Reisen in Corona-Zeiten: Hin und weg im Sommer
Reisen ist 2020 komplizierter: Wohin darf man überhaupt fahren, und unter welchen Bedingungen bekommt man sein Geld zurück?
Was bedeutet die Aufhebung der Reisewarnung für Europa?
Eine Reisewarnung ist kein Verbot, ihre Aufhebung ab dem 15. Juni ist keine Reiseempfehlung. Die Hinweise der Bundesregierung sollen helfen, Risiken einzuschätzen, und sind auch bei Streitfällen hilfreich. Eine Reisewarnung gilt als außergewöhnlicher Umstand, der die kostenlose Stornierung gebuchter Pauschalreisen erlaubt. Viele Veranstalter haben deshalb von sich aus Reisen bis Mitte Juni abgesagt. Denn die allermeisten Kunden hätten ohnehin die Verträge gekündigt. Ab dem 15. Juni könnten mit Ende der Reisewarnung wieder hohe Stornokosten drohen – bis zur Zahlung des vollen Reisepreises.
In welche europäischen Länder kann man einreisen?
In die 24 Partnerländer Deutschlands der Europäischen Union, in das gerade aus der EU ausgetretene Großbritannien sowie die vier Staaten des Schengenraums, die nicht EU-Mitglieder sind – Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein –, darf man wieder einreisen. In Spanien und Norwegen erfolgt die Aufhebung der Reisewarnung später, weil dort noch Einreisesperren gelten – in Spanien voraussichtlich bis zum 21. Juni, in Norwegen sogar noch bis zum 20. August.
Nach Mallorca und Ibiza dürfen über 10.000 deutsche Urlauber im Rahmen eines touristischen Pilotprojekts schon ab dem 15. Juni. Für Schweden wiederum bleibt die Reisewarnung für Touristen bis auf Weiteres bestehen, denn das skandinavische EU-Land erfüllt derzeit die „Pandemiekriterien“ für eine Aufhebung nicht, weil dort die bundesdeutsche Obergrenze von insgesamt 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb einer Woche überschritten wird.
Wohin sind noch keine Reisen möglich?
Wer einen Urlaub in Antalya oder Hurghada plant, hat schlechte Karten. Denn die Reisewarnung für mehr als 160 Länder außerhalb der EU bleibt bis zum 31. August bestehen. Darunter befinden sich so populäre Reiseziele wie Ägypten, Thailand oder die Türkei, das drittbeliebteste Urlaubsland der Deutschen. Die türkische Regierung dringt allerdings auf Aufhebung der Reisewarnung. Denn es dürfen Ausnahmen für einzelne Länder gemacht werden, sollte sich die Coronapandemie dort rückläufig entwickeln.
Welche Vorteile hat ein Urlaub in Deutschland?
Schon vor Corona gab es in Deutschland jedes Jahr neue Besucherrekorde. An Ost- und Nordsee und in den Bergen könnte dieses Jahr in den Ferien noch mehr Betrieb herrschen. Beschränkungen sind gelockert, Hotels und Gaststätten wieder geöffnet, allerdings unter Auflagen. Wer im Land bleibt, muss im Fall einer zweiten Pandemiewelle keine Ein- und Ausreiseprobleme befürchten.
Was bieten die Reiseveranstalter an?
Marktführer TUI will nun erste Flüge nach Portugal sowie Mallorca starten. Ab Juli sollen per Sonderflugplan wieder Spanien, Griechenland, Portugal und Zypern angesteuert werden. Wer bis zum 30. Juni einen Urlaub bucht, kann kostenlos bis 14 Tage vor Abreise stornieren oder umbuchen.
Viele Reisebüros und Reiseportale wie DER Touristik, FTI und Alltours locken nach dreimonatigem Umsatzausfall mit Sonderkonditionen. Alle großen Anbieter haben Ferienziele im Programm, die mit Auto, Reisebus oder Bahn erreichbar sind. Jedoch herrscht nicht nur an Bord Maskenpflicht, auch in den Hotelanlagen gibt es viele Beschränkungen.
Wie sicher ist das Fliegen unter Coronabedingungen?
An Bord gilt Maskenpflicht. Zudem sollen Hepa-Filter, die auch in OP-Räumen eingesetzt werden, für den stetigen Austausch der Kabinenluft sorgen. Allerdings ist bisher kaum wissenschaftlich untersucht, ob das für einen vollständigen Virenschutz ausreicht – zumal wenn der Flieger voll belegt ist und keine Sitzplätze für einen zusätzlichen Sicherheitsabstand freigehalten werden. Viele Airlines, unter anderem die Lufthansa, haben das Serviceangebot radikal reduziert und den Umständen angepasst. So werden Getränke im Becher durch Flaschen ersetzt.
Und wenn beim Urlaub im Ausland eine zweite Coronawelle kommt?
Generell gilt: Wer beim Veranstalter bucht, ist durch das Pauschalreiserecht besser abgesichert als bei Einzelbuchungen von Flug oder Hotel. „Wenn der Veranstalter eine Reise durchführt, trägt er das Risiko für während der Reise auftretende Mängel“, betont Robert Bartel, Rechtsreferent der Verbraucherzentrale Brandenburg. Macht eine zweite Welle wieder behördliche Anordnungen nötig und die Fortführung der Reise unmöglich, müsse der Gast zurückbefördert werden, so Bartel. Zudem könne dieser die anteilige Erstattung des Reisepreises verlangen.
Was tun, wenn Veranstalter das Geld für seit März wegen Corona ausgefallene Reisen nicht zurückzahlen?
Wenn der Veranstalter Reisen absagt, muss der Kunde sein gesamtes Geld zurückerhalten – binnen 14 Tagen. Dazu sollte man störrische Anbieter schriftlich auffordern, bei den Verbraucherzentralen gibt es Musterschreiben. Viele Unternehmen versuchen, einem Gutscheine oder „Urlaubsguthaben“ aufzudrängen, das muss nach deutschem Recht niemand akzeptieren.
Wieso dann überhaupt Gutscheine?
Wer dem Reiseveranstalter helfen will, kann den Gutschein akzeptieren. Die Bundesregierung ist mit dem Versuch, Zwangsgutscheine auch bei Pauschalreisen durchzusetzen, in Brüssel gescheitert. Die freiwillige Lösung sieht vor, dass für Pauschalreisen, die vor dem 8. März gebucht wurden, ein staatlich abgesicherter Gutschein angeboten werden kann, der Ende 2021 seine Gültigkeit verliert. Ist er bis dahin nicht eingelöst, muss der volle Reisepreis binnen 14 Tagen erstattet werden. Geht der Anbieter bis dahin pleite, springt der Staat ein.
Was sollte vor der Reiseplanung noch beachtet werden?
Verbraucher*innen sollten sich in jedem Fall vorab über die jeweilige Lage informieren – etwa mit Hilfe der täglich aktualisierten länderspezifischen Reisehinweise des Auswärtigen Amts im Internet. Denn Airlines bieten auch Tickets für Länder an, in die Passagiere aus Deutschland noch nicht einreisen dürfen. Dann kann es passieren, dass den Reisenden am Flughafen die Beförderung verweigert wird – und der Frust ist groß.
Wer es doch irgendwie nach Übersee schafft, dem sollte das Risiko bewusst sein. Reise- und Quarantänevorschriften könnten sich ohne Vorankündigung und mit sofortiger Wirkung ändern. Und die Bundesregierung betont, dass es keine erneute „Rückholaktion“ mehr geben wird, nachdem ab Ende März bereits fast eine Viertelmillion im Ausland festsitzende Deutsche mit Flugzeugen nach Hause gebracht wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen