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Rock-Girlies in Bernstein gießen

■ Die „Bandits“-Band ist so abgeschmackt wie der zugehörige Frauenpowersalat-Film

So eine Hamburger Feier: Da stehen sie alle und schwatzen und vergessen nicht festzustellen, daß da ja alle stehen. „Alle“kann man sagen, sobald ein gewisser Haufen Medienvolk da ist und Söhnke Wortmann und die VIVA-Zwillinge. Aber: Udo Lindenberg zählt nicht, denn der ist ja wirklich überall.

Katja von Garniers Film Bandits hatte im Zeise Kino Premiere, und nun wird gefeiert. Essen und trinken. Über den Film wird kaum gesprochen – was nicht ignorant ist, sondern freundlich, denn es ist kaum vorstellbar, daß dieses Publikum noch auf den abgeschmackten filmischen Frauenpowersalat reinfiel – soviele Experten. Die Stimmung im Saal war nicht ganz so Deutscher-Film-euphorisch wie gewünscht, vielmehr so, als sei da „ein kollektiver Joint“verabreicht worden, rockt eine Darstellerin rum. Daß dieser Film einfach schon wieder so ist, wie so ein Frauenrockfilm aus Deutschland nur sein kann und will, kommt als Interpretation gar nicht in Frage.

Moritz Bleibtreu ist ja auch da. Knockin' On Heaven's Door machte ihn bekannt, und da ist das Ehrensache und Adelsschlag, daß er heute dabei ist. Denn Bandits und Knockin' On Heaven's Door sind ja ungefähr dasselbe. Einmal Mädchenphantasie und einmal Jungenphantasie und beides dann in jeder Sekunde der Schimäre des großen Kinos verfallen: neue Ästhetik in alten Schläuchen.

Vielleicht könnte man Katja Riemann demnächst mal so, wie sie ist, in Bernstein gießen. Dann können – wie in Jurassic Park – dereinst Girlies daraus gebastelt werden. Denn deren Übermutter ist Frau Riemann. Da kann Frau Makatsch einpacken.

Da also stehen sie alle. Und jetzt schwappen sie in einen heißen Saal. Dort spielen die Darstellerdamen nun wie im Film, aber eben live, Rock. Rührend, wie stolz die Damen sind, daß es so wumst. Mutter, Familie und tatsächlich „Dylan und alle Rock & Roller der Welt“werden gegrüßt von Jasmin Tabatabai. Und Katja Riemann herzt Curt Cress, die Mutter Theresa des unsäglichen deutschen Schlagwerktreibens.

Später sind gar nicht mehr alle da. Lindenberg schon. Ein Mann zeigt allen sein Bandits-Tatoo. Dann gibt er seiner Freundin einen Rockkuß. Bestimmt erzählt er morgen überall, daß das aber wieder ein Exzeß war. War es aber gar nicht. Sogar Katja Riemann, eigentlich alle Verbliebenen, sind verunziert. Aha, sind doch nur Spucktatoos, wie man sie aus der Bravo kennt.

Auf der Soundtrack-CD wird auch gesprochen, bevorzugt so, als säße man mit Bierdose auf dem Rinnstein, Zigarette im Mundwinkel. Das „verfickt falsche Tempo“, wird da moniert. Weil es Rock ist. Richtiger Rock aber kommt nicht ins Schlingern, wenn das Tempo mal differiert. Großes Kino, kleine Köpfe. Dann sind alle betrunken.

Benjamin v. Stuckrad-Barre

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