Religionspolizei in Großbritannien: Beschützer der Schaufensterpuppen
Auch in London waren schon islamische Religionswächter aktiv. Die Salafisten von „Sharia Project“ pöbelten zeitweise Passanten an.
LONDON taz | Der Auftritt der Wuppertaler „Sharia Police“ ist nicht der erste Versuch von Salafisten, mit einer Art Religionspolizei im der europäischen Öffentlichkeit aufzutreten. Schon vor zwei Jahren machte in London eine Gruppe mit dem Namen „Scharia Projekt“ auf sich aufmerksam. Sie trat vor allem rund um die größte Moschee Großbritanniens, der Whitechapel Moschee im Osten der britischen Hauptstadt auf.
Auf einem Anfang 2013 bei YouTube verbreiteten Video ist zu sehen, wie die selbsternannten Moralwächter nahe der Whitechapel-Moschee alkoholische Getränke konfiszierten, Frauen dazu aufriefen, sich zu bedecken und ein händchenhaltendes Pärchen dazu zwangen, getrennt voneinander zu gehen.
Vermeintliche Schwule, Prostituierte und generell Nicht-Muslime wurden angepöbelt, sie sollten sich aus der Umgebung der Moschee entfernen. „Dies ist eine muslimische Gegend, Alkohol ist hier nicht erlaubt“, hieß es beispielsweise.
In einem weiteren YouTub-Video ist dokumentiert, wie das Schaufenster eines H&M-Geschäfts besprüht wurde, damit die Schaufensterpuppe nicht mehr erkennbar waren.
Freiheitsstrafen für Religionswächter
„Scharia-Patrouillen“ gab es bald auch in anderen Gegenden der britischen Hauptstadt. Die Behörden griffen schnell ein. Insgesamt fünf Mitglieder der Gruppe wurden zu Freiheitsstrafen von bis zu 12 Monaten verurteilt.
Bei einigen stellte sich heraus, dass sie erst kürzlich konvertiert waren. In Verbindung standen sie mit mit dem Londoner Salafisten Anjem Choudary, der seit Jahrzehnten immer wieder versucht, für ein Kalifat in Großbritannien zu werben.
Als Reaktion auf die Muslim-Patrouillen machten in London Rechtsradikale mobil. Eine Gruppe Namens „Britain First“ verteilte Flugblätter mit christlichen Parolen und beschimpfte Muslime als Pädophile.
Die islamische Gemeinschaft distanzierte sich nahezu einstimmig von den Videos und den Muslim-Patrouillen, darunter auch in Freitagsansprachen in der Whitechapel-Moschee. Scheich Ibrahim Mogra vom Muslim Council of Britain sagte, dass die Patrouillen sich auf falsche Interpretationen des Islams beriefen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen