Resistenz gegen Extremwetter: Chinas Städte in Not

Die Flut in Zhengzhou hat Hunderten das Leben gekostet. Die Katastrophe zeigt: Die urbane Infrastruktur des Landes ist auf Extremwetter nicht ausgelegt.

Ein Mann fährt mit einem fahrrad durch eine überflutete Straße.

Hochwasser in Zhengzhou am 2. August Foto: Cinatopix/ap/dpa

PEKING taz | Die am Montag noch einmal aktualisierten Zahlen sprechen für sich: Mindestens 302 Menschen sind durch die Flut im zentralchinesischen Henan ums Leben gekommen, weitere 50 gelten als vermisst. Der Materialschaden beläuft sich auf umgerechnet rund 15 Milliarden Euro. Auch Millionenstädte waren betroffen. In Zhengzhou, der Provinzhauptstadt von Henan, verwandelten sich nicht nur unzählige Straßenzüge in reißende Flüsse, auch das erst wenige Jahre alte U-Bahn-System wurde flächendeckend geflutet.

Damit hat eine Grundsatzfrage neue Dringlichkeit bekommen: Wie klimaresistent ist die chinesische Infrastruktur? Die Volksrepublik arbeitet seit gut zwei Jahrzehnten an der wohl größten baulichen Modernisierung der Geschichte: Städte wurden in Windeseile großflächig demoliert und mit neuen Hochhaussiedlungen, modernen Straßenbelägen und U-Bahn-Systemen versehen.

Ein paar empirische Eckdaten verdeutlichen die Dimension: Chinas meist staatliche Bauunternehmen haben in 15 Jahren das mit rund 38.000 Kilometern längste Netz für Hochgeschwindigkeitszüge errichtet, weitere 70.000 Kilometer befinden sich noch im Bau. Jedes Jahr errichtet oder renoviert das Land zehn neue Flughäfen. Mittlerweile haben über 90 chinesische Städte mehr als eine Million Einwohner.

Zu Beginn war Klimaresilienz kein Thema für die Regierung. Es ging um Armutsbekämpfung. Die Urbanisierung erfolgte komprimiert in wenigen Jahrzehnten, Europa benötigte ein ganzes Jahrhundert. „Wenn sie heute noch mal die Chance hätten, die Städte neu zu planen, denke ich, würden sie das ausgewogener machen“, sagte Geologie-Professor Fatih Chan von der Universität Nottingham der New York Times. Stattdessen entstanden Betonwüsten aus Apartmentsiedlungen und Fabrikanlagen, wo zuvor Reisfelder lagen.

Klima ist Chefsache

Xi Jinping ist der erste Staatspräsident, der das Problem zur Chefsache erklärt hat – und regelmäßig von nachhaltiger Entwicklung und Stadtplanung spricht. Nicht zuletzt versprach er der internationalen Gemeinschaft, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bis 2060 klimaneutral zu machen.

Das medizinische Fachmagazin The Lancet veröffentlichte eine Studie, wonach sich die Zahl der Toten infolge der Hitzewellen in den letzten 30 Jahren vervierfacht hat. Und laut einer aktuellen Untersuchung des Ostasien-Büros der NGO Greenpeace wird Peking alle zehn Jahre 0,32 Grad heißer, in Shanghai steigt die Gefahr extremer Regenfällen um 25 Prozent. Darauf, so die Autoren, seien die Städte nicht ausreichend vorbereitet – etwa durch Frühwarnsysteme oder Schutzmaßnahmen.

Das von den Fluten getroffene Zhengzhou galt eigentlich als Musterbeispiel. Dort wurde nach dem Modell „Schwammstadt“ gebaut, die Regenwasser durch Grünflächen und Feuchtgebiete aufnimmt, statt es lediglich zu kanalisieren. Dach- und Fassadenbegrünung sollen zur Kühlung der Stadt beitragen. Über 5.000 Kilometer Kanalisation wurden gebaut, Hunderte Hektar Parkanlagen mit Seen geschaffen. Für die Wassermassen zuletzt genügte das nicht: Zu Hochzeiten fielen 200 Millimeter Niederschlag in einer Stunde – fast ein Drittel eines durchschnittlichen Jahrs. Chinesische Experten sprechen von einem „Jahrtausendregen“.

Wer sich durch die Archive chinesischer Medien wühlt, findet seit Jahren Forderungen von Wissenschaftlern nach mehr integrierter „Klimaresilienz“ beim Bau neuer Infrastruktur. Die Fluten in Henan könnten einen Wendepunkt dafür bilden, dass solche Stimmen auch erhört werden.

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