piwik no script img

Reisen in Zeiten von InstagramUnd ewig grüßt der böse Tourist

Mal wieder wird das alte Fass vom bösen Reisebusiness aufgemacht: Jetzt steht Instagram am Pranger – und diese jungen Leute haben Schuld.

Ohne Touristen – keine Geld für Gondolieri Foto: dpa

Was ist genauso alt wie der Tourismus? Richtig – die Klage über die Touristen. Neuester Dreh in dieser reichlich abgestanden Jeremiade ist die sogenannte Instagramability. Das soziale Netzwerk, auf dem Fotos geteilt werden, ruiniere ganze, bislang von den wilden Horden unbefleckte Orte, heißt es in einem von zahlreichen Redaktionen übernommen dpa-Feature zum Thema. „Es hat sich ein neuer, junger Massentourismus entwickelt. Junge Leute reisen, um Fotos für die sozialen Medien zu machen. Nur um zu zeigen: Ich war hier“, analysiert dort messerscharf die italienische Fotografin und Reise-Bloggerin Sara Melotti.

Nun ja, die jungen Leute eben – wirklich unverschämt. Während die guten, kariert-behemdeten Reisegruppen in der Glocke ihrer Ausdünstungen Bergkuppen sanft besteigen, kommen die fiesen Rein-raus-Touristen einmarschiert und nehmen anschließend nicht mal den Müll mit runter. Die überfallenen Destinationen stehen dem Phänomen machtlos gegenüber, soweit sie eben nicht einfach ihre Preise erhöhen, ihre Internetauftritte abschalten oder – was bei Städten wie Venedig ja durchaus möglich wäre – einfach den Zugang beschränken.

Tun sie aber nicht oder eben nur höchst selten. Die Mehrheit der Venezianer zum Beispiel ist – legt man ihr politisches Wahlverhalten zugrunde – völlig damit einverstanden, dass sich ihre Stadt in ein Disneyland verwandelt hat, über das von Land wie Meer die Massen abgekippt werden. Ihre ehemaligen Wohnungen haben sie in Ferienbehausungen umgestaltet und verdienen so genug, um sich auf dem Festland hässliche Häuser bauen zu können und in den ­Ferien noch idyllische Landschaften heimzusuchen, noch: Bis eben die Einwohner auch dort auf den Trichter gekommen sind, dass sich in der weltweit drittgrößten Dienstleistungsindustrie gutes Geld verdienen lässt.

Im Grunde aber können alle Beteiligten sich wieder beruhigen: Der moderne Tourismus, ob im Selfie oder der Ansichtskarte abgebildet, hängt an Vollbeschäftigung und Sozialstaat. Wenn es keinen Urlaubsanspruch und keine Renten mehr gibt, sind wir nicht nur die Instagramer, sondern auch die Reisegruppen in ihren Khaki-Westen los. Dann wird Ruhe einkehren – und die Venezianer werden sich in ihren dank Klimawandel halb im Hochwasser versunkenen Palazzi an die schönen Zeiten erinnern, als sie noch wohlhabend waren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Sehr schön :)

  • Lieber Herr Waibl, wir werden uns alle zu Tode konsumieren. Weiten Sie Ihren Blick! Das alles sind Symptome dafür, dass sich unser unstillbares Konsumverhalten immer mehr gegen uns alle richtet. Wenn sich Touristen am Trevi Brunnen in Rom um den Besten Platz für ein Selfie prügeln und auf Mallorca nackte Besoffene auf der Strasse in Kotze und Sangrialachen liegen, wenn die Klimaziele nicht erreicht werden können, weil alle nur stumpf weiter ihrem Egoismus frönen, dann ist also die Welt für Sie in Ordnung - vorausgesetzt die Kasse stimmt -



    Mit solch einem Beitrag beruhigt man bestenfalls das schlechte Gewissen von einigen, denen eigentlich schon klar ist, dass es so nicht weitergehen kann.

  • Hier wird ein weltweites Problem massiv heruntergespielt. Die Venezianer sind keineswegs mehr damit einverstanden, das ihre Stadt von Touristenmassen überschwemmt wird. Das Übersetzen mit den Fähren ist stark begrenzt worden und wird reguliert, damit auch die Einwohner Venedigs ihre Stadt noch nutzen können.



    Welcher Berliner kann noch spontan ein Museum besuchen, ohne extrem lange Wartezeiten?