Ronald Pofalla macht Karriere: Choleriker auf der Schiene
Ronald Pofallas Wechsel aus dem Kanzleramt zur Deutschen Bahn sorgte 2013 für großes Aufsehen. Nun steigt er dort sogar in den Vorstand auf.
Der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla mag es gern deutlich. „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“, schleuderte der Christdemokrat seinem Parteifreund Wolfgang Bosbach einst entgegen, als der wegen der Griechenlandhilfe nervte. Auch Kabinettsmitglieder soll Pofalla mitunter böse angeschrien haben. Einen Choleriker als Cheflobbyisten einzukaufen – darauf kann nur die Deutsche Bahn kommen. Jetzt befördert sie den Mann auch noch: in den Vorstand.
Dort wird Angela Merkels ehemaliger Ausputzer außer für die Kontaktpflege ausgerechnet für Regeltreue verantwortlich sein, neudeutsch gerne „Compliance“ genannt. Dabei geht es um Integrität, um die Einhaltung von Vorschriften und Richtlinien.
Als der heute 56-Jährige seinen Posten im Kanzleramt 2013 verließ, erklärte er das damit, eine Familie gründen zu wollen. Doch bald wurde bekannt, dass er noch in seiner Zeit im Amt den Wechsel zur Bahn ausgehandelt hatte. Die öffentliche Empörung war groß, der Jobantritt wurde verschoben.
Pofalla war ein klassischer Berufspolitiker. 1975 trat er als Jugendlicher in die Union ein, fünfzehn Jahre später wurde er Bundestagsabgeordneter und blieb es fast ein Vierteljahrhundert. Ab 2009 war er als Kanzleramtschef auch Beauftragter für Nachrichtendienste.
„Beschönigt, getäuscht, gelogen“
Mitten im Bundestagswahlkampf 2013 behaupte er, die US-Regierung hätte Deutschland ein No-Spy-Abkommen angeboten. Vor wenigen Wochen hat er diese Behauptung im NSA-Untersuchungsausschuss wiederholt. „Mir wird vorgeworfen, ich hätte beschönigt, getäuscht, ja gelogen“, beschwerte er sich. Das sei „falsch und haltlos“. Aber: Öffentlich gewordene E-Mails aus dem Weißen Haus belegen, dass die USA so ein Angebot nicht gemacht haben.
Im Sommer 2013 hatte der Rheinländer die NSA-Affäre für beendet erklärt und damit eine amüsante satirische „Pofalla beendet …“-Welle ausgelöst.
Die Beschäftigten der Bahn dürften einen Vorstand, der ein so legeres Verhältnis zur Bespitzelung hat, gar nicht lustig finden. Der bahneigene Überwachungsskandal ist vielen noch in unguter Erinnerung: Die Revisionsabteilung setzte im großen Stil Detektive ein, um Mitarbeiter ausforschen zu lassen. Pofalla ist im DB-Vorstand auch für Datenschutz und Konzernsicherheit verantwortlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin