piwik no script img

Roberto-Burle-Marx-Ausstellung in BerlinBaumeister der tropischen Moderne

Von den Pflanzen lernen: Der Garten-Architekt Roberto Burle Marx aus Brasilien wird in Berlin in der KunstHalle der Deutschen Bank vorgestellt.

Vermutlich eine Karnevalsdekoration von Roberto Burle Marx Foto: Isabella Matheus

Wenn in Rio de Janeiro zu Silvester die weiß gekleideten Menschenmassen die Straßen der Copacabana entlang zum Strand ziehen, gibt Roberto Burle Marx ihnen den Takt vor. Die Brasilianer, die der Meeresgöttin Jemanja zur Jahreswende Opfergaben in Form von Blumen, Papierbooten und kleinen Parfumflakons überbringen, laufen in Schlangenlinien die Avenida Atlântica entlang und folgen dabei den großflächigen Wellenmustern, mit denen der Landschaftsarchitekt den Boden der Strandpromenade verziert hat.

Neben Oskar Niemeyer hat kaum jemand das Stadtbild Rios so sehr geprägt wie Burle Marx, und nirgendwo wird das deutlicher als auf der Avenida. Über vier Kilometer schmiegen sich auf deren Mittelstreifen kurvige Formen den Wellen des pazifischen Ozeans an.

Davon, dass Burle Marx’Praxis weit über Landschaftsarchitektur hinaus ging, zeugt die Ausstellung „Roberto Burle Marx – Brazilian Modernist“ in der KunstHalle der Deutschen Bank in Berlin. Sein Vater war zu Beginn des 19. Jahrhunderts als jüdischer Einwanderer nach Brasilien gekommen, zum Kunststudium ging der Sohn nach Berlin. Hier malte er seine ersten, damals noch realistischen Gemälde, und hier sah er im Botanischen Garten die Flora seines Heimatlandes mit neuen Augen.

Während Philodendren, Bromelien und Kakteen in Brasilien als Gestrüpp aus den gehobenen Gartenanlagen verbannt und durch europäische Rosen ersetzt wurden, die in der tropischen Hitze eingingen, wurden sie im botanischen Garten als exotische Wundergewächse zur Schau gestellt. Als Burle Marx Mitte der 30er Jahre nach Brasilien zurückkehrte, floss seine Begeisterung für Botanik ein in erste Skizzen für seine Gärten.

In kräftigen Gouachefarben erstrecken sich blaue, rote und gelbe kurvige Farbfelder über grünen Untergrund. Sie ähneln auf den ersten Blick eher modernistischen Gemälden als stadtarchitektonischen Skizzen. Blumenbeete werden zu geschlängelten Klecksen, helle und dunkle Grasgewächse bilden Schachbrettmuster und sternförmig angeordnete Linien stehen für Palmen. Später übertrug Burle Marx seine kubistische Formsprache auf seine Malerei und Schmuckentwürfe, gestaltete farbenfrohe Synagogenfenster, entwarf Kostüme und Bühnenbilder.

Entdecker von Pflanzenarten

Viele Aspekte seines Werkes bleiben unbeleuchtet in der verhältnismäßig kleinen KunstHalle der Deutschen Bank und viele Geschichten unerzählt: Zum Beispiel die sozialpolitische Bedeutung seiner Parks und Anlagen, die Burle Marx mit weiser Voraussicht auf die zukünftige Bedeutung öffentlicher Räume anlegte. Oder seine botanischen Recherchen, bei denen er 50 neue Pflanzenarten entdeckte. Stattdessen sieht man vor allem die Baupläne des brasilianischen Modernisten, darunter auch ein abgelehnter Vorschlag für den Umbau des Rosa-Luxemburg-Platzes. Fotos der tatsächlich umgesetzten Baupläne gibt es hingegen wenige.

Die Ausstellung

„Roberto Burle Marx: Brasilian Modernist“, KunstHalle Deutsche Bank, bis zum 3. Oktober 2017.

Am Ende steht erneut die Avenida Atlântica, dieses Mal von Dominique Gonzalez-Foerster in Bewegtbildern festgehalten. Die Brasilianerin gehört einer Generation von Künstler an, die entscheidend von Burle Marx geprägt wurden. Wie er arbeitet auch Gonzalez-Foerster genreübergreifend, und ebenso wie er versteht sie es, Botschaften und Emotionen in räumliche Dimensionen zu übersetzen.

2000 hat sie den Jahreswechsel in einer Wohnung hoch über der Promenade verbracht, das Treiben unten auf der Straße gefilmt und dazu Freunde von Burle Marx interviewt. Während die von seiner Vision berichten, verschwimmen die weißen Ameisen am Boden mit den schwarz-weiß-rotbraunen Mustern der Promenade. Burle Marx hätte diese aus der Vogelperspektive betrachtete Symbiose von Mensch und Umgebung mit Sicherheit gefallen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!