Reizfigur Novak Đoković: Löcken und loppen
Novak Đoković hat das Zeug, bei den Australian Open Großes zu erreichen. Doch diskutiert werden vorrangig die brisanten Aussagen des Tennisprofis.
Extra für Novak Đoković, könnte man denken, wurde folgende Redensart erfunden: Wider den Stachel löcken. Luther, der sich bekanntlich mit der Bibel abmühte und da etwa behauptete, ein Kamel ginge durchs Nadelöhr (eigentlich: ein Tau passt nicht durchs Nadelöhr), schrieb einst: Wider den Stachel lecken. Wie dem auch sei, die Redensart bezieht sich auf ein geknechtetes Rind im Joch, das sich gegen den Herrn auflehnt, mutwillig hüpft und springt. So ein Hüpfer und Springer ist auch Novak Đoković. Für den 37-jährigen Serben ist der Zeitgeist kein Leitstern, dem überall bedingungslos zu folgen sei, für ihn ist die landläufige Folgsamkeit eher ein Graus.
Kurz vor dem Beginn des ersten Grand-Slam-Turniers des Jahres, der Australian Open in Melbourne, ist der ungezähmte Widerspenstige wieder in aller Munde, das ist für den beargwöhnten Nonkonformisten die leichteste Übung. Dabei hat er in Melbourne wieder Großes vor. Der elfte Titel Down Under soll her, der 25. Grand-Slam-Sieg insgesamt und damit der alleinige Rekord für Männlein und Weiblein in diesem Sport.
Sein Trainer ist mittlerweile der ehemalige englische Weltklassespieler Andy Murray. Und der sieht den Erfolg seines Schützlings vor allem in dessen Arbeitsethos begründet: „Höchstleistung entsteht nicht durch Lachen, Witze und Herumalbern. Von den besten Spielern der Welt habe ich das nie gesehen“, sagte Murray: „Ich habe es nur von niedriger platzierten Spielern gesehen.“
Gift im Essen?
Murray kennt aber auch die andere Seite seines Schützlings: „Ich weiß, dass es da draußen nicht einfach ist – es ist stressig und manchmal wird er sich gegenüber seinem Team und seiner Box Luft machen wollen“, sagte Murray vor Đokovićs Auftaktmatch am Montagvormittag: „Solange er sein Bestes gibt und sich anstrengt, ist es für mich absolut in Ordnung, wenn er sich so äußert, wie er möchte.“
Novak Đoković und sein letzter Doppelpartner Nick Kyrgios hatten nach den jüngsten Fällen um Jannik Sinner und Iga Swiatek den Umgang mit Dopingsperren im Tennissport scharf kritisiert. Der Olympiasieger stellte gar „die Funktionsweise des Systems infrage“, Kyrgios sah „die Integrität des Tennissports gefährdet“. Der Australier bezog sich damit vor allem auf den Fall Sinner. Er denke, „dass es in unserem Sport schrecklich gehandhabt wurde“, sagte Kyrgios. Jeder wisse es, aber niemand wolle darüber sprechen.
Sinner fiel mit einem positiven Dopingtest auf ein Steroid (Clostebol) auf, konnte sich aber zunächst herausreden; eine „unwissentliche transdermalen Kontamination“ habe zu dem Messergebnis geführt. Im Blut der Polin Iga Świątek war nach einem Test im August 2024 die verbotene Substanz Trimetazidin nachgewiesen worden. Aber die sogenannte International Tennis Integrity Agency schätzte den Vorfall nach einer Anhörung der Weltranglistenzweiten als minder schwer ein; ursächlich war angeblich ein verunreinigtes Medikament.
Aber damit nicht genug: In einem Interview mit der Zeitschrift GQ äußerte Đoković den Verdacht, bei seinem Aufenthalt 2022 in Melbourne vergiftet worden zu sein. Er war damals als ungeimpfter Athlet Persona non grataund nach strengem Pandemiereglement nicht startberechtigt. Er wurde nach seiner Einreise kurz in einem Hotel interniert, musste später das Land verlassen.
Er sei mit Blei und Quecksilber in seiner Nahrung „vergiftet“ worden, so der Serbe. „Ich hatte einige gesundheitliche Probleme. Ich habe gemerkt, dass ich in dem Hotel in Melbourne Essen erhalten habe, das mich vergiftet hat. Ich habe das nie öffentlich gesagt, aber als ich nach Serbien zurückkam, wurde entdeckt, dass ich einen sehr hohen Gehalt an Schwermetallen im Blut hatte.“ Das ist eine typische Đoković-Volte, nur wäre es hierbei von Vorteil, wenn er Belege zur Hand hätte. (mit dpa)
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