Robert Habecks Dreiteiler: Tief in die Modekiste gegriffen
Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck trägt jetzt Dreiteiler. Was er uns damit wohl sagen will?
S eit Neuestem trägt Robert Habeck Weste zum Anzug. Wobei er, wenn er nicht gerade im Bundestag am Rednerpult steht, das Jackett auch gern mal auszieht. Das scheint für Habeck der eigentliche Clou des Dreiteilers zu sein: dass er geschwind zum Zweiteiler wird, in dem er dann auch mal ganz hemdsärmelig agieren kann. In weißem Hemd und schwarzer Weste erinnert er dann an Gary Cooper, der in „Zwölf Uhr mittags“ verzweifelt auf der Suche nach ein paar aufrechten Bürgern der Kleinstadt Hadleyville ist.
Oder glaubt er, im Dreiteiler seriös zu wirken? Wenn man seriös mit bieder verwechselt, dann vielleicht. Aber wer als Politiker im Anzug cool, calm & collected auftreten will, sollte keine Weste tragen. Er könnte, wie einst bei Jürgen Trittin zu beobachten, raffiniert gebaute Hemden zum gut geschnittenen Anzug tragen. Das wäre dann eine Machtdemonstration.
Es gibt auch Westen vom Format von Trittins Hemden. Aber damit kann man nicht im Bundestag auftreten, vielleicht im englischen Oberhaus oder in „The Good Fight“, einer von Ridley Scott produzierten TV-Serie, die unbedingt zu empfehlen ist, will man etwas über wirklich coole Businesskleidung (und den mit Trump aufziehenden Bürgerkrieg in den amerikanischen Großstädten) erfahren.
Oder denkt Habeck an den anderen Grünen, der mal die große Nummer in der Partei war? Joschka Fischer hatte einst als Außenminister in teurem Zwirn und Weste für Furore gesorgt, wobei ein damaliger Beobachter bei ihm nicht zu Unrecht „priesterhafte Züge“ und einen „Wechsel im Ornat“ ausmachte. Das sollte Habeck nicht wiederholen.
Vollkommene Überschätzung von Hamid Karzsai
Als Konvertit in Sachen Kleiderluxus überschätzte Fischer dann auch Hamid Karzsai völlig, weil er in der tadellosen Eleganz des afghanischen Präsidenten in seinem „Chapan“, einem Mantel aus bunter, meist gestreifter Seide, auch tadellose politische Führungsqualitäten zu erkennen glaubte. Diesem Trugschluss hätte er nicht aufsitzen dürfen, selbst wenn er Tom Ford zustimmte. Der damalige Chefdesigner bei Yves Saint Laurent und Gucci hatte Karzsai 2002 zum bestgekleideten Mann der Welt erklärt.
In der Politik macht extrem gute Kleidung zu Recht eher misstrauisch, was Melania Trump an der Seite des nicht gerade auffallend gut gekleideten US-Präsidenten weidlich zu nutzen weiß.
Doch zurück zu Habeck und der Weste. So wie er sie trägt, scheint sie ein wenig die Funktion eines Korsetts zu haben. Natürlich nicht in dem Sinne, dass die Weste ihn einengt, sondern in dem Sinne, dass die Weste seine Körpermitte betont und damit seiner Figur optisch Halt gibt. Von dort aus kann der Wirtschaftsminister und Wahlkämpfer Habeck sein politisches Anliegen in zupackender Bewegungsfreiheit vortragen. Ja. Das hat politischen Stil. Fast so gut wie Trittins Hemden.
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