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Repression in IranVom Regime unterdrückt und von außen bedroht

Die iranische Zivilgesellschaft, die sich dem Mullahregime widersetzt, will nicht durch israelische Bomben „befreit“ werden.

Narges Mohammadi, iranische Menschenrechtsaktivistin, während ihres Krankenurlaubs im Gefängnis am 5. Februar 2025 in Teheran Foto: Elham Abbasloo/imago

Berlin taz | Als Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi ihr Zuhause in Teheran verlässt, schreibt sie auf X: „Diese Wohnung ist es gewohnt, verlassen zu werden – manchmal wegen des Gefängnisses, manchmal um auszuwandern, jetzt wegen des Krieges.“ Der Schmerz sei größer als je zuvor. Der Grund diesmal: Flucht vor Luftangriffen.

Mohammadi gehört zu den prominenten Stimmen der Zivilgesellschaft Irans, die sich gegen den Krieg stellen – gegen­ den völkerrechtswidrigen israelischen Angriff, gegen die eigene Regierung und gegen Gewalt als Mittel zur Befreiung. Sie berichten aus einem Land, das vom Regime unterdrückt wird und nun von außen bedroht ist.

„Teheran ist Heimat für zehn Millionen Menschen“, schreibt Mohammadi. „Es gibt hier Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Fabriken, Arbeiter*innen, Obdachlose, Frauen, die allein ihre Familie ernähren. Wie sollen wir sie alle auf den Schultern hinaustragen?“ Israels nächtliche Warnung an die Be­woh­ne­r*in­nen des Distrikts 18, das Gebiet zu evakuieren, sei zynisch, meinen viele. Mitten in der Nacht, bei eingeschränktem Internet, ohne Sirenen, ohne Bunker, ohne Schutz – wie sollen Millionen Menschen fliehen?

Auch der regimekritische Rapper Toomaj Salehi, der während der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung festgenommen und zum Tode verurteilt wurde, kritisiert das: „‚Evakuiert Teheran‘ ist nichts weiter als ein populistischer Slogan, mit dem man später behaupten will: ‚Wir hatten nicht die Absicht, iranische Zi­vi­lis­t*in­nen zu töten. Sie haben sich lediglich geweigert, das Kriegsgebiet zu verlassen.‘“ Die Menschen seien keine Kriegspartei, sondern Geiseln – und wer sie töte, solle wenigstens so ehrlich sein, das zuzugeben. Salehi wurde jetzt erneut festgenommen. Sein Schicksal ist ungewiss.

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in den Gefängnissen wächst die Angst

Der Krieg zwischen Israel und der Islamischen Republik trifft vor allem jene, die zwischen den Fronten stehen: die Zivilgesellschaft, die sich dem Mullahregime widersetzt, aber auch nicht von Bomben „befreit“ werden will. „Der endgültige Sieg der unabhängigen, zivilen ‚Frau, Leben, Freiheit‘-Bewegung wird niemals durch eine Invasion der israelischen Armee erreicht werden“, schreibt die junge Aktivistin Hasti Amiri. Die Fotografin und ehemalige politische Gefangene Alieh Motalebzadeh erinnert an die letzten Jahre: „Wir alle wurden in diesen Jahren auf dem Weg zu einem freien Iran oft verletzt und haben viel Leid erfahren.

Arbeitslosigkeit, Zensur, Verhaftung, Gefängnis, der Kummer, von unseren Lieben getrennt zu sein, von Gefährten, die blutend auf der Straße zu Boden fielen oder die erhängt wurden. Lassen wir nicht zu, dass die Extremisten Iran zerstören.“

In den Gefängnissen wächst die Angst. Das Sicherheitspersonal wurde ­aufgestockt. Am Freitag nach den israelischen Angriffen durften politische Gefangene des Qezel-Hesar-Gefängnisses nur ein einziges Mal telefonieren, danach waren die Leitungen tot. Erst am Montag gab es wieder ein Lebens­zeichen. Die Gefangenen berichten, dass die Trakte nachts abgeschlossen werden, ebenso wie die Gefängnistore von außen. Auch die Wärter sind dann eingesperrt. Wenn eine Bombe trifft, kommt niemand mehr raus.

Motahareh Goonei, eine Aktivistin der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung, wurde am Samstag festgenommen – keine zwei Stunden nachdem sie getwittert hatte, das Regime solle lieber Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung schaffen, statt die Menschen einzuschüchtern.

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