Relegation Fußball-Bundesliga: Das Goliath-Problem
Nach dem Sieg des VfL Wolfsburg gegen Holstein Kiel in der Relegation kocht eine erneute Relegationsdebatte hoch. Und Jörg Schmadtke wird neuer Wölfe-Geschäftsführer.
Allzu gerne hätte das Holsteinteam das Märchen zu Ende geschrieben, das in der laufenden Saison seinen Anfang genommen hatte. Nur das letzte Kapitel, das fehlte eben.
Natürlich war die Atmosphäre in diesem kleinen Stadion wunderbar. Und bestimmt hätten bundesweit viele gejubelt, wenn es mit Kiel ein David gegen den Goliath bis in die erste Liga geschafft hätte. Aber vor 12.000 Zuschauern war offensichtlich geworden, wie groß der Leistungsunterschied zwischen einem etablierten Erstligaverein und einem euphorisierten Zweitliga-Aufsteiger ist. „Man spürt das auf dem Platz“, sagte Wolfsburgs Kapitän Maximilian Arnold, als er gefragt wurde, wie unterschiedlich das individuelle Leistungsvermögen ist.
Die Kieler waren unter der Regie von Trainer Markus Anfang zwar angerannt und hatten ganz nett kombiniert, aber im Duell Mann gegen Mann konnten sie sich selten bis gar nicht durchsetzen. „Ich finde es schade, dass wir uns nicht belohnt haben. Aber der Bundesligist wird sich in solchen Duellen immer durchsetzen“, erklärte der Kieler Chefcoach, der als neuer Trainer in Köln nun den FC in die Erstklassigkeit zurückführen soll.
Seit 2009 gibt es die Relegation wieder. Achtmal konnte sich dabei der Erstligist durchsetzen – nur zweimal der Zweitligist. Robin Knoche war auf Wolfsburger Seite für das Tor des Abends in der 75. Minute zuständig. Spätestens mit seinem Kopfballtreffer war klar, dass der 3:1-Erfolg des VfL aus dem Hinspiel nicht mehr aufgeholt werden konnte. Was das Publikum in Kiel aufregte und zu höhnischem „Und ihr wollt 1. Liga sein“-Gesang brachte, war auf Wolfsburger Seite zu erledigende Pflicht.
„Momentan sehe ich das alles relativ nüchtern“, gestand Bruno Labbadia. Er war als dritter Wolfsburger Trainer innerhalb von nur einer Saison als Retter engagiert worden. Der vermeintliche Spezialist für den Klassenerhalt möchte aber beim VfL bleiben, am Neuaufbau mitwirken. Am Dienstag wurde zunächst einmal die Neubesetzung des Geschäftsführerpostens bekannt: Jörg Schmadtke, der bis Ende vergangenen Jahres in Diensten des 1. FC Köln stand, soll den Neuaufbau bei den Wölfen einleiten.
Mit dem Abpfiff des zweiten Relegationsspiels am Pfingstmontag und dem Ende der Saison 2017/18 sind in Kiel wenig bis keine neuen Freundschaften geschlossen worden. Unter den Cheftrainern Anfang und Labbadia war ein handfester Streit darüber ausgebrochen, wie leidenschaftlich am Spielfeldrand diskutiert werden darf.
Insgesamt erschienen dieser Abend und dieses ungleiche Duell wie eine Farce. Wenn es auf Wolfsburger Seite notwendig war, stellten die wuchtigen Profis wie Innenverteidiger John Anthony Brooks ihre mächtigen Körper in den Weg. Dass sich der VfL alle Zeit der Welt ließ, nach Zweikämpfen viele Behandlungspausen in Anspruch nahm und sich zahlreiche taktische Fouls leistete, mag fies ausgesehen haben. Aber der Favorit bediente sich legitimer Mittel. Wolfsburg wollte keinen Schönheitspreis gewinnen, das Team funktionierte im Vernunftmodus.
„Die Erleichterung über den Klassenerhalt ist riesengroß. Aber es fühlt sich nicht so an, als wenn man den DFB-Pokal gewinnt“, sagte Wolfsburgs Kapitän Arnold frei von jeder Lust auf Party. Sein Team startet Ende August also in seine 22. Bundesligasaison in Serie. Ob das gerecht, gut oder am Ende von ganz oben gewollt ist, dürfte in Kiel noch lange diskutiert werden.
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