Erneuerbare Energien: Windkraft im Aufwind

Der Ausbau der Onshore-Windenergie geht voran. Mecklenburg-Vorpommern entmachtet Landkreise, Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben große Pläne.

Windräder eines Windparks stehen in einem blühenden Rapsfeld in der Nähe von Wolgast im Landkreis Vorpommern-Greifswald.

Sollen schneller mehr werden: Windräder, hier im Landkreis Vorpommern-Greifswald Foto: dpa / Stefan Sauer

OSNABRÜCK taz | Kehrtwenden sind mitunter rasant. Noch vor wenigen Jahren, in Berlin regierte die CDU-dominierte Große Koalition des Kabinetts Merkel IV, stand der Windenergieausbau fast vor dem Aus: komplizierte Ausschreibungen, auslaufende Förderungen, langwierige Genehmigungsverfahren, Streit um Mindestabstände und Bauflächen. Die Zahl der Neubauten fiel auf einen Tiefstand.

Jetzt nimmt der Ausbau wieder Fahrt auf. Einer, der ihn anschiebt, ist Mecklenburg-Vorpommerns Klimaschutz- und Umweltminister Till Backhaus (SPD). „Derzeit dauern Genehmigungsverfahren einfach noch zu lange“, sagt er. „Das müssen wir ändern, wenn wir es mit der Energiewende ernst meinen.“ Ende 2021 hatte Mecklenburg-Vorpommern Anlagen mit zusammen rund 3,5 Gigawatt (GW) Leistung. Das ist ausbaufähig.

Um die Hinwendung zur Windkraft zu beschleunigen, hat Backhaus einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht; Ende Oktober hat das Schweriner Kabinett ihn gebilligt. Es geht um eine Entmachtung der Landkreise, in deren Zuständigkeit bei einem Bauantrag die natur- und artenschutzrechtliche Prüfung fällt. Diese Aufgabe soll den staatlichen Umweltämtern zugeschlagen werden, die dazu eigens personell aufgestockt werden. Das führe zu einer „stringenteren Abarbeitung“, hofft Backhaus, zu mehr Einheitlichkeit. Zieht das Parlament mit, könnte die neue Regelung ab Januar 2023 greifen.

Schleswig-Holstein erteilt die Genehmigungen bereits seit Jahren auf Landesebene. Zuständig für die Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz ist das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume.

Die neue Landesregierung aus CDU und Grünen habe sich „zum Ziel gesetzt, weite Flächen für die Nutzung der Windenergie zur Verfügung zu stellen“, sagt Tim Radtke, Sprecher des Ministeriums für Inneres und Kommunales, der taz. „Perspektivisch sollten 15 GW installierte Leistung bis 2030 erreicht werden.“ Bis dahin muss noch viel geschehen. Ende 2021 kam Schleswig-Holstein auf rund 7 GW. Zwei Prozent der Landesfläche sind bisher für die Windenergienutzung bereitgestellt, davon ist viel schon aufgebraucht.

Das Tempo zieht bundesweit an

Wie schleppend der Ausbau bundesweit derzeit vorangeht, zeigt der im Oktober 2022 erschienene 2. Bericht des Bund-Länder-Kooperationsausschusses, der den Ausbau der erneuerbaren Energien überwacht, die Flächen, Planungen und Genehmigungen für die Nutzung der Onshore-Windenergie bilanziert. Das Ergebnis ist alarmierend: Mit nur etwa 1,7 GW zusätzlicher Leistung sei 2021 zwar doppelt so viel hinzugebaut worden wie beim zuletzt schwächsten Jahr 2019, dennoch sei „das Niveau sehr niedrig und etwa so hoch wie vor zehn Jahren“.

Aber immerhin gibt es seit dem Sommer 2022 das „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergie an Land“. Es ordnet jedem Bundesland Flächenbeitragswerte zu. Das Tempo zieht also bundesweit an.

Für Niedersachsen sind hier 1,7 Prozent der Landesfläche bis Ende 2027 gefordert, 2,2 Prozent bis Ende 2032. Das will die neue rot-grüne Landesregierung notfalls sogar noch toppen. „Wir werden so schnell wie möglich 2,2 Prozent der Landesfläche als Windenergiegebiete rechtsverbindlich ausweisen“, sagt Christian Meyer (Grüne), der designierte Umweltminister, der taz. Reiche das nicht, um das Ausbauziel des niedersächsischen Klimaschutzgesetzes zu erreichen, das mindestens 30 Gigawatt installierter Leistung bis Ende 2035 vorsieht, werde man das Flächenziel „noch in dieser Legislaturperiode auf 2,5 Prozent anheben“.

Meyers Ziel ist es, pro Jahr mindestens 1,5 GW Onshore-Leistung zu den Ende 2021 rund 11,7 GW hinzuzufügen. Auch das ist sportlich. Zum Vergleich: 2021 kamen nur rund 420 Megawatt (MW) Leistung hinzu, in den Jahren davor waren es teils nur 180.

„Wind-Offensive“ in Niedersachsen

Meyer ist zuversichtlich, dass der Zuwachs funktioniert. Niedersachsen sei „Windland Nummer eins“, sagt er, eine „Wind-Offensive“ solle das ausbauen. Genehmigungsverfahren müssten „vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert“ werden.

In Niedersachsen werden Genehmigungen für Windenergieanlagen durch die Kommunen erteilt, durch Städte und Gemeinden. Trotzdem ist hier, sagt Meyer, „jetzt der Turbo drin“. Hat der Windkraftausbau künftig hier Vorrang, müssen auch Bundeswehr und Denkmalschutz zurückstecken, bisher oft eine Bremse für die Errichtung neuer Rotoren.

Auch in den kommenden Jahren wird der Bund-Länder-Kooperationsausschuss der Bundesregierung Bericht erstatten. Eine Zahl steht dann besonders im Fokus: die Dauer vom Antrag auf Errichtung einer Windkraftanlage bis zur Genehmigung. Im Moment vergehen im Durchschnitt mehr als zwei Jahre.

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