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Reisewarnung für SpanienMallorca war gestern

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Spaniens Wirtschaft leidet unter der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Das Ausbleiben der Touristen ist Resultat einer vorschnellen Öffnung.

Ausbaden: Der Strand von Arenal auf Mallorca am Samstag Foto: dpa

D ie Reisewarnung des deutschen Auswärtigen Amts ist ein schwerer Schlag für die Wirtschaft Spa­niens. Seit dem Wochenende bleiben die Pauschaltouristen aus. Die großen Reiseveranstalter fliegen nur noch die Kanarischen Inseln an. Costa Brava, Costa Blanca, Mallorca … alles aus dem Programm gestrichen. 12 Prozent des Bruttoinlandprodukts und 2,5 Mil­lio­nen Arbeitsplätze stellt der Tourismus. Dieses Jahr ist das Geschäft mit Strand und Sonne wohl vorbei. Die Ausländer kommen nicht mehr. Und viele Spanier meiden die Strände. Es ist einfach sicherer.

Die Coronakrise zeigt, was viele seit Jahren anprangern, aber meist ungehört bleibt. Der Massentourismus spült Geld in die Kassen der Großunternehmen. Zur wirklichen Entwicklung trägt er nicht bei. Er zerstört die Landschaft und schafft nur prekäre Arbeitsplätze, und das für wenige Monate.

Jetzt trifft es auch die, die mit all dem nichts zu tun haben. Es gibt in Spanien auch einen anderen Tourismus, nämlichen den in den Bergen und ländlichen Gebieten. Diese Reiseziele sind dieses Jahr gefragter denn je. Denn dort ist das Covid-19-Risiko bis heute sehr überschaubar. Doch die Zahlen des spanischen Gesundheitsministerium, die der Reisewarnung zugrunde liegen, werden Provinz für Provinz erstellt. Dabei ist es egal, ob in den Ballungsgebieten die Neuinfektionen in die Höhe schießen und auf dem Land niedrig bleiben.

Was jetzt passiert, ist das Ergebnis einer überstürzten Öffnung Ende Juni nach mehr als drei Monaten Lockdown, um vor allem denen, die vom Massentourismus leben, einen Teil des Sommergeschäfts zu sichern. Diskotheken, Nachtleben, alles inklusive – auch wenn das dann zumindest auf Mallorca Schritt für Schritt wieder zurückgenommen werden musste. Zudem fehlt es an Personal, um Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen. Aus isolierten lokalen Infektionsherden wurden so schnell flächendeckende Ansteckungsgebiete.

„Brot für heute, Hunger für morgen“, heißt ein spanisches Sprichwort, das sich jetzt bestätigt.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text war ursprünglich mit einem Foto des Strandes von Arenal aus dem Jahr 2018 bebildert. Um Missverständissen vorzubeugen haben wir das Foto gegen eine Aufnahme vom vergangenen Wochenende mit gleicher Perspektiv ausgetaucht. Der Strand war da etwas leerer als vor zwei Jahren.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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6 Kommentare

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  • Wir hatten heute Morgen Teambesprechung, alle nochmal ganz brav auf die Firmenrichtlinien hingewiesen und bei 2 Personen wusste ich, das sie zusammen diesen Monat noch nach Spanien wollen.

    Da bekam ich als Antwort, was sie jetzt machen, ist ja nicht so schlimm, fliegen wir eben nach Griechenland.

    Das wird die Urlaubsströme nur umleiten.

  • Ich war vor einem Monat für eine Woche in Malaga. Tatsächlich habe ich mich dort sehr viel sicherer gefühlt als in Berlin. Menschenansammlungen, noch dazu von Leuten, die keine Maske tragen, gibt es dort nicht. Zum einen sind die Spanier selbst viel disziplinierter als die Deutschen, zum anderen fackelt die Polizei dort nicht lange. Die jetzigen Ausbrüche sind auch keineswegs dem Torismus geschuldet (eventuell mit der Ausnahme der Balearen), sondern eher privaten Treffen junger Menschen (das Durchschnittsalter der jetzt Infizierten ist 34) und Familientreffen. An denen nimmt der durchschnittliche Tourist eher selten teil.

  • Das Infektionsrisiko ist sehr gering. Die Spanier sind sehr diszipliniert und auch die Touristen sind bis auf wenige Ausnahmen sehr diszipliniert. Der Flughafen ist leer und auch in den Cafes werden die Regeln eingehalten. Wer jedoch viel testet, bekommt auch viele Infizierte. Wo sie sich angesteckt haben, ist unklar. Laut Statistik ist der Urlaub in Deutschland noch am gefährlichsten. Die Reisewarnung ist nicht nachvollziehbar. Wie viele der Mallorca-Urlauber hatten schwere Verläufe? Das wäre ja auch mal interessant.

  • Wie passend geschrieben.

    Am 28.07.2020 hat der UNWTO-Generalsekretär Pololikashvili, zusammen mit Tourismusministerin Maroto, sowie dem Sohn des örtlichen größten Hotelunternehmers Abel Matutes noch erklärt: " Ibiza ist einer der sichersten Orten der Welt".

    Ein wunderbares Beispiel für eine weitere Episode aus; "mañana otra dia" - was interessiert mein Geschwätz von gestern.



    Auf dieser Insel gibt es dutzende Beispiele von Verschwendung, Missmanagement und Korruption. Bisher war es einfach so, "what happens on Ibiza stays on Ibiza".

    Wenn also für Millionen ein Überlauftank am Hafen für Starkregen gebaut wird, natürlich mit 95% Förderung der EU, dieser dann mit reichlich Verspätung fertig wird, man plötzlich feststellt, dass die Pumpen die dort verbaut wurden, Strom brauchen.

    Jetzt hat man dann tatsächlich 10 Monate später dort Strom aber die Abwässer laufen, genauso wie früher, ungeklärt in den Hafen. Es hat sich am Ende nichts geändert aber es wurde was gebaut und Scheine weiter geschoben.

    Hier könnte ich noch dutzende Beispiele bringen. Diese gingen aber meist dann nur durch die Lokale Presse, der gemeine Tourist kann eh kein Spanisch lesen, also egal.

    Nun aber kann man diese Situation, Covid-19, nicht mehr so einfach unter den Teppich kehren.

    Es wurden regeln wie Maskenpflicht, Abstand, keine Parties, usw usw erlassen.



    Theoretisch unter Androhung von drakonische Strafen für Missachtung.

    Nur wurde am Ende nichts davon kontrolliert. "Wir sind doch auf Ibiza unter uns"



    Die Party musste einfach weiter gehen hier, weil man nichts anderes hat bzw nicht gewillt ist, sich nach anderen Optionen um zu sehen.

    Lokales Gemüse / Früchte ein echter Trend zum Beispiel, der gemeine Bauer pflügt lieber 1x im Jahr seine Felder um, kassiert Subventionen und lässt es trotzdem brach liegen.

    Am Ende hat man sich sein eigenes Grab geschaufelt.



    Und ich muß leider fest stellen, zurecht !

    Dies kann dieser an sich wunderschönen Insel nur Gut tun.

  • Also warum ist dann der größte Corona-Hotspot in Spanien die Provinz Aragon? Dort gibt es keinen Massentourismus, nur den vom Autor gepriesenen anderen Tourismus in den Bergen und Dörfern. Strand und Pauschaltourismus gibt es dort nicht.

  • Hauptsache man pflegt seine Vorurteile und Stereotype. Was dem Märchen vom bösen Tourismus widerspricht ist die reale Ausbreitung von Corona in Spanien. So fand der erste Wiederanstieg der Infektionen in den wenig touristischen Regionen im Nordosten statt. Und selbst in Katalonien waren die ersten neuen Hotspots der Ausbreitung im Hinterland, nicht in den Touristenzentren Barcelona und Costa Brava.