Risiko-Untersuchung zu Glyphosat: Gift im Leseraum
Ein kleines bisschen Öffnung: Monsanto will eine Studie zu Glyphosat nur unter großen Einschränkungen zugänglich machen.
„Personen, die ein berechtigtes Interesse haben“, so der Sprecher, sollten die Risiko-Untersuchungen der Hersteller lesen können: 14 Studien dazu, ob der Stoff krebserregend ist, jede rund 500 Seiten dick. Dafür sollen zwei Räume eingerichtet werden, im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Braunschweig und bei der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, Efsa, im italienischen Parma. Vielleicht werden auch Handys oder Notizen erlaubt.
Dem Vorschlag ging ein höflicher, aber in seiner Art seltener Brief voraus. Vergangenen Montag schrieb der EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, an die Glyphosat-Hersteller. Er forderte sie auf, „proaktiv“ die eigenen Studien zu veröffentlichen. Transparenz müsse zwar mit gesellschaftlichen Belangen wie „Schutz des privaten Eigentums“ in Einklang gebracht werden. Glyphosat habe aber eine „außergewöhnliche“ Aufmerksamkeit bekommen.
Ein Grund: Die Risiko-Einschätzungen gehen weit auseinander. Die EFSA, deren Urteil als Grundlage einer EU-Entscheidung gilt, hält es für unwahrscheinlich, dass Glyphosat ein Krebsrisiko birgt. Die Vorarbeit dazu kam vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung. Dieses verwarf das Urteil „möglicherweise krebserregend“ der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), das der Weltgesundheitsorganisation angehört. Es kam in Erklärungsnot, weil es sich auf die Herstellerangaben verließ.
Ein simples Molekül
Kritiker pochen längst auf die Veröffentlichung der Daten. Heike Moldenhauer vom Umweltverband BUND spricht beim Leseraum denn auch von „Pseudotransparenz“. Max Blank von Lobbycontrol hält ihn für „inakzeptabel“. Anders Andreas Gies vom Umweltbundesamt. Er, selbst Glyphosat-Kritiker, findet den Vorstoß „epochal“. Gies hält das Argument der Hersteller, nur im Leseraum blieben Geschäftsgeheimnisse gewahrt, für stichhaltig. Es gehe dabei nicht um die Chemie-Rezeptur, das „simple Molekül“ könne jeder nachbauen.
Für Konkurrenten seien vielmehr die Angaben über die „aufwendigen und kostspieligen“ Risikoanalysen interessant. Diese müsse jeder Hersteller vorlegen, bevor er ein neues Mittel mit Glyphosat vermarkten wolle. Da für sie viel Geld gezahlt werde, dürften sie nicht „einfach kopiert“ werden.
Andreas Gies, Umweltbundesamt
Gies plädiert dafür, eine hochrangige wissenschaftliche Gruppe zu bilden, die die Studien kritisch begutachtet, und ihr nicht nur Zugang zu Leseräumen zu geben, sondern auch Zeit, etwa ein halbes Jahr. Doch ein Sprecher der EU-Kommission sagt: „Der Glyphosat-Entscheidungsprozess geht weiter.“ Er sei „nicht gebunden“ an den Austausch der Hersteller mit dem Gesundheitskommissar.
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