Renovierung des „Big Ben“ in London: Dingdong, die Glock ist tot
Die berühmte Kirchenglocke „Big Ben“ in London soll vier Jahre schweigen, weil ein Fahrstuhl eingebaut wird. Die Briten sind empört.
Die ganze Welt, außer dem bedauernswerten Teil ohne BBC-Empfang, kennt den majestätisch tiefen Glockenton, der vom Turm des Westminster-Palastes, dem Sitz des britischen Parlamentes in London, die Stunde schlägt. Warum die Hauptglocke hinter der Uhr „Big Ben“ heißt, ist unklar. Unkundige nennen den ganzen Turm so. Jetzt werden Turm, Glocke und Ton zum Politikum: Ab dem 21. August soll die Glocke für vier Jahre schweigen.
Turm und Uhr werden umfassend restauriert – und es wird ein Fahrstuhl zum Evakuieren turmbesteigender Touristen eingebaut, damit sie nicht beim Läuten in Ohnmacht fallen. Das ist zwar noch nie passiert, aber in Brexit-Zeiten sind Touristen möglicherweise empfindlicher.
Als die 16 Tonnen schwere Glocke im Jahr 1856 in der späteren Brexit-Hochburg Stockton-on-Tees gegossen wurde, sah die Welt noch anders aus. Großbritannien hatte gerade Russland auf der Krim besiegt. In London wurde das versehentlich niedergebrannte Parlament neu gebaut, mit Turm. Big Ben schlägt stündlich seit Juli 1859. Ein Riss in der Glocke trägt zum unnachahmlichen Ton bei.
Zu den Einzigartigkeiten von Big Ben gehört, dass die dazugehörige Uhr immer auf die Sekunde genau pünktlich ist und dass das Läuten vom BBC World Service seit der Gründung 1932 übertragen wird – per Liveschaltung natürlich, nicht etwa als schnöde Tonaufnahme. Sie schweigt nur in Notzeiten: für zwei Jahre im Ersten Weltkrieg zum Beispiel, und zuletzt beim Staatsbegräbnis für Margaret Thatcher 2013.
Dass es jetzt vier Jahre lang mit Big Ben vorbei sein soll, um die Handwerker während der Bauarbeiten zu schonen, sorgt für Empörung. Welcher Idiot hat das denn beschlossen, ist der einhellige Tenor der Kritik am „Big Ben Bong Ban“. Wenigstens außerhalb der Arbeitszeiten muss die Glocke doch läuten, fordern Kritiker, darunter Premierministerin Theresa May. „Das kann nicht richtig sein“, sagte sie.
Oder doch? Großbritannien geht gerade für mehrere Jahre sowieso in Generalüberholung. Wenn alles läuft wie geplant, könnte Big Ben pünktlich zum Ende der zu erwartenden Übergangszeit nach dem Brexit wieder erklingen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag