piwik no script img

Rezension „Mit Rechten reden“Carl Schmitt und der HJ-Zwerg

„Mit Rechten reden“ ist ein als Sachbuch getarnter Mindfuck. Er dringt tief in die Gehirnwindungen rechten Denkens ein.

Viel Liebe und Polizei: Wege zum Dialog? Foto: dpa

Sie sind da“, düsterte der Spiegel nach der Bundestagswahl. Mit 12,6 Prozent der Stimmen ist die Alternative für Deutschland (AfD), eine nationalkonservativ bis völkisch-rechtsextreme Partei, drittstärkste Kraft im Bundestag. Ob und wie man mit Rechten reden sollte, das ist die Frage der Stunde. Wie soll man sich verhalten zu den neuen Abgeordneten, neben denen niemand sitzen mag? Wie soll man umgehen mit der zu erwartenden Flut von Bullshit-Anträgen und provokanten Anfragen mit denen sie die Legislative traktieren werden? Wie viel Sendezeit soll man denen einräumen, die unsere freie demokratische Grundordnung angreifen wollen?

Bislang nur Ratlosigkeit. Dass die auch fruchtbar sein kann, beweist ein neues Buch, geschrieben von einem Historiker, einem Juristen und einem Philosophen. „Mit Rechten reden“ ist keine Praxisanleitung zur erfolgreichen Kommunikation, sondern ein tastendes Nachdenken über Beziehungen und Sprache. Die Autoren treten, und das ist schon mal ein Verdienst, aus dem üblichen Diskursrahmen heraus, und nähern sich ihrem Sujet mit Argumentationslogik und Dialektik.

Die Rechten, stellen Leo, Steinbeis und Zorn zu Anfang fest, das sind nicht irgendwelche anderen, die es zu identifizieren und zu bekämpfen gilt. Sondern unser gemeinsames Problem, das in erster Linie eins der Kommunikation sei: Wer „rechts“ sei und wer „nicht-rechts“ oder „links“ sei, definiere sich nicht über Inhalte, sondern über gegenseitige Zuschreibungen und ein „Sprachspiel“, das immergleichen Mustern der (gescheiterten) Kommunikation folge. Provokation – Empörung. Behauptung – Zurückweisung. Uneindeutigkeit – Deutungseifer. Vorhersehbar und fruchtlos.

Es könne nicht schaden, sich in den Kopf des Gegners zu versetzen, finden sie. Das tun sie mit Gusto – und stellen fest: Die Rechten glauben, die Natur und die Wirklichkeit gegen einen grassierenden Moralismus verteidigen zu müssen. Sie glauben, dass die Linken den Gleichheitsgedanken nur hochhielten, um sich selbst im Namen der Schwachen an die Stelle der Starken zu setzen.

Das Buch

Per Leo, Maximilian Steinbeis, Daniel-Pascal Zorn: Mit Rechten reden. Ein Leitfaden. Klett-Cotta, Stuttgart 2017, 183 S., 14 Euro

„Der Moralismus ist der Teil, den unsere Seite zum Problem beigetragen hat“, konzedieren die Autoren. Jede Empörung darüber, dass Unsagbares sagbar gemacht zu werden drohe – ein Sieg für die Rechten. Jede Ausladung eines rechten Vordenkers aus einer Diskussion – ein Ausweis von Schwäche für die Nicht-Rechten. Genauso unproduktiv wie das Moralisieren sei das paternalistische Erziehen, etwa der Demonstranten von Dresden, die Sigmar Gabriel als „Pack“ schmähte.

Fieber und Krise

Besser sei es, wenn sich beide Seiten auch „endlich freimütig zu einem Gefühl bekennen, das sie insgeheim schon immer gehegt haben. Der Freude an den besten Vertretern der anderen Seite.“ Erkennbar Freude haben Leo, Steinbeis und Zorn an den Sprachbildern der in rechten Kreisen beliebten Philosophen Ernst Jünger und Carl Schmitt, die sie angeben, selbst zu schätzen. Sie weisen nach, dass auch Linke, wenn sie über die Bedrohung von rechts sprechen, sich gern in Metaphern von Fieber und Krise ergehen. Wo Gemeinsamkeit und gegenseitige Faszination herrschen, kommt man mit dem bloßen „Othering“ nicht weiter, das hat man am Ende des Kapitels verstanden.

Jede Empörung darüber, dass Unsagbares sagbar gemacht zu werden drohe – ein Sieg für die Rechten

Was danach kommt, ist reiner Irrsinn, aber unterhaltsam: Die Autoren präsentieren einen gefräßigen und moralisch unappetitlichen Informanten, der ihnen aus den Hirnwindungen der rechten Szene berichtet. Dort spielen sich rätselhafte theatrale Szenen ab, mit „Der Linken“ im weißen Wattefusselgewand, einem HJ-Zwerg und jungen Männer in Lederhosen. Am Ende liegt die Linke erledigt am Bühnenrand. Die Zuschauer sind weg, nur der Besitzer des Theaters sitzt noch und kichert.

Das Fazit des „Informanten“ und mithin Quintessenz des Buches: „Ohne die Linke ist die Rechte nichts. Aus eigener Kraft vermag sie nichts, weder in Gedanken noch im Sein. Die Rechte ist Wille zur Macht ohne Kraft zur Gestalt. All ihre Mittel hat sie der Linken gestohlen, während diese mit sich selbst beschäftigt war.“ Die Rechte als Spiegelbild und Albtraum der Linken. Interessant, aber: Wie weiter mit uns und den Rechten? Von diesem schalkhaften Autorentrio darf man keine seriöse Antwort erwarten. Dafür bekommt man einen Vorschlag für ein Sprachspiel (fast) ohne Regeln: Beim Parley spielen Piratenflaggen, ein Kinderbuch von Carl Schmitt und Kiera Knightly eine Rolle.

Wer den Nerv hat, sich auf diesen als Sachbuch getarnten Mindfuck einzulassen, wird auch daran große Freude haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Bei angemessener Übersetzung eines Wortes ist hilfreich, die unweigerlich mit dem Wort verbundenen Eigenschaften sich als vier Ecken eines Tetraeders vorzustellen: A) das Objekt bzw. Anzeigemittel, B) die Definition, Festlegung, Begrenzung, Exaktheit, C) Terminologie, Fachvokabular, und D) Idee, Auffassung, Begrifflichkeit, Begriff. Ist doch Voraussetzung für jede Rede der Wunsch, dass mit dem Gebrauch des Wortes beim Empfänger auch jene Vorstellung erzeugt, welche der Vorstellung des Redenden entspreche.

     

    Ziehe ich nun das Wort "Rechte" aus dem Titel als Verortung einer Richtung (= rechts) im Sinne von "Gesinnung", so fehlte für eine Vorstellung Objekt, Anzeigemittel, Definition, Festlegung, Begrenzung, Exaktheit.

     

    Nehme ich nun das Wort als Plural von "Recht" , so ergibt sich daraus die Vorstellung, es ginge um die Bestimmung, dass eine Rede auf Rechte sich berufen könne, eine andere nicht. Was wiederum die offene Frage nach sich ziehe, wie denn zu verfahren sei, nehme einer das Recht auf Rede nur zu dem Zweck in Anspruch, um dieses Recht abschaffen zu können. Wie in Deutschland ja bereits zweimal erfolgreich gelungen. Dabei hatte es in beiden Fällen nachweislich keineswegs an logisch begründeter Gegenreden gefehlt.

     

    Allerdings ist einzuräumen, dass ich weder philosophisch, noch juristisch oder historisch gebildet.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Hört sich für mich an, als seien die Carl-Schmitt-Freunde Vertreter der Neuen Rechten.

     

    Wer schon in der Methodik jeden politischen Inhalt beseitigt und dann auch noch jeden Widerspruch delegitimiert, Rechte überall willkommen heißen will und sich auf Beziehungsspielchen zurückzieht, hält sich ganz an die Methodik der Neuen Rechten.

     

    Über Inhalte muss niemand mehr reden, so etwas gibt es schließlich nicht, wie fein, dann ist Kapitalismus ab jetzt eben Naturgesetz und wer von einem Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus spricht, ist ein Narr.

     

    Da lob ich mir meine Narrenkappe.

  • Na Servus.

     

    Denn mal als Appetizer so jet -

    "…Besser sei es, wenn sich beide Seiten auch „endlich freimütig zu einem Gefühl bekennen, das sie insgeheim schon immer gehegt haben. Der Freude an den besten Vertretern der anderen Seite.“ Erkennbar Freude haben Leo, Steinbeis und Zorn an den Sprachbildern der in rechten Kreisen beliebten Philosophen Ernst Jünger und Carl Schmitt, die sie angeben, selbst zu schätzen. Sie weisen nach, dass auch Linke, wenn sie über die Bedrohung von rechts sprechen, sich gern in Metaphern von Fieber und Krise ergehen. …"

     

    "…aber welch brillante Schreibe…"

    Das "ja blenden laßen's sich scheint's gern - was?! Denn das heißt brillant ja auch!" - hab ich schonn weiland&später nicht nur meinem/dem Prof. der Anti-Schmitt-Fronde um die Ohren gekloppt.

    "Dann einfach mal jenseits allem Wortgeklingel "Der Führer schützt das Recht"

    (Hier der Volltext! ~> have a look at ~> http://delete129a.blogsport.de/images/CS_DerFuehrerschuetztdasRecht.pdf

     

    des gerade als Schriftleiter im auch damals schon renommierten Beck-Verlag* nazibraun durchgedrückten Staatsrat Prof. Dr. Carl Schmitt zum sog. Röhm-Putsch - https://de.m.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6hm-Putsch

    in der Deutschen Juristen-Zeitung - als Einstieg!! lesen. Ein Massaker in Wahrheit - bei dem auch General v. Schleicher bestialisch ermordet wurde. Dessen juristische Berater kurz zuvor noch der Kronjurist der Nazis Carl Schmitt & der unsägliche E.R. Huber**waren. &

    Dann! - Dann ist nämlich Schluß mit lustig.

    Eine irgend geartete "Faszination" -

    Fällt dann in sich zusammen - wie ein Kartenhaus.

    & ff

  • Die Mitte-Links in Deutschland muss endlich ihre scheinheilige Position überdenken. Wer rechtsradikales Meinungen äußert aber Seehofer oder de Maizière heißt, gilt trotzdem als Demokrat. Wer aber in der AfD ist, würde rechtsradikales Gedankengut verbreiten, selbst wenn er oder sie vom Wetter redet. Wer sich mit der AfD auseinandersetzt und in Dingen Gemeinsamkeiten sieht, in denen auch die AfD nur 1+1 zusammenzählt, wird als Mitläufer ebenfalls als rechtsradikal diffamiert. Ganz so als ob Rechtsradikalität eine ansteckende Krankheit wäre. Wer mit jemanden Kontakt hatte, der als rechtsradikal gilt, gilt ebenfalls als rechtsradikal.

    Natürlich ist Wachsamkeit bei den Anträgen der AfD angesagt. Allerdings haben die Anträge der AfD im Bundestag keine Chance. Wer in Deutschland an Demokratie und Meinungsfreiheit gesägt haben, sind de Maizière und Maas. Sie haben verfassungsfeindliche Gesetze nicht nur eingebracht, sondern diese mit der Mehrheit der großen Koalition auch beschlossen. Sie protegieren einen wuchernden Geheimdienst, der Terroristen unterstützt, verhindern Aufklärung und weiten diesen noch massiv aus. Die Gefahr für die Demokratie geht gerade auch von der angeblichen Mitte aus. Sie schränken Grundrechte ein, schaffen Privatsphäre ab und Führen Vorbeugehaft für Unschuldige ein. Das begründen sie nicht selten mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Islamismus. Diese "Logik" ist alles andere als neu. Sie wurde schon häufig vor allem mit umgekehrten Vorzeichen verwendet. Nicht zuletzt das Argument, Deutschland vor dem Linksextremisus, den Kommunisten schützen zu müssen, hat oft genug dazu gedient, die Meinungsfreiheit einzuschränken und demokratische Rechte abzuschaffen.

    • @Velofisch:

      Leider muß ich das schlichtumschlicht

      Unterschreiben.

      Die Staatlichen Gefährder -

      Sind benennbar & mehr als -

      Die dieses Duo infernale.