohne die Frau würde eben immer das Richtige machen und in allen Paradiesen verbleiben!“, ruft die Barista vom Tresen aus.

„Was ist denn überhaupt das Richtige, Mama?“

„Na, auf sicher, dass Yoko ’ne großartige Künstlerin ist und John sich so richtig doll in sie verknallt hat!“

„Und Harry sich in Meghan!“

„Johnny spricht bei Netflix über Amber, als sei ihm eine Göttin erschienen!“

„Bieber kam ewig nicht von Selena los, erst durch Hailey!“

„Und jetzt ist er ein Wrack.“

„Frauen vertreiben Männer mit ihren Superkräften aus allen Paradiesen!“

„Laut Boulevardpresse.“

„Die Klatschpresse ist eben die Bibel der heutigen Zeit!“

„Menschen mögen einfache Geschichten mit Gut und Böse!“

„Wahrheit spielt keine Rolle.“

„Hauptsache, es herrscht Ordnung.“

Das Mädchen sagt: „Aber warum ist für die Ordnung dann die Frau die Böse und der Mann der Gute?“

„Der arme Ausgelieferte, haha!“, ruft die Barista.

„Hm“, macht die Mutter, die ältere Dame grinst und sagt: „Weil alle wissen, dass der Mann das schwache Geschlecht und er der Frau vollkommen unterlegen ist!“

Die Mutter lächelt und sagt: „Genau, Tilda, es ist nämlich in Wahrheit so: Viele Männer haben gar keinen eigenen Willen, die machen immer nur das, was die Frau will, die haben gar nicht genug Kraft, sich dagegen zu wehren.“

„Und deshalb sind immer alle sauer auf Frauen, wenn was schief geht?“

„Genau!“

„Viele Männer würden das auch gar nicht aushalten, wenn man die so richtig verantwortlich macht“, sagt die Barista. „Die können mit Kritik nicht umgehen und machen dann seltsame Sachen, manchmal sogar Weltkrieg.“

„Dann war das ja gut für Deutschland, dass man die ganze Zeit einer Frau die Schuld für alles geben konnte!“, ruft Tilda begeistert.

„Ja, jetzt geht das nicht mehr und schwupps, haben wir den ganz großen Salat.“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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