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Roboter in der PflegePraxistests stehen noch aus

Angekündigt sind sie schon lange. Doch im Praxisalltag werden Roboter bisher fast nur für einfache Hilfsleistungen genutzt.

Noch besteht großer Forschungsbedarf für den Einsatz von Pflegerobotern Foto: dpa

Berlin taz | Die Herausforderung ist klar erkennbar: Immer mehr Menschen in Deutschland werden immer älter, und viele von ihnen werden zu Pflegefällen. Weniger klar ist, wie sich unsere Gesellschaft auf den drohenden „Pflegenotstand“ vorbereiten soll. Kann Technik eine Lösung bringen, womöglich sogar der Einsatz von Robotern, um pflegebedürftigen Menschen zu helfen?

Das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (TAB) hat diese Frage in einer Studie eingehend untersucht und neben technologischen auch wirtschaftliche, psychologische und ethische Gesichtspunkte erörtert. Vergangene Woche wurden die Befunde in einem Fachgespräch zum Thema „Robotik in der Pflege – gesellschaftliche Herausforderungen“ im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung von Experten und Abgeordneten diskutiert. Das vorläufige Fazit: Die technologische Forschung und die pflegerische Praxis müssen sich besser aufeinander abstimmen, was aber offenbar noch ein weiter Weg ist.

In seiner Studie hatte das TAB herausgefunden, dass es zwar einerseits „seit Langem intensive Entwicklungsbemühungen Im Bereich Robotik der Pflege“ gebe. Doch in die Pflegepraxis habe es bislang „nur eine Handvoll Produkte geschafft“. Meist handele es sich dabei um Spezialanwendungen, wie mechanische Esshilfen oder therapeutische Hilfsmittel wie die in Japan entwickelte Roboterrobbe „Paro“, deren Autonomie auch nur begrenzt sei. „Komplexere Assistenzroboter hingegen sind noch nicht über den Status einer Forschungsplattform hinausgekommen“, so Christoph Kehl, der Autor der TAB-Studie.

Wie Christine Weiß vom Berliner Projektträger VDI-VDE-IT im Bundestagsgespräch aktuell zur Forschungssituation ergänzte, werden zum „Einsatz von Digitalisierung in der Alten- und Krankenpflege“ derzeit 74 Projekte mit einer Fördersumme von 89 Millionen Euro von den drei Bundesministerien für Forschung, Wirtschaft und Arbeit gefördert. Dabei kommen vom BMBF als der wichtigste Förderinstitution rund 90 Prozent der Finanzmittel. Darin sind auch die Forschungsprojekte zur Pflegerobotik mit einem Umfang von 8 bis 10 Millionen Euro enthalten. Seit November 2018 läuft die BMBF-Fördermaßnahme „Robotische Systeme für die Pflege“. Der ebenfalls vom Forschungsministerium finanzierte Cluster „Zukunft der Pflege“ wird in vier Pflegepraxiszentren umgesetzt: Hannover, Freiburg, Nürnberg und Berlin.

Die Informatikerin Birgit Graf, die am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung zu Haushalts- und Assistenzrobotik forscht, skizzierte als den Stand der Technik „Roboter, deren primäre Nutzen in ihrer Mobilität liegt, z. B. Haushaltsroboter wie Staubsauger und Rasenmäher, elektrische Rollatoren, Transportroboter oder Roboter zur Personenführung“. Dagegen seien Pflegeroboter „mit umfangreichen, auch physischen Interaktionsfähigkeiten und komplexem autonomen Verhalten heutzutage noch klar der Forschung zuzuordnen“.

Kosten- und Nutzenanalyse

Der Nutzen und die grundsätzliche Akzeptanz sei in einigen Praxisprojekten zwar belegt worden. Doch um „den Transfer zum Serienprodukt und in den Regelbetrieb“ zu schaffen, sei es jedoch „notwendig, umfangreichere Praxistests inklusive Kosten-/Nutzenanalyse zu Effizienz ,Arbeitszufriedenheit oder Änderungen der Arbeitsbelastung durchzuführen“, so Fraunhofer-Forscherin Graf.

In dieser Richtung soll in diesem Sommer in Garmisch-Partenkirchen begonnen werden, wie Alexander Huhn von der dortigen Caritas berichtete. In seinem Landkreis, schilderte Huhn zunächst die Praxis, seien 24 Prozent der Bürger über 60 Jahre alt. „Rund 22.000 Menschen werden zukünftig – oder sind es bereits – auf Hilfen im Alter angewiesen sein“, so der Leiter eines Altenheimes mit 75 Patienten und ambulanten Pflegedienst. Huhn vertrat die Auffassung, dass „die Robotik mit der jetzt erstmalig verfügbaren Technologie der sicheren Mensch-Roboter-Kooperation und -Interaktion aus unserer Sicht potenziell in der Lage ist, eine immer größer werdende Versorgungslücke in Teilen zu schließen“.

In die Pflegepraxis hat es bislang nur eine Handvoll Produkte geschafft

Im August 2019 wird in Garmisch-Partenkirchen das Roboter-Zeitalter beginnen, und zwar mit einem Grundlagenforschungsprojekt, das vom Bayerischen Wirtschaftsministerium und einer ortsansässigen Stiftung gefördert wird. Wie Huhn berichtete, soll mit den beiden Trägersystemen „Edan“, einem Rollstuhl mit Roboterarm, und „Justin“, einem humanoiden Roboter, gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen in den nächsten fünf Jahren in mehreren Feldversuchen im Caritas-Altenheim untersucht werden, wie die beiden ursprünglich für die Raumfahrt entwickelten Maschinen als Assistenzsysteme menschliche Tätigkeiten ergänzen können.

Huhn: „Dabei sollen die Vorstellungen und Wünsche von Mitarbeitern, Senioren und Angehörigen wie auch den Gesundheitspartnern in der Pflege, wie Ärzten, Apotheken, Sanitätshäuser und Reha-Fachkräften, im Mittelpunkt stehen“. Eine Befragung im Vorfeld habe eine hohe Zustimmung zur Erprobung der Assistenzsysteme ergeben.

Aufgabenteilung zwischen Mensch und Maschine

„Die Pflege und menschliche Zuwendung werden immer beim Menschen bleiben“, ist für Huhn klar. „Aber Tabletten oder Getränke können von einem Roboter gebracht werden, genauso wie er wohl Gedächtnistraining oder Mobilisierungsmaßnahmen übernehmen könnte“. Sehr viel versprechen sich die Pflegekräfte auch von einer Unterstützung beim Heben und Bewegen oder Begleiten von Personen.

Es könnte aber auch so kommen, dass der Einzug der Pflegeroboter keineswegs konfliktfrei vonstatten geht. Peter Tackenberg vom Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DbfK) jedenfalls brachte kritische Positionen aus Sicht der Beschäftigten in die Ausschussdebatte ein. „Der Ersatz personenbezogener Dienstleistung durch Maschinen, die nicht müde werden, nicht streiken, deren Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt wird und mit denen niemals die situative Handlungsfähigkeit erreichen werden wird, die der natürlichen menschlichen Intelligenz und Empathie vorbehalten ist, ist nicht wünschenswert“, war Tackenbergs klare Haltung.

Dringender als die Technikentwicklung ist ihm die bessere Qualifizierung der menschlichen Pfleger und war um konkrete Beispiele nicht verlegen: „Im Themenfeld Digitalisierung der Pflege fehlt es an der Einrichtung von Pflegeinformatikstudiengängen an Hochschulen, um dringend Lehrkapazitäten auszubilden, und an IT-Weiterbildungsmaßnahmen, um in der Praxis den Kompetenzbereich ständig zu erweitern“.

Die bisherigen Robotik-Entwicklungen konnten den Verbandssprecher nicht überzeugen. Daher Tackenbergs Forderung: „Wir erwarten von der Politik ein Moratorium für den Einsatz von Robotik im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen in der Pflege.“

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4 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich war zwar "nur" zwei Jahre in der ambulanten Pflege tätig (zwei Praktika im Altenheim), aber – aber – aber



    ❦ es ist ein Traum, dass die alten, gebrechlichen Menschen dann mehr Zeit mit pflegenden Menschen verbringen würden, denn wir leben im Kapitalismus, und da zählt der Gewinn – und der lässt sich – Überraschung – mit Robotern nach einer gewissen Einführungs-Zeit – deutlich steigern



    ❦ die Zeit, die die alten, gebrechlichen Menschen verdienen würden, bekommen sie heute auch schon nicht – daran wird sich m. E. nichts andern, so lange wir nicht dafür sorgen, dass die Pflege dahin "zurück" kommt, wo sie hingehört: in die Daseinsvorsorge – abgekoppelt von Gewinnzwang



    ❦ die sog. Roboter werden als ein weiterer Grund dienen, noch weniger Personal einzustelllen (sie SOLLEN ja Personal ersezten, von wegen: ergänzen 😂 )



    ❦ ich habe mir immer vorgestellt, ob ich auch so behandelt werden möchte, wenn's mal so weit ist – die Antwort war ganz klar nein, also habe ich mir so viel Zeit genommen, wie ich es für einem Menschen angemessen hielt – dass ich der meistgehasste Mensch in der Station war, brauche ich wohl nicht betonen



    ❦ mir wurden sogar heftige Vorwürfe gemacht, als ich nachts bei einer Kundin stundenlang auf den ärztlichen Notdienst gewartet habe (ohne Berechnung!), um sie mit ihren Schmerzen nicht allein zu lassen (ihr großer Zeh musste wegen Versäumnissen durch den Frühdienst am nächsten Tag amputiert werden)



    ❦ die Pflege wird dann nur noch durch Roboter – begleitet von sehr kurzen Zeiteinheiten des begleitenden Personals – stattfinden



    ❦ bis sich die Roboter etabliert haben,wird es auch keine Lohnerhöhungen für Pflegepersonal oder eine Änderung am Teilzeitmodell (0 Rente!) geben – also die Menschen, die jetzt ganz unten im System schuften, werden einfach wegrationalisiert werden







    Das kann keiner wollen, aber es wird so kommen. Denn die Gewinnmaximierung ist jetzt schon der größte Mangel in der Pflege, die Menschen sind doch so was von egal.

  • Als Pflegefachkraft im 35. Arbeitsjahr sehe ich da durchaus Potential.



    Es gibt jede Menge Tätigkeiten, die ich liebend gerne an einen Roboter angeben würde:



    - körperlich schwere Arbeit (heben,tragen usw.)



    - die ständigen Laufwege auf Station



    - Materialbestellung;Material einräumen;Lagerbestand prüfen



    - als Sprachassistent die Dokumentation eintragen / mich erinnern an bestimmte Tätigkeiten, evtl. diese sogar selbsttätig ausführen

    Praktisch könnte ich mir so einen Roboter vorstellen, der dezent immer an meiner Seite ist und den ich bei Bedarf sofort verfügbar habe.

    Die zwischenmenschliche Beziehung Patient-Pflegekraft bleibt erhalten, aber die Pflegekraft kann sich mehr und besser auf ihre Kernkompetenz konzentrieren.

    Ein Anfang wäre schonmal gemacht, wenn endlich die Schnittstelle Pflegestation - Arzt reibungsloser ablaufen würde:



    - keine umständlichen Bestellungen per Telefon/Fax



    - endlich mal Emailkommunikation bzw. Kommunikation auf gemeinsamen Plattformen.



    - mobile Lösungen für Dokumentation direkt am Patient (gibt es zwar schon, die Leitungsebenen in der Pflege sind aber noch zu träge

    Ich könnte diese Liste noch weiter fortsetzen.......

    Ja, ein Pflegeroboter wäre eine sehr nützliche Hilfe und die Pflegenden könnte ihren Fokus endlich mal 100% auf den Patienten richten!

  • Auch, wenn sie zur Unterstützung herangezogen werden sollen, finde ich es auf zweierlei Arten fürchterlich: 1. Setzt man mehr von diesen Dingern ein, kann man ja wieder Geld sparen!! 2. Ist das fürchterlich, weil der alte Mensch, dann einen Roboter als Ansprechpartner hat...Gruselig!! Was ist das für eine Gesellschaft, die den alten Menschen abschiebt und ihn mit Maschinen alleine lässt?

    • @KAJA123:

      In diesem Zusammenhang kann man Argumente in beide Richtungen finden. Bei Punkt 1 besteht natürlich eine latente Gefahr, Technik zur Gewinnmaximierung zu nutzen. Auf der anderen Seite ist das Potential an Pflegekräften begrenzt. Unter Fachleuten besteht derzeit weitgehend Einigkeit, dass in 20 Jahren selbst bei Vollbeschäftigung nicht ansatzweise ausreichend Pflegepersonal vorhanden sein wird, die alternde (sowie häufiger und länger pflegebedürftige) Bevölkerung zu versorgen. Die Alternative wäre dann, (noch) weniger Zeit für den einzelnen Pflegefall aufzuwenden.



      Bei Punkt 2 bin ich immer wieder verwundert, dass vor allem jüngere Menschen in der Technik ausschließlich ein Feindbild sehen. Meine Erfahrung zeigt, dass es eine nicht unbedeutende Anzahl pflegebedürftiger Menschen gibt, die sich gerade das wünschen. Besonders in der ambulanten Pflege, bedingt durch Schichtplanung und Fluktuation, sieht sich der Pflegebedürftige häufig wechselnden Pflegekräften gegenüber, denen er zu vom Pflegedienst vorgegebenen Zeiten seine intimsten Körperstellen anvertrauen muss. Rein technische Hilfsmittel, die dem Pflegebedürftigen z.B. beim Aufstehen oder Toilettengang unterstützen könnten (noch Zukunftsmusik, aber bereits auf dem Planungstisch), würden ihm Autonomie belassen und eine Privatsphäre, die für uns Nichtbetroffene selbstverständlich erscheint. Nicht jeder findet es sozial bereichernd, sich den Hinter abwischen zu lassen.

      Jede Medaille hat ihre zwei Seiten. Es wird darauf ankommen, einen Mittelweg zu finden, der sowohl ethischen als auch praktischen Anforderungen genügt.