Sanftes Schippern: „Saubere Luft, sauberes Wasser“
Monika Griefahn, Umweltdirektorin bei Aida, über das Erfolgsrezept für die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie an Bord.
taz: Frau Griefahn, welche Kriterien muss ein Kreuzfahrtschiff erfüllen, um „nachhaltig“ zu sein?
Monika Griefahn: Wichtig für uns ist, dass Nachhaltigkeit nicht nur Umweltschutz bedeutet, sondern auch soziale und kulturelle Aspekte beinhaltet. Aber natürlich beinhaltet der Urlaub auch saubere Luft, sauberes Wasser, nachhaltige Landausflüge und vieles mehr. Das ist die Basis, damit wir auch künftig erfolgreich Kreuzfahrten anbieten können und deshalb setzen wir uns dafür ein.
Licht, Schwimmbäder, Klimaanlagen: Ihre Schiffe haben den Verbrauch einer Kleinstadt.
Alle unsere Schiffe seit 2007 haben Anschlüsse für Landstrom oder Hybrid-Bargen, die Strom aus Flüssigerdgas liefern. Das verringert die Emissionen von Kohlendioxid und anderen Luftschadstoffen erheblich.
60, ist seit 2012 Direktorin für Umwelt und Gesellschaft bei der Kreuzfahrtreederei Aida Cruises. Die Diplomsoziologin war 1980 Mitbegründerin von Greenpeace Deutschland und in den 90ern SPD-Umweltministerin in Niedersachsen.
Aber nicht vollständig.
Eine Reise mit unseren Schiffen ist äußerst umweltfreundlich. Der Treibstoffverbrauch liegt nur noch bei drei Litern auf 100 Kilometer pro Person. Und der Treibstoff wird immer sauberer. Mit Schweröl wird kaum noch gefahren und es ist in vielen Gebieten, auch auf Nord- und Ostsee, verboten. Dort fahren die Schiffe mit Marinediesel, der einen Schwefelgehalt von weniger als 0,1 Prozent hat. Außerdem rüsten wir die bestehende Flotte schrittweise mit mehrstufigen Abgasreinigungssystemen aus. Und unsere neuesten Schiffe …
… die Aida gerade bei der Meyer-Werft in Papenburg in Auftrag gegeben hat …
Genau. Die werden als erste weltweit komplett mit Flüssigerdgas betrieben, sodass Schadstoffemissionen fast vollständig vermieden werden. Der nächste Schritt wäre dann Power-to-Gas, also das Produzieren von Brenngas aus Sonnen- oder Windstrom. Wir treiben das gemeinsam mit Atmosfair voran, das dauert aber noch einige Jahre.
2011 verlieh der Naturschutzbund Aida den Umwelt-Dinosaurier, jetzt bewertet er ihre jüngsten Neubauten als umweltfreundlichste Kreuzfahrtschiffe Europas – woher dieser rasche Wandel der Unternehmensphilosophie?
Diese Philosophie gab es schon immer, nur haben wir darüber nie geredet, für uns war es selbstverständlich. Aber die Umsetzung technischer Projekte dauert eben, man kann einen Katalysator oder Filter nicht einfach von der Stange kaufen. Wir haben vieles schon gemacht, bevor es vorgeschrieben wurde.
Aus Eigenmotivation oder gesellschaftlichem Druck?
Das ist sicher eine Mischung. Wir haben vorwiegend deutsche Gäste und die Deutschen sind im Allgemeinen sehr umweltbewusst und erwarten hohe Umweltstandards. Dass woanders auf der Welt in Haushalten nicht wie bei uns recycelt wird, ist ja vielen von uns unverständlich. Für Aida ist Umweltschutz eine Frage der Verantwortung. Wir erfüllen nicht nur die Umweltstandards wie an Land, sondern übertreffen diese an Bord sogar in vielen Bereichen. Ein nachhaltiger und umweltschonender Urlaub ist für uns Grundvoraussetzung, um auch morgen noch Kreuzfahrten anbieten zu können. Saubere Luft, sauberes Wasser, genau das verbinden unsere Gäste ja auch mit dem Kreuzfahrterlebnis.
Also ein rein ökonomisches Interesse?
Auch, natürlich. Wir sind in Deutschland Marktführer für Kreuzfahrten und wollen das bleiben. Deshalb müssen wir unseren Kunden eine überzeugende Mischung aus Ökonomie, Ökologie, Sozialem und Kultur bieten. Das Gesamtkonzept muss überzeugen, und das tut es offenbar.
Sie waren Geschäftsführerin bei Greenpeace, SPD-Umweltministerin in Niedersachsen, jetzt sind sie in leitender Position in einem Wirtschaftsunternehmen tätig. In welcher Aufgabe war oder ist es am einfachsten, ökologische Fortschritte zu erreichen?
Man kann in jeder Position etwas erreichen, wenn man sich engagiert, ob bei Greenpeace oder in einer Landesregierung. In einem Wirtschaftsunternehmen kann man viele Dinge bewegen, wenn sie für das Unternehmen gut sind. Meine Vorschläge waren gut für Aida, deshalb konnte und kann ich hier viel initiieren. Aber auch hier muss ich, ebenso wie früher bei Greenpeace und in der Politik, überzeugen und Mehrheiten finden. Aber das geht bei Aida sehr gut, weil hier viele engagierte und vorausschauende Menschen arbeiten, die genau sehen, was für unsere Kunden und unser Unternehmen gut, sinnvoll und auch finanzierbar ist.
Ökonomie durch Ökologie?
Ja, wir wollen das, wir machen das und sind damit erfolgreich.
Die Branche boomt. Wie ist Ihre Prognose?
Kreuzfahrten machen in Deutschland gerade mal etwa zwei Prozent am Tourismus aus, da ist also noch Luft nach oben. Unsere Schiffe sind sichere Orte, auch das ist ein Aspekt, und sie sind selbst zur Destination geworden, weil man an Bord so viel machen kann. Auch deshalb hat Aida das Durchschnittsalter der Passagiere von 65 auf 45 Jahre gesenkt. Unsere Schiffe sind keine schwimmenden Seniorenheime, sie sprechen viele junge Familien mit Kindern an. Unsere Schiffe sind sehr lebendig.
Der Trend setzt sich also fort? Immer größere Schiffe, immer mehr Passagiere, immer neue Terminals?
Nur zum Teil, denn ältere und kleinere Schiffe werden durch modernere und wahrscheinlich größere, effizientere und umweltfreundliche ersetzt werden. Deshalb wird es weiterhin Wachstum geben, aber nicht unbegrenzt. Die Kurve wird flacher werden.
Wie sieht Kreuzfahrt-Tourismus in 20 Jahren aus?
Ich denke, es wird nur noch hochmoderne und umweltfreundliche Schiffe geben. An Bord werden hohe ökologischen Standards erfüllt, ob bei der Ernährung, beim Abfallrecycling, bei Landausflügen. Und es werden Urlaube für alle Generationen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben