Reisen mit dem Schiff: All inclusive
Der Kreuzfahrt-Boom scheint ungebrochen. Was zieht Menschen auf die schwimmenden Hotels? Und wie beruhigen sie ihr Öko-Gewissen?
Allein im letzten Jahr wurden 1,8 Millionen Deutsche auf Kreuzfahrten gezählt. Marktführer Aida Cruises ist mit elf Schiffen dabei, zwei weitere wurden gerade bestellt. Die jüngeren fassen dabei mehr als 3.000 Passagiere. In Großbritannien beschrieb die Sun diesen Trend mit den Worten: „Die deutsche Flotte wächst wieder so schnell wie in den 40ern.“
Was fasziniert so viele Deutsche an Kreuzfahrten? Wie reist es sich an Bord? Als Kabarettist bin ich vierzehn Mal Zeuge dieser Art zu Reisen geworden. Dabei musste ich einmal pro Woche ein Gastspiel geben und durfte ansonsten auf einem Deckchair liegen. So habe ich die günstigen Aidas ebenso kennengelernt wie die luxuriöse „MS Europa“ und die britische „Queen Elizabeth 2“.
Gleich bei meiner ersten Reise in die Karibik machte ich einen großen Fehler: einen organisierten Landausflug. Es ist schon schwer, mit einem Kreuzfahrtschiff einen Ort zu erkunden, denn in der Regel macht es am morgen am Nordkap fest, vor Venedig oder in St. Petersburg und legt schon am Abend wieder ab.
Meist bleiben nur sechs bis acht Stunden für das Kennenlernen fremder Länder. Dann sitzen wieder alle im Bordrestaurant und erzählen von ihren Erlebnissen.
Vor dem Landgang auf die karibische Insel Guadeloupe buchte ich eine Tour mit dem Mountainbike. Fahrradfahren ist doch irgendwie immer gut, dachte ich mir. Gerd, der Guide, kannte einen Berg in der Nähe, der Biker fordern würde und so strampelte ich mit einem Cube Reaction GTC Race durch die 32 Grad heißen Gassen von Pointe-à-Pitre. Einheimische schauten uns aus den Bars irritiert hinterher. Hunde sprangen auf den Weg.
Wir rasten an allem vorbei, was ich mir gerne in Ruhe angeschaut hätte, schon nach wenigen Metern schämte ich mich für diese ignorante Speedtour.
Dabei hätte ich die Insel auch mit einem Hubschrauber überfliegen oder mit einem Jetski die Bucht aufwühlen können. Die „MS Europa“ bot für den Tag in St. Petersburg sogar einen Ausflug mit dem Titel „Ein Tag in Moskau“ an.
Dieser beinhaltete einen Shuttle zum Flughafen, einen Flug ins über 700 Kilometer entfernte Moskau, eine Runde im Hubschrauber über dem Roten Platz, Rückflug und rechtzeitiges Eintreffen für das Abendessen an Bord.
Warum viele Kreuzfahrer alt sind, liegt auf der Hand. Einer Dame, der mit über 80 einfällt, dass sie in ihrem Leben unbedingt noch die Pyramiden von Gizeh und New York sehen möchte, kann diese wie andere berühmte Ziele so immer noch sehr bequem und mit ärztlicher Betreuung erreichen. Wäre sie Dialysepatientin, würden einige Schiffe mit kompletten Dialysezentrum an Bord eine Reise erst möglich machen.
Für Gebrechliche sind Kreuzfahrten die einzige Möglichkeit, eine große Reise zu machen. Zwar gerieren sich inzwischen einige Schiffe als jung, doch selbst auf den Partyrouten im Mittelmeer liegt der Altersschnitt noch bei 45.
Jüngere Passagiere sind meist in Begleitung der Eltern an Bord. Auf den schwarz lackierten Schiffen der britischen Cunard Line wird noch immer Shuffleboard gespielt.
Das ist eine Sportart, bei der das Anschubsen der Disks mit einem Stab auf dem Boden des Decks in etwa so anstrengend ist, wie das Heben der Hand beim Bestellen eines Gin-Tonics.
Auf modernen Schiffen finden sich dagegen Basketballfelder, Pools mit Wasserrutschen, Kletterparks, Eislaufbahnen oder eine Driving Range zum Abschlagen von Golfbällen. Nur einen Billardtisch habe ich auf keinem Schiff gesehen.
Was die Umweltbilanz betrifft, ist es wie bei jeder Form von Massentourismus. Natürlich wäre es ökologischer, wenn alle zu Hause blieben. Doch wenn 3.000 Menschen mit der Aida die Karibikinseln abklappern, ist dies sicher nachhaltiger, als wenn dieselben 3.000 Menschen individuell unterwegs wären.
Für Reiseveranstalter mögen Kreuzfahrtschiffe noch einen besonderen Anreiz haben. Wer große Hotels in Tunesien betreibt, muss jetzt, nachdem islamistische Terroristen 37 Touristen ermordeten, wirtschaftlich verkraften, dass die Reisenden ausbleiben. Ein Kreuzfahrtschiff kann in einer Welt der sich schnell abwechselnden Krisenherde einfach die Route ändern.
Das passiert teilweise noch während der Reise selbst. Als im letzten Sommer 2014 in der Hafenstadt Aschdod Teile einer vom Gazastreifen auf Israel abgefeuerten Rakete auf das Pooldeck der „Aida Diva“ fielen, ersetzte der Konzern dieses Ziel kurzerhand durch die griechische Insel Santorin. Falls es dort im Zuge der Schuldenkrise demnächst Aufstände geben sollte, ist die Türkei nicht weit weg.
Südlich von Italien trifft der mit einem Lächeln bemalte Bug der Aidas auf die Routen der Flüchtlinge aus Afrika und Syrien, die versuchen, Europa in Booten zu erreichen. Vom Promenadendeck des zyprischen Kreuzfahrtschiffes „Salamis Filoxenia“ sichteten Gäste bei einem Glas Wein einen mit 350 syrischen Flüchtlingen überfüllten Fischkutter. Die Besatzung nahm die Menschen an Bord.
Diese Schiffe durchkreuzen die Welt und der Trend zu Kreuzfahrten ist ungebrochen. TUI mischt mit vier Schiffen mit, das fünfte kommt 2016, alle heißen „Mein Schiff“. Bald werden pro Jahr mehr als zwei Millionen Deutsche eine Kreuzfahrt machen.
Dabei sind es auch die sinkenden Preise auf immer größeren Schiffen, die den Boom befeuern. Nur noch auf der „MS Europa“ treffen sich die Herren im Smoking, die Damen im langen Abendkleid, sobald in der Bordzeitung festliche Garderobe empfohlen wird.
Auf der „Aida“ sind die Hinweise weniger subtil. Da sah ich vor dem Restaurant ein Schild mit dem Symbol eines männlichen Leibes im Badeslip, darüber ein roter Balken und der Hinweis. „Bitte nicht mit Badekleidung ans Büffet.“
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