Reisen mit den Sinnen (4): Churros und Stinkefisch!

Gibt es etwas Schöneres als sich mit vollem Mund ein neues Stück der Welt einzuverleiben, etwa mit Stutenmilch in Kirgisien?

Churros im Schaufenster

Churreria in Pueblo, Mexiko Foto: imago-images/Schöning

Wir Reisende sind alle Sammler. Aber wir tragen weder Bierdeckel noch Ferraris zusammen, sondern Erinnerungen an Bilder, Töne, Düfte. Und an Geschmäcker. Für besonders ausgefallene Exemplare gehen wir zwar nicht über Leichen. Aber weite Umwege, dunkle Winkel und Magenverstimmungen nehmen wir doch in Kauf. Getriebene sind wir – aber wir bitten um Nachsicht: Sich mit vollem Mund ein neues Stück der Welt einzuverleiben – gibt es etwas Schöneres?

Wir müssen sie schmecken, die Fremde, immer und immer wieder. Was wäre Spanien nach einer durchfeierten Fiesta-Nacht ohne Churros, diese frisch in Fett gebackenen und mit Puderzucker bestäubten Teigkringel? Norwegen ohne geräucherten Lachs mit Dill? Undenkbar. Schottland ohne Haggis, jene ominöse körnige Masse aus Lammfleisch, Innereien und vermutlich einem alten Schottenrock – nichts als gepflegter Rasen mit altem Gemäuer.

Für alles Neue gilt eine einfache Regel: Mindestens einmal, besser doppelt probieren.

Kumys etwa, die vergorene Stutenmilch der Kirgisen, rinnt beim ersten Schluck befremdlich metallisch den Gaumen hinunter – mit jedem weiteren erfrischt sie immer mehr.

Hákarl dagegen, Würfel von fermentiertem Hai, die die Isländer kauen, angeblich in kulinarischer Absicht, in Wirklichkeit, um zu zeigen, was für furchtlose Kerle sie sind – Hàkarl schmeckt immer und immer wieder penetrant nach Pisse.

Das unscheinbare Injera wiederum, den äthiopischen Sauerteigfladen, der wie ein graubrauner Schwamm über das Tablett herunterlappt, möchte man nach ein paar Mahlzeiten nicht mehr missen. Überhaupt isst man sich schnell ein in die Alltagsnahrung der gewöhnlichen Menschen – es sollen sich Leute sogar schon an Porridge gewöhnt haben.

Dem Fremden Essen anzubieten, geschah einst in der Absicht, ihn willkommen zu heißen. Deshalb ist Essen für den Reisenden untrennbar mit seinen Gastgebern verbunden. So viele Menüs in Sternehäusern – und doch speichert das Gedächtnis weit davor hartnäckig den Wacholdergeschmack von ein bisschen dürrem Fleisch an winzigen Knöchelchen. Er ist für immer verbunden mit dem verwitterten Gesicht des alten portugiesischen Bauern, der uns sein Bestes aus der Küche holte – ausgerechnet Singvögel. Und nun freudestrahlend auf unsere Reaktion wartete.

PS: Den japanischen Fugu-Fisch (Sie wissen schon: wirkt tödlich, wenn nicht richtig zugeschnitten) und schwedischen Surströmming (Sie wissen auch: aufgewölbte Dosen mit Hering, der lange unter der Erde vor sich hin gemodert hat) habe ich mir aufgespart. Den ein oder anderen Härtetest muss man noch vor sich haben.

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