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Repowering und alte WindkraftanlagenZu alt für die Energiewende

In Schleswig-Holstein müssen Be­trei­be­r*in­nen alte Windkrafträder abbauen. Sie wünschen sich angesichts der Energieknappheit eine Verlängerung.

Nicht alle dürfen stehenbleiben: Windräder in Schleswig-Holstein Foto: Christian Charisius/dpa

Rendsburg taz | Den Kran hat Tammy Wittmaack, Geschäftsführerin des Bürgerwindparks Eider, bereits bestellt. In wenigen Tagen wird das schwere Fahrzeug auf einer Fläche bei Hennstedt zwei Windräder abbauen. Die Mühlen sind funktionsfähig und könnten noch lange Strom – rund drei Megawatt pro Jahr – erzeugen.

Dass sie nun wegmüssen, liegt an einer Vorgabe des Landes: Viele ältere Räder stehen auf Wiesen, die nach heutiger Planung nicht mehr als Windkraftgebiet vorgesehen sind. Will ein Park eine neue Anlage errichten, muss er dafür zwei alte abbauen.

Der Gedanke hinter diesem „Repowering“ ist, dass moderne Anlagen mehr Leistung bringen, also unter dem Strich weniger Mühlen mehr Strom erzeugen. „Ich stelle das grundsätzlich nicht in Frage“, sagt Wittmaack, die im Ehrenamt Bürgermeisterin des Örtchens Wesselburener Deichhausen ist und sich seit Jahrzehnten mit Windenergie befasst. „Aber die Lage ist aktuell doch eine andere.“

Das sieht auch der Landesverband Windenergie so. „Ich kriege Anrufe unserer Mitglieder, die sagen, das kann doch nicht wahr sein – es wird über Mangellagen gesprochen und flüssiges Erdgas ins Land geholt, und wir müssen Windräder abschalten“, sagt Jana Lüth, Sprecherin des Verbandes. Aktuell habe sie sechs Anfragen von Mitgliedern auf dem Tisch, die alle in absehbarer Zeit alte Anlagen im Tausch für neue abschalten müssen. Um wie viele Rotoren es landesweit geht, kann das zuständige Innenministerium nicht sagen.

Weiterbetrieb lohnt sich

Manfred Lührs, der als Investor und Betreiber bei einer Reihe von Parks beteiligt ist, berichtet von einem Treffen mit den energiepolitischen Spre­che­r*in­nen der Landtagsfraktionen kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges: „Als ich das Thema ansprach, haben alle Anwesenden signalisiert, dass es unsinnig sei, in der jetzigen Lage Windräder abzuschalten.“

Doch als er sich mit Bitte um Laufzeitverlängerung an das Innenministerium wandte, „kamen immer gleichlautende Ablehnungen“. Dabei, betont Lührs, gehe es nicht darum, die Repowering-Regel wegfallen zu lassen: „Es geht nur um die Zeit bis die Energienotlage beendet ist.“

Der Sprecher des Innenministeriums Tim Radtke vermutet, warum sich die Wind­mül­le­r*in­nen dafür einsetzen, die seit Jahren laufenden Verträge zu ändern: „Durch die derzeit zu erzielenden Preise am Strommarkt rechnen sich die Altanlagen betriebswirtschaftlich wieder.“

Zwar wäre „aus energiepolitischer Sicht ein Weiterbetrieb der Anlagen für einen gewissen Zeitraum vielleicht wünschenswert“, so Radtke weiter. Aber Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und ihr Haus fürchten, dass „eine Abweichung vom Regionalplan zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen würde“.

Viele ältere Räder stehen auf Wiesen, die nach heutiger Planung nicht mehr als Windkraftgebiet vorgesehen sind

Mit Rechtsunsicherheiten bei der Windkraft hat die Regierung bereits schlechte Erfahrungen gemacht: Nach zahlreichen Klagen und einem Verfahren vor dem Verfassungsgericht musste das Land seine frühere Planung einstampfen, das Ergebnis war ein langer Stillstand beim Windkraft-Ausbau.

So schlägt sich auch das von Tobias Goldschmidt (Grüne) geführte Energiewendeministerium auf die Seite des Innenressorts: „Eine Abweichung kann das Land aus Gründen der Rechtssicherheit nicht ermöglichen“, sagt Sprecher Matthias Kissing. „Das Risiko, die gegenwärtige Regionalplanung zu gefährden, wäre zu groß.“

Der Windkraftausbau ist auf Bundesebene als Maßnahme im „überragenden öffentlichen Interesse“ eingestuft – daher wandte sich ein Windmüller aus Schleswig-Holstein an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

In einem Schreiben, das der taz vorliegt, drückt das Wirtschaftsministerium zwar Verständnis für die Anfrage aus und verspricht, das Thema in künftige Planungen aufzunehmen. Aber „kurzfristig haben wir leider nicht die Möglichkeit, auf kommunale Genehmigungsverfahren in der Zuständigkeit der Bundesländer einzuwirken“, heißt es in dem Schreiben.

Keine Pflicht zum Abbau

Immerhin gebe es keine Pflicht, alte Anlagen abzubauen, teilt das Kieler Energiewendeministerium mit. Be­trei­be­r*in­nen könnten sie weiterlaufen lassen – wenn sie keine neuen Räder errichten. Aber das Land arbeite an Lösungen, um „unbürokratisch so viel Windstrom wie möglich ans Netz zu bekommen oder am Netz zu lassen“, vespricht Kissing.

Der Opposition reicht das nicht. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiesituation ist es sinnvoll, ältere Windkraftanlagen zumindest über den Winter 2023/2024 am Stromnetz zu belassen“, sagt der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marc Timmer.

Windpark-Geschäftsführerin Tammy Wittmaack ist frustriert: „Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen verpflichten sich die Parteien, den Ausbau Erneuerbarer Energien (EE) zu forcieren. Wenn es bei Atomkraftwerken einen Streckbetrieb gibt, warum dann nicht bei Windrädern?“

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