IS-Verbrechen an den Jesid*innen: In Vergessenheit geraten
Acht Jahre nach dem Massaker im Irak werden Jesid*innen vermisst, sind auf der Flucht oder im Exil. Sie sind in Not, aber niemand will es hören.
![Eine bewaffnete hilft zwei Frauen mit Kind. Eine bewaffnete hilft zwei Frauen mit Kind.](https://taz.de/picture/5710646/14/30756629-1.jpg)
V or acht Jahren, am 3. August 2014, fielen Kämpfer des sogenannten „Islamischen Staats“ im Schingal, Irak ein und verübten einen Genozid an den Jesid*innen. Sie töteten Männer und alte Frauen. Die jüngeren Frauen und Mädchen versklavten und vergewaltigten sie. Sie wurden von IS-Kämpfer an IS-Kämpfer weiterverkauft. Die Jungen zwangen sie, als Kindersoldaten zu kämpfen. Bis zum heutigen Tag werden noch immer 2.800 Frauen und Kinder vermisst.
Noch immer leben zehntausende Jesid*innen in Zelten in Lagern von Binnenflüchtlingen in der Autonomen Region Kurdistan. Sie können nicht in ihre Dörfer und Städte im Schingal zurückkehren. Am Boden gibt es immer wieder Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppen, zuletzt zwischen der irakischen Armee und den von der YPG ausgebildeten und der PKK nahestehenden jesidischen Einheiten YBS. Aus der Luft bombardiert die Türkei.
Der Genozid 2014 war weder Schicksal noch ein Naturereignis, er hätte verhindert werden können und müssen. Ebenso wie die desolate Situation der Jesid*innen heute. Doch es fehlt der politische Wille. Die Jesid*innen sind keine große Gruppe, weltweit gibt es schätzungsweise gerade einmal eine Million Jesid*innen. In ihrem Herkunftsgebiet, dem heutigen Irak, in Syrien und in der Türkei werden sie seit Jahrhunderten als nichtmuslimische Gemeinschaft, als Nicht-Buchreligion, deren Texte mündlich überliefert werden, verfolgt.
Die Jesid*innen haben keine Lobby. Von der islamischen Ummah, der weltweiten Gemeinschaft der Muslime, konnten und können sie keine Unterstützung erwarten. Auch in Deutschland nicht. Kein einziger deutscher Islamverband hat auf den Aufruf der Gesellschaft für bedrohte Völker reagiert, den Genozid an den Jesid*innen in den Freitagspredigten zu thematisieren.
In Deutschland, wo mittlerweile rund 200.000 Jesid*innen leben – es ist die weltweit größte Diasporagemeinschaft –, ist der Genozid aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Fatal, nicht zuletzt weil auch Deutsche ins Kalifat nach Syrien und Irak reisten und sich an Massakern und Vergewaltigungen beteiligten.
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