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Röslers "flexible" EnergiepolitikMit weniger Kohle mehr Energie

Statt konkreter Vorgaben zum Energiesparen setzt die Bundes-regierung auf den Markt. Die EU-Energieeffizienzrichtlinie hingegen legt den Fokus auf Regulierung.

Bezweifelt, dass die EU-Richtlinie zur Energieeffizienz je umgesetzt wird: Wirtschaftminister Philipp Rösler. Bild: dpa

BERLIN taz | 457,6 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten Energie hat Deutschland 2011 verbraucht. Rund ein Drittel davon wurde eingesetzt, um Räume zu wärmen, ein gutes weiteres Drittel, um Motoren anzutreiben, in Autos, Fahrstühlen oder Maschinen. Den Rest teilen sich unter anderem industrielle Wärmpepumpen, die Warmwasserbereitung oder die Beleuchtung. Künftig soll das weniger werden: durch mehr Effizienz.

Weil Energie immer teurer wird, versuchen Unternehmen schon jetzt, möglichst viel davon zu sparen: Schmiedewerke nutzen die Hitze aus ihren Öfen durch Hightech-Rohre, um Metallblöcke warmzuhalten, Fabriken überprüfen stetig die Leitungen ihrer Hydraulikpumpen, damit ihnen keine Luft entweicht und sie damit Kraft verschwenden.

Stadtwerke zahlen Hausbesitzern Zuschüsse für neue Heizungspumpen. Damit Energie möglichst effektiv genutzt wird, muss an vielen Schrauben und Schräubchen gedreht werden. In der Umsetzung will die Bundesregierung den Unternehmen "größtmögliche Flexibilität" lassen, sagte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).

Die EU-Staaten sollen selbst bestimmen können, ob sie den Energieverbrauch senken oder aber die gleiche Menge an Energie effizienter nutzen wollen. Die Energieeffizienzrichtlinie der EU hingegen wendet sich nicht an die Länder, sondern sieht konkrete Vorgaben für die Industrie vor.

Die Energieanbieter sollten jährlich 1,5 Prozent ihrer im Vorjahr verkauften Menge einsparen. Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) begrüßte zwar gestern, dass sich Rösler und Umweltminister Norbert Röttgen nach langem Streit auf einen Kompromiss geeinigt hätten, lehnte eine inhaltliche Bewertung aber ab.

Christian Noll, Geschäftsführer von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz wird deutlicher: "Wir werden am Ende ohne eine substantielle Effizienzpolitik dastehen", kritisiert er, "verbindliche Ziele wären wichtig gewesen". Viele US-Bundesstaaten, Polen, Portugal und Dänmark hätten schon Vorgaben. "Deutschland verliert den Anschluss", so Noll. Dem Bundesverband der Deutschen Industrie geht der Kompromiss hingegen zu weit, er sieht staatlichen Dirigismus.

Allerdings bezweifelte Rösler am Donnerstag, dass die Richtlinie überhaupt jemals verabschiedet werden würde. Aus der Branche hieß es, der Kompromiss bestehe aus "ganz viel heißer Luft". Der Grund für mehr Effizienz ist also auch künftig: Der Energiepreis.

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6 Kommentare

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  • M
    Mini

    die Energieeffiz wird sich über den Preis regeln | wirklich wichtig wäre ein Stromspeichergesetz & eine wirklich kostendeckende Vergütung für Dachsolaranlagen ohne (atmenden) Deckel

  • ST
    Stefan Thiesen

    Ich denke dieser Satz kennzeichnet das eigentliche Kern-Politikziel dieser Regierung - insbesondere von dem Dr. Med. Wirtschaftsminister:

     

    'In der Umsetzung will die Bundesregierung den Unternehmen "größtmögliche Flexibilität" lassen'.

     

    Vielleicht sollte man vor Unternehmen ein "Groß" ergänzen.

     

    Bah.

     

    Vielleicht eine Verschwörungstheorie als Nachtisch (ist normalerweise nicht mein Stil, aber mir gehen die sinnvollen Erklärungen aus): Die Bundesregierung hat mit den Chinesen vereinbart okay - wir geben Euch den Solarmarkt, wenn Ihr dafür unsere Schrott Anleihen kauft...

  • W
    WOSH-1

    Rösler und Röttgen - die beiden irren.

    Es ist eben nicht Aufgabe von Ministern ihre eigenen Jobs zu retten und dabei der deutschen Industrie, dem Handwerk und der gesamten Volkswirtschaft Schaden zuzufügen. Rösler kämpft um sein politisches Überleben. Nach der Personalie Gauck will er vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein noch einmal für die FDP Profil zeigen. Röttgen dagegen weiß, dass ohne FDP Neuwahlen anstehen, er selbst dann seinen Job auch verliert. Nur so ist zu verstehen, was die beiden im Hinterzimmer ausgewürfelt haben: Lasst uns die Solarbranche zerschlagen, auch wenn diese mehrheitlich von bürgerlichen Wählern getragen und unterstützt wird. Denn die hochbezahlten Jobs nach der Politiklaufbahn locken ja immer noch bei EON, ENBW, Vattenfall und RWE, und mit diesen Unternehmen haben es sich die Regierenden bisher noch nie verscherzt.

    Dies wird sich jedoch in dem Maße ändern, in dem diese fossil/nuklearen Betreiber an Bedeutung, d.h. an Kundschaft und Zukunftsperspektive verlieren. Die immer panischer ausgeteilten Schläge gegen die Solarindustrie und das zugehörige Handwerk mit ca. 150.000 sinnvollen Arbeitsplätzen sind Ausdruck wilder Rückzugsgefechte. Retten, was zu retten ist, ist die Devise.

    Doch es ist zu spät für die alten "Versorger". Die Menschen in Deutschland wollen keine zentrale, klimaschädliche, hochsubventionierte, gefährliche, korrupte und daher letztlich extrem teure zentrale Oligopolherrschaft, die sich von willigen Politikern von der EEG Umlage komplett befreien ließ. Was die Menschen wirklich wollen ist Sonne. Und Wind. Und Wasser. In Bürgerhand.

    Das aktuelle Rückzugsgefecht der beispiellosen Vergütungskürzungen, die der Wirtschaft nicht mal den Hauch einer Chance gibt sich darauf zeitlich einzustellen, mag von den fossilen Kräften in FDP und CDU noch gewonnen werden. Spätestens im Bundesrat wird jedoch die erste Quittung kommen.

    Und bei den nächsten Wahlen antworten dann die Wähler. Über 1 Million Bürger haben bereits in Sonnenstrom investiert! Millionen weitere stehen bereit. Sie wollen Photovoltaik. Die Regierung hat es in der Hand, dies verantwortungsvoll zu gestalten. So, wie Rösler und Röttgen es jedoch angehen, wird daraus nur eins: Ein letzter Etappensieg der veralteten "Versorger". Und eine Solarindustrie, die dank der Angriffe der eigenen Regierung, uind der damit verbundenen Wertvernichtung zum Schnäppchenpreis von Chinesen gekauft wird.

    Irre, was unsere "Eliten" aus einem weltweiten Vorsprung durch Technik machen. Wirklich irre.

  • M
    Matthias

    Was bitte hat Hydraulik mit Luft zu tun?! Das wäre dann wohl Pneumatik...

  • RR
    Rainer Rauschenberg

    Hydraulikpumpen, bei denen Luft entweicht ... so ein Mindestmaß an technischem Verständnis wäre schon hilfreich, liebe Redaktion.

  • F
    festus

    Luftverluste aus Hydrauliksystemen? Faszinierend....