Repression in Belarus: Gewerkschaften verboten

Der oberste Gerichtshof hat die letzten unabhängigen Gewerkschaften verboten. Sie werden für die Protestbewegung mitverantwortlich gemacht.

Eine Frau schwingt eine belarussische Fahne

Proteste gegen das Lukaschenko Regiem im Herbst 2020 Foto: reuters

BERLIN taz/dpa | Der oberste Gerichtshof in Belarus hat die letzten fünf verbliebenen unabhängigen Gewerkschaften verboten. Das vermeldet die Generalstaatsanwaltschaft über ihren offiziellen Telegramkanal. Diese Entscheidung kommt nicht überraschend, nachdem im April einige belarusische Gewerkschafter festgenommen wurden. Unter anderem ist der Präsident des ersten unabhängigen Gewerkschaftsverbandes „Kongress der Demokratischen Gewerkschaften Belarus“ (BKDP) Alexander Yaroshuk in Haft. Einige andere konnten das Land noch verlassen, zum Beispiel nach Litauen.

Die unabhängigen Gewerkschaften zählen nach eigenen Angaben über 12.000 Mitglieder 2022, im Gewerkschaftsmonitor der der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) von 2019 werden 9.000 gezählt. Sie sind für eine demokratische Öffnung des Landes und äußern sich gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. 1990 wurden die ersten unabhängigen Arbeiterverbände als Gegenstück zum staatsnahen Gewerkschaftsbund (FPB) gegründet. Der FPB stammt noch aus der Sowjetzeit und zählte 2019 laut FES etwa vier Millionen Mitglieder.

Die von der Regierung kontrollierte Justizbehörde begründet das Verbot der unabhängigen Verbände mit angeblich extremistischen Aktivitäten einiger Gewerkschaftsführer und -mitglieder. Nach den Wahlen vom 9. August 2020 hatte sich Alexander Lukaschenko erneut zum Präsidenten erklärt mit einer angeblichen Zustimmung von 80 Prozent der Stimmen. Die Opposition warf ihm massive Wahlfälschung vor. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schätzte die Wahl in einem Bericht im November 2020 als gefälscht ein.

In der Folge protestierten Be­la­rus:­in­nen monatelang in mehreren Städten gegen das autokratische Regime Lukaschenkos. In der Hauptstadt Minsk kamen zeitweise 200.000 friedliche Demonstrierende zusammen. Sie zeigten sich in den Farben der weiß-rot-weißen Flagge des unabhängigen Belarus. Die Polizei schlug die Demonstrationen brutal nieder, einige Teilnehmende starben, Hunderte wurden verletzt und Tausende wurden inhaftiert.

Beteiligung an Protesten gegen Lukaschenko

Die unabhängigen Gewerkschaften hatten 2020 teilweise auch zu Protesten und Streiks in Staatsbetrieben aufgerufen, um die Macht Lukaschenkos zu schwächen. Nun gab die Justiz den Verbänden deswegen eine Mitschuld an der damaligen Eskalation der Proteste.

In der Mitteilung des Obersten Gerichtshof werden die nun verbotenen Gewerkschaften aufgelistet: Die Freie Gewerkschaft Belarus, die Freie Gewerkschaft der Metallarbeiter, die Belarusische Unabhängige Gewerkschaft der Bergleute, Chemiker, Ölraffinerie-, Energie-, Transportarbeiter, Bauarbeiter und anderer Arbeiter, die Belarusische Gewerkschaft der Arbeiter der Radioelektronikindustrie und der Gewerkschaftsverband Belarusischer Kongress der Demokratischen Gewerkschaften müssen ihre Arbeit beenden.

Weiter enthält die Nachricht den Vorwurf, die Gewerkschaften hätten „sich aktiv an destruktiven Aktivitäten und Massenveranstaltungen beteiligt, die gegen die öffentliche Ordnung verstießen und Informationsprodukte mit extremistischem Inhalt verbreiteten.“

Vorwurf: Annahme von Hilfe aus dem Ausland

Außerdem hätten sie für ihre staatsfeindlichen Handlungen Hilfe aus dem Ausland angenommen. Tatsächlich gab es Petitionen im Ausland, die festgenommenen Gewerkschaftern helfen sollten.

Das Verbot der Gewerkschaften folgt jetzt auf die Schließung von Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen in Belarus. Lukaschenko machte auch sie für die Massenproteste verantwortlich.

Die NGO Freedom House aus Washington, die jedes Jahr Freiheit und Demokratie in der Welt misst, stuft Belarus als „nicht frei“ ein.

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