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Repression in IranHoffnung entsteht aus Haltung

Ein toter Menschenrechtsanwalt, eine Trauerfeier, die zum Protest wird: Iranische Dissidenten zeigen, dass Mut stärker ist als der Terror des Regimes.

Narges Mohammadi in ihrer Wohnung in Tehran am 23. Januar 2025 Foto: Nooshin Jafari/Middle East Images/picture alliance

I m Dezember wurde der iranische Menschenrechtsanwalt Khosrow Alikordi in seinem Büro tot aufgefunden. Die Umstände waren zu dubios, um an Zufälle zu glauben. In Iran wusste man sofort, was das bedeutet: Das Regime muss dahinter stecken. Und trotzdem – oder gerade deshalb – fuhren viele Menschen zu seiner Trauerzeremonie nach Mashhad. Wie so oft in Iran wurde aus Trauer Protest.

Unter denen, die kamen, waren einige der bekanntesten Gesichter der iranischen Freiheitsbewegung: Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, die Journalistin Alieh Motalebzadeh, die Aktivistin Sepideh Qolian und viele andere. Mohammadi stand auf der Bühne und hielt eine Brandrede. Und das, obwohl sie sich nur im medizinischen Hafturlaub befand und jederzeit wieder festgenommen werden konnte. Alle wussten, wie hoch das Risiko war.

Die Sicherheitskräfte kamen in Zivil. Sie unterwanderten die Zeremonie, schlugen zu und zerrten Menschen weg. Eine später geleakte Audionachricht lässt erahnen, wie brutal die Festnahmen waren. Narges Mohammadi musste in eine Notaufnahme, Alieh Motalebzadeh erhielt erst drei Tage später medizinische Versorgung. Zwei Wochen danach sitzen sie noch immer in Isolationshaft. Auch Angehörige des getöteten Anwalts wurden festgenommen, darunter sein Bruder Javad Alikordi.

Man muss sich das klarmachen: Diese Menschen hätten nicht kommen müssen. Sie hätten fernbleiben können. Sie hätten sich schützen, ihre Freiheit bewahren, das Risiko umgehen können. Niemand hätte es ihnen vorgeworfen. Aber sie entschieden sich anders: Sie entschieden sich, hinzugehen. Öffentlich und sichtbar zu sein. Trotz allem.

Die brutale Realität

Das ist keine Heldensaga, sondern eine nüchterne, brutale Realität. Hoffnung entsteht aus Haltung. Aus der Entscheidung, dem Terror des Regimes nicht auch noch den eigenen Mut zu überlassen. Diese Menschen zeigen, dass Freiheit nicht erst dort beginnt, wo man sicher ist, sondern dort, wo man sich weigert, zu kapitulieren.

Aus Prinzip Hoffnung zu haben bedeutet zu sehen, dass selbst ein gewaltvolles Regime, eines nicht kontrollieren kann: die Entscheidung von Menschen, sich nicht wegzuducken. Und manchmal reicht genau das, um die Zukunft offenzuhalten.

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Daniela Sepehri
Jahrgang 1998, lebt in Berlin. Freie Social Media Beraterin, Autorin und Journalistin mit den Schwerpunkten Iran, Migration, Antirassismus und Feminismus. Bachelorabschluss in Geschichte, Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin.
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