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Relaunch von „Brigitte“Creme dich ein – für Empowerment

Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ erscheint im neuen Look. Der Verlag kündigt Empowerment an, verliert sich aber in einer girlboss-Mentalität.

Wollen jetzt Frauen in den Vordergrund rücken: Die Brigitte Foto: Brigitte/Gruner + Jahr

Ich verfüge über kein Zeitschriftenabonnement – die Lektüre diverser Magazine wird durch meine häufigen Meet-and-Greets mit unterschiedlichen Ärz­t*in­nen sichergestellt. Meine Favoriten sind dabei Frauenzeitschriften. Allerdings war „Brigitte“ dabei eher meine dritte Wahl – zu spießig, zu langweilig, zu, na ja, Brigitte. Nomen ist halt Omen. Mit dieser Ansicht war ich wohl nicht allein, denn die Zeitschrift wurde neu aufgestellt.

In der dazugehörigen Pressemitteilung von Gruner + Jahr kommen mehrmals die Worte „frisch“ und „modern“ vor. Doch neben einem neuen Look gibt es wohl auch ein neues Profil. Wortwörtlich steht in der Mitteilung: „Brigitte stellt dabei die Unterstützung und das Empowerment von Frauen in den Mittelpunkt. Sie ermuntert sie, ihren eigenen Weg zu gehen, um ein selbstbestimmtes und entspanntes Leben zu führen, ausgerichtet an ihren individuellen Bedürfnissen.“ Darauf haben wir gewartet: Eine feministische „Brigitte“, die uns endlich erlaubt die Zwänge des Patriachats abzulegen und ein wirklich unabhängiges Leben zu führen!

Doch die Lektüre macht deutlich: Hier ist Gruner + Jahr auf den „Empowerment“-Zug aufgesprungen. Bevor man überhaupt zum tatsächlichen Inhalt der Zeitschrift kommt, muss die geehrte Le­se­r*in erstmal Seiten über Seiten Werbung überwinden. Die obszöne Menge an Anzeigen macht jeder illegalen Streamingplattform echte Konkurrenz – nur werden dir keine MILF in deiner Nähe feilgeboten, sondern eben Make Up von Armani.

Der Blick in das Inhaltsverzeichnis verrät zunächst nicht, dass wir es mit einer neuen „Brigitte“ zu tun haben. Es gibt immer noch die Rubriken „Fashion“, „Beauty“, „Reisen“, „Wohnen“ und „Kochen“ – so weit, so Frauenzeitschrift. Im Chaos der modernen Welt scheint das das einzig Stabile zu sein. Doch vielleicht sind die redaktionellen Artikel revolutionär?

In der Pressemitteilung wurde bereits angekündigt, dass die neue „Brigitte“ Frauen mehr in den Vordergrund rücken will. Da stellt sich die Frage, warum das vorher nicht war. Wie dem auch sei, jedenfalls kamen neue Rubriken und Kolumnen dazu. So gibt es die neue Porträtreihe „Macherinnen“. In dieser Ausgabe stellen sie Raquel Peixoto vor, die mit Probiotika Korallen schützen will.

Ein neues Design macht keine Neustrukturierung

Bei diesen Porträts zeigen sich die Stärken der „Brigitte“-Redaktion. Es gelingt ihnen spannende Frauen zu ungewöhnlicheren Themen zu finden und über sie zu schreiben. In der Reportage wird Lani Malmberg vorgestellt, die mit Ziegen in Colorado Waldbrände verhindern will. Auch das Interview mit Dr. Lisa Malich zu ihrer Kampagne #neueoffenheit oder der Artikel über den Quereinstieg in Berufen sind lesenswert. Die Artikel bleiben an der Oberfläche und viele Fragen oder Perspektiven werden nicht beleuchtet. Aber die Themen und die Prot­ago­nis­t*in­nen sind so interessant, dass dann doch etwas hängen bleibt. Ich will mich dann austauschen und mehr wissen.

Also doch eine neue Brigitte? Leider nicht, denn selbst an den guten Stellen merkt man: Dahinter ist nichts, und das Magazin kommt nicht aus sich selbst heraus. Einige Seiten vor dem Interview mit der Psychologin Malich zum Thema Offenheit erzählen Frauen ohne Kontextualisierung oder besonderer Tiefe von teils traumatischen Erlebnissen wie Flucht oder häusliche Gewalt. Das ist Voyeurismus im Namen der angeblichen Enttabuisierung.

Wenn im Porträt Peixoto als „Typ Juliette Binoche“ beschrieben wird, ist das mindestens unnötig. Und wenn nach dem Text zum späten beruflichen Quereinstieg eine Anzeige mit Sylvie Meis über Hyaluronfiller für perfekte Konturen folgt, zeigt das deutlich: Empowerment ist nur ein Verkaufsargument. Statt „Creme dich ein, damit du einen Mann abbekommst“, „Creme dich ein für mehr Selbstbewusstsein. Yas, queen!“

Es ist die neoliberale #girlboss-Mentalität, die konträr zum wirklichen Empowerment ist, da sie perfekt in ein kapitalistisches Patriarchat hineinpasst und das System nicht hinterfragt.

So bleibt von der neuen „Brigitte“ nicht viel übrig, ein bisschen neues Design macht noch lange keine Neustrukturierung. Damit bleibt die Zeitschrift auch weiterhin die dritte Wahl, wenn ich im Wartezimmer Platz nehme.

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3 Kommentare

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  • Frauen, seid ihr denn alle so drauf?



    Wann immer mir als Mann in Praxen, beim Frisör oder in Wartezimmern Untätigkeit droht, überkommt mich angesichts der von Frauen jeden Alters und jeder sozialen Schicht bevorzugten Zeitschriften das unbändige Bedürfnis zur Beantwortung der Frage, was Frauen denn eigentlich wollen, wer sie sind und was sie ausmacht.



    Wer nicht am Handy fummelt, blättert nicht nur in diesen unsäglich flachen Blättern, nein, man macht die Nachbarin noch aufmerksam auf die neusten Eye Liner und unnütze Dinge à la Bananen-Schälmaschine.



    „Ich les‘ das ja nicht, is nur so…“ beteuert selbst eine Architektin, andere zucken gleich mit den Achseln und können sich selbst nicht erklären, warum sie durch nichts als Werbung und jahrelang gleiche Promi-Fotos und Klatsch aus Königshäusern blättern und lesen, echt jetzt, lesen!



    Der EMMA und der TAZ scheint es wie den Fitness Studios zu gehen: man findet dort zumeist diejenigen, die es nicht nötig haben; diejenigen aber, die erreicht werden sollen, interessiert es nicht. Eines aber weiß ich:



    Im nächsten Leben verkaufe ich Kosmetik, Schnickschnack und Glücksbringer aller Art speziell für weibliche Wesen und werde reich ohne den Zwang, irgendwelche höheren Ansprüche zu erfüllen. Und wenn das nicht reicht, wende ich mich den Lesern von Men‘s Health oder irgendwas mit Autos oder Fußball zu…

  • Das Blatt tut gut daran, bei seinen Leisten zu bleiben. Das tut es. Hin und wieder etwas Kosmetik. Perfekt. Werbung ist die Pest. Auch in Netz. Keine Frage. Aber was tun bei sinkender Auflage?

  • Verstehe ich nicht so ganz.



    Warum kauft man denn solche Zeitschriften? Damit man im Bus, auf dem Klo oder sonstwo etwas Ablenkung hat. Man möchte da keine lebensverändernden, tierschürfenden Themen bearbeiten, sondern sich einfach ablenken und ggf. etwas inspirieren lassen (Mode, Kochen, Reiseberichte).



    Ich finde, die Ansprüche im Artikel an die Zeitschrift sind für eine normale Frauenzeitschrift etwas hochgegriffen.

    Wenn ich Empowerment brauche, suche ich bewusst danach, ich hoffe dann nicht, dass es mir irgendwo in einem Medium zur reinen Unterhaltung entgegen kommt, oder?