Rettungsschiff „Alan Kurdi“: Nicht mehr unter deutscher Flagge
Die „Alan Kurdi“ läuft künftig für eine italienische Organisation aus. Grund für den Verkauf sind finanziellen Belastungen durch mehrere Blockaden.
In den Folgejahren hat das Schiff der Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye in insgesamt zwölf Rettungsmissionen vor der libyschen Küste 927 Schiffbrüchige auf dem Mittelmeer gerettet. Rund 240 Crew-Mitglieder taten Dienst auf der „Alan Kurdi“. Doch damit ist nun Schluss, teilte Sea-Eye am Montag mit. Die „Alan Kurdi“ wird verkauft und läuft künftig für die italienische Seenotrettungsorganisation ResQ aus.
Von einer „emotionalen Entscheidung“ spricht der Vorsitzende von Sea-Eye, Gorden Isler gegenüber der taz. Denn schließlich habe das Schiff über Jahre die Erinnerung an den 2015 ertrunkenen syrischen Jungen lebendig gehalten. Dessen Vater, Abdullah Kurdi, taufte Anfang 2019 auf Mallorca das Schiff, das zuvor schon die Namen „Joh. L. Krueger“ und „Professor Albrecht Penck“ getragen hatte.
Im Jahr 1951 lief das Schiff vom Stapel und wurde erst vom Seehydrographischen Dienst der DDR, später von der Akademie der Wissenschaften auf der Nord- und Ostsee zu Forschungszwecken eingesetzt. 1964 führte die erste Atlantikexpedition der DDR das Schiff bis vor die westafrikanische Küste.
Verkauf die „einzige vernünftige“ Entscheidung
Nach der Wende fiel das Schiff dann dem Land Mecklenburg-Vorpommern zu. Seit 2010 lief es jedoch nicht mehr aus. Im Jahr 2018 kaufte es Sea-Eye. Erst mit der Umwidmung vom Forschungs- zum Rettungsschiff stach das 38 Meter kurze Schiff wieder in See – dieses Mal Richtung Mittelmeer.
Im Jahr 2019 war die „Alan Kurdi“ laut Sea-Eye dort das aktivste zivile Rettungsschiff. Dass die „Alan Kurdi“ nur Tage nachdem die Festnahme der deutschen Kapitänin Carola Rackete kontroverse Debatten über die zivile Seenotrettung auslöste, schon wieder Menschen vor dem Ertrinken rettete, bezeichnet Gorden Isler als „starkes Symbol“. Dennoch sei der Verkauf die „einzige vernünftige“ Entscheidung gewesen.
Der Grund liegt in der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung – und den hohen finanziellen Kosten, die damit verbunden sind. Zweimal haben italienische Behörden die „Alan Kurdi“ bereits wegen „technischer Ungereimtheiten“ festgesetzt. Im Mai 2020 im Hafen von Palermo. Ein zweites Mal dann wenige Monate später in dem sardinischen Hafen Olbia.
Neuer Name „ResQ PEOPLE“
Beide Male musste Sea Eye über Monate hinweg die rund 70.000 Euro Kosten pro Monat tragen, obwohl das Schiff nur im Hafen lag. Im Juni ist die „Alan Kurdi“ zwar wieder für neue Einsätze im Mittelmeer fit gemacht worden, das Risiko einer erneuten Festsetzung will Sea-Eye aber nicht eingehen. Mit den 400.000 Euro, die der Verkauf bringt, will die Organisation nun ihr einziges verbliebenes Rettungsschiff finanziell absichern: die viel größere „Sea-Eye 4“.
Einen neuen Namen hat die „Alan Kurdi“ übrigens auch schon: Als „ResQ PEOPLE“ soll sie weiter Menschenleben im Mittelmeer retten – unter italienischer Flagge.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin