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Repressionen in UsbekistanSiebeneinhalb Jahre Knast

Ein regierungskritischer Blogger erhält eine hohe Haftstrafe. In einem Facebook-Post hatte er sich zu religiösen Feiertagen geäußert.

Usbekistans Präsident Shavkat Mirsijojew und Wladimir Putin Ende Dezember 2021 in Petersburg Foto: Yevgeny Biyatov/ap

Berlin taz | Siebeneinhalb Jahre Haft: So lautet das Urteil gegen den usbekischen Blogger Fazilhoja Arifhoschajew, das am Mittwoch dieser Woche in der Hauptstadt Taschkent erging. Die Anklage hatte auf Herstellung, Lagerung, Verteilung oder Präsentation von Unterlagen, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedrohen, gelautet.

Der 41-Jährige war am 26. Juni vergangenen Jahres in einer Moschee mit einem als regierungstreu geltenden Prediger verbal aneinandergeraten und hatte diesen als „Heuchler“ bezeichnet. Arifhoschajew ist gläubiger Muslim und für seine Kritik an der repressiven Religionspolitik der politischen Führung in dem zentralasiatischen Land bekannt.

Zwei Tage später wurde er unter dem Vorwurf des Vandalismus festgenommen und zu 15 Tagen Haft verurteilt. Während dieser Tage sei Arifhoschajew laut Angaben der norwegischen Menschenrechtsorganisation Forum18 misshandelt und gefoltert worden. So rasierten Milizionäre unter Anwendung von Gewalt den Bart des Beschuldigten ab und hielten ihn in Einzelhaft. Zudem fixierten sie ihn 12 Stunden lang mit Handschellen an einem Rohr. Auch ein Anwalt wurde nicht zu Arifhoschajew vorgelassen, die offizielle Begründung lautete: Corona.

Nach Ablauf der Haftstrafe setzte die Polizei Arifhoschajews Anwalt darüber in Kenntnis, dass sein Mandant nicht auf freien Fuß komme, sondern ein neues Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet worden sei. Gleichzeitig musste der Rechtsbeistand eine sogenannte Stillschweigevereinbarung unterzeichnen.

Panik schüren

Die Vorwürfe waren genau die, die schließlich auch als Begründung für die Verurteilung zu der drakonischen Haftstrafe herhalten mussten. Bei dem inkriminierten Material handelte es sich um einen Facebook-Post auf Arifhoschajews Mobiltelefon.

Darin wurde die Frage diskutiert, ob Mus­li­m*in­nen Ver­tre­te­r*in­nen anderer Glaubensrichtungen zu deren religiösen Feiertagen gratulieren dürften. Ein von Staats wegen beauftragter Experte kam zu dem Ergebnis, dass der Inhalt des Posts „religiöser Extremismus“ sei und „Panik in der Bevölkerung schüren könnte“. Unter fadenscheinigen Begründungen wurde die Untersuchungshaft Arifhoschajews immer wieder verlängert.

Arifhoschajews Fall ist nicht der erste dieser Art. In der vergangenen Woche war der Blogger Miraziz Basarow wegen Verleumdung zu drei Jahren Hausarrest verurteilt worden. Einer der vier Männer, die Anzeige erstattet hatten, war besagter Moschee-Prediger.

Am 11. Mai 2021 hatte ein Gericht im Gebiet Surchandarinski den regierungskritischen Blogger Otabek Sattori wegen Erpressung im großen Stil, Verleumdung sowie Beleidigung zu sechseinhalb Jahren Straflager verurteilt. In seinem Videoblock „Chalk Fikri“ (Die Meinung des Volkes) auf Telegram und Youtube hatte er die lokalen Behörden beschuldigt, Strafverfahren gegen Blog­ge­r*in­nen zu fabrizieren. Gleichzeitig hatte er angekündigt, Korruptionsfällen unter Amts­trä­ge­r*in­nen „ungeachtet der Repressionen“ weiter nachzugehen.

Kritiker zum Schweigen bringen

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte während des Verfahrens gegen Arifhoschajew mehrmals dessen Freilassung gefordert. „Es ist nicht schwer zu sehen, dass dieser Fall nichts mit einer Bedrohung der öffentlichen Ordnung zu tun hat. Vielmehr ist klar, dass die usbekischen Behörden einen Regierungskritiker zum Schweigen bringen wollen, der noch dazu ein bekennender Muslim ist“, sagte die HRW-Zentralasienexpertin Mithra Rittmann. Sich in einem Facebook-Post zu religiösen Feiertagen zu äußern sei kein Verbrechen, Meinungsfreiheit von internationalen Menschenrechtsnormen geschützt. Usbekistan hat einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat.

In Usbekistan bekennen sich knapp 90 Prozent der 28 Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen zum Islam. Auch unter Präsident Shavkat Mirsijojew, der seit 2016 an der Macht ist, fährt der Staat in Sachen Religionspolitik einen repressiven Kurs. Dieser wird mit dem Kampf gegen militanten Islamismus begründet. Diese Linie dürfte sich durch die jüngsten Ereignisse bei Usbekistans nördlichem Nachbarn Kasachstan in der ersten Januarhälfte weiter verstärken. Dort hatte Präsident Kassim-Schomart Tokajew für landesweite Proteste mit offiziell 164 Toten und über 2.000 Verletzten ausländische radikale Islamisten verantwortlich gemacht.

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