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Reisen im SenegalDie Glückliche Stadt

Eine Stadt ohne Polizei und ohne Steuern: In Touba im Westen des Senegal lebt man von Almosen und der Gutgläubigkeit.

Die große Moschee von Touba. Bild: imago/epd

Stell dir vor, es gibt eine Stadt ohne Polizei, ohne Strafzettel und keiner zahlt Steuern. Eine Stadt, in der Recycling und Umweltschutz ganz groß geschrieben werden. Das ist keine anarchistische Utopie, Touba gibt es wirklich, 180 Kilometer östlich von Dakar. Meine Reise dorthin beginnt in der Hauptstadt des Senegal. Dakar ist laut, dreckig, hektisch, aber berühmt für seine Musik, seine Mode und die Kunst. Die schrottreifen Taxis schaffen es jeden Tag, die 3 Millionen Einwohner und ihre Gäste durch den Stau zu fahren. Dakar ist für Touristen das Tor nach Afrika, aber nur wenige zieht es nach Touba.

„Was, du willst nach Touba?“ Meine deutsche Wirtin lebt seit zehn Jahren in Dakar, in Touba war sie noch nie. Sie reißt die Augen auf und schreit mich fast an: “Was willst du denn da? Da leben doch diese Muriden, diese Sufi-Sekte. Da geht es nicht nur um Religion, die haben überall ihre Finger drin, ohne die geht gar nix im Senegal.“ Sie unterbricht sich, sieht mich zweifelnd an.

Am nächsten Morgen treffe ich Ibrahim. Er fährt mich mit seinem Jeep, der aus dem letzten Jahrhundert stammt, über die schöne neue Autobahn gen Osten. Was weiß er über die Muriden? Ibrahim wird ernst. „Das sind die Leute von Amadou Bamba. Der hat vor über 100 Jahren die Sufi-Gemeinschaft gegründet. Heute ist jeder dritte Senegalese bei den Muriden. Sie sind überall. Der letzte Präsident war Muride, und jeder neue Präsident schaut vor seinem Amtsantritt in Touba vorbei.

Die bauen ja nicht nur Moscheen und islamische Schulen, sie mischen in Wirtschaft und Handel mit, beherrschen Import und Export. Wo die sonst noch ihre Finger drin haben, weiß keiner. Wenn du in Rom oder Paris von einem Schwarzen eine Ledertasche kaufst, dann ist er wahrscheinlich Muride. Die hängen auch im Ausland zusammen, sind gut organisiert. Ihre Anhänger geben ihren religiöse Lehrern alles. Sie arbeiten umsonst, und sind auch sonst total abhängig.“

Religion als Vitamin B

Auf dem Weg nach Touba wohne ich in der zweitgrößten Stadt, in Thiès, im Hotel Rex. Ich treffe eine Radgruppe aus Deutschland, die eine Tour durch den inneren Senegal macht. Da gibt es auch im Winter Temperaturen über 30 Grad. Alle sind optimistisch. Nach Touba will keiner, sondern lieber in die Naturschutzgebiete im Süden. Da soll es noch Elefanten und Giraffen in freier Wildbahn geben. Die älteste Teilnehmerin ist 71. Höchstens halb so alt ist die deutsche Reiseleiterin.

Sie trägt eine kleine Plastiktasche mit einem Foto von Amadou Bamba, dem Religionsstifter. Ob sie ein Fan von Amadou Bamba sei, frage ich scherzhaft. „Ich war beim großen Magal in Touba dabei“, erklärt sie mir strahlend, „das ist das größte Pilgerfest im Senegal, jedes Jahr, immer vier Wochen nach dem islamischen Neujahrfest. Drei Millionen Pilger waren da, aus dem Senegal, Afrika und der ganzen Welt. Das haut dich um.“

Sie strahlt mich an. Bhagwan fällt mir ein, Hare Krischna oder katholische Nonnen. Ob auch Frauen bei den Muriden Mitglieder werden können, war meine Frage. „Ja, natürlich! Die Frauen beten getrennt von den Männern, aber haben einen festen Platz in der Gemeinschaft!“

Überall das Bild von Amadou Bamba

Auf der Straße nach Touba grüßt das Bild von Amadou Bamba von jeder zweiten Wand. „Merci Bamba“, lautet der Gruß. Es gibt Touba-Tankstellen von Touba-Oil und Touba-Gas, es fahren Touba-Taxis, es gibt Touba-Friseure und Touba-Kolonialwarenläden. Und dann kommt der große Augenblick: Von Mbacke, einer kleinen Stadt in der senegalesischen Ebene, fährt man durch ein Tor und schon aus der Ferne sieht man die gigantische Moschee.

Touba, die Glückliche, der blühende Baum im Garten des Paradieses", so sehen es die Anhänger von Amadou Bamba. Touba, die Stadt ohne Polizei, ohne Steuern. Hier endet die senegalesische Staatsgewalt am Stadttor. Die Moschee wurde in den 60er Jahren von einer nordkoreanischen Gesellschaft errichtet, später von französischen Architekten weitergebaut und ist heute die größte Schwarzafrikas.

An der Stadtgrenze bekommen wir einen Führer, obwohl die Straße zur Moschee nicht zu übersehen ist. Mein Fahrer zuckt die Achseln: „Jeder braucht hier einen Führer.“ Mein neuer Führer nickt. Nach drei Minuten erreichen wir den Parkplatz der Moschee. Mit Mühe können wir verhindern, dass ein weiterer Führer unseren Führer zur Moschee führt. An der Moschee bekommen wir dann einen Moscheeführer. Auch Ungläubige wie ich dürfen die Moschee besichtigen. „Fühlst du das?“, fragt mich mein Moscheeführer. „Nee“, sag ich, „ich fühle nix“! „Der Marmor ist ganz kühl!“, erklärt mir triumphierend mein Führer, „normalerweise würdest du dir deine Füße verbrennen bei dieser Hitze. Aber das ist der teuerste Marmor aus Italien.“

Almosen und Gelder für Marmor

Ich bin beeindruckt und denke an den Vatikan. An den hohen Türmen stehen Baugerüste. Auch im Inneren wird gebaut. Überall wird gearbeitet, obwohl die Moschee schon fertig erscheint. „Das sind die besten Bauarbeiter des Senegals. Sie arbeiten alle umsonst für unseren Kalifen. (Gemeint ist der jetzige Religionsführer, ein Enkel von Amadou Bamba; d. Red.). Die alten Kacheln stammen aus Marokko. Wir schlagen sie ab und ersetzen sie durch den besten Marmor. Morgen kommen 300 Frauen und machen alles sauber. Umsonst. Das ist ihre Spende.“

Beeindruckend sind die vielen Gebetsräume für Hunderte von Gläubigen. Beeindruckend die hochwertigen Materialien, die filigranen Kachelarbeiten, die Glaskeramikfenster, die ein besonderes Licht in das Innere bringen. Touba ist binnen weniger Jahrzehnte ein Prunkstück in der sunnitischen Welt des Islam geworden, und die Moschee zeugt auch von der enormen Finanzkraft der Muriden.

Nach zehn Minuten bin ich wieder am Parkplatz. Der Parkwächter hätte gern ein Bakschisch. Da wir der einzige touristische Pkw sind, kommen zufällig auch seine zehn Kollegen vorbei. Auch ihre Frauen sind da, und die haben gleich alle ihre Kinder mitgebracht. Die etwa 50 Personen schauen mich erwartungsvoll an. „Ich habe schon in der Moschee gespendet“, wende ich zaghaft ein. Der Parkwächter ist begeistert, auch seine Kollegen, eigentlich alle. Sie würden alles auch gern spenden, aber leider hätten sie kein Geld, ob ich da nicht helfen könnte.

Ich komme mir vor wie bei einem Banküberfall, wobei ich irrtümlicherweise für die Bank gehalten werde. Aber: Überall werden Almosen gegeben, an Busbahnhöfen, vor Restaurants und Geschäften. Sammeln für die Gemeinde zum Wohle aller, so erweist man sich als guter Mensch bei den Muriden. Wie soll Amadou Bamba seinen Jüngern vor über 80 Jahren verkündet haben: „Arbeite hart wie der Esel. Er trägt die Last der Hirse, ohne sie zu essen.“

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10 Kommentare

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  • Es ist mir ein Rätsel, wie die Taz diesen Artikel veröffentlichen kann. Abgesehen von der bereits erwähnten Oberflächlichkeit und den Klischees ist er erbärmlich recherchiert und strotzt von sachlichen Fehlern. Bamba, ist kein "Religionsstifter"; das Foto in der Druckausgabe zeigt nicht ihn, sondern seinen Sohn Falilou; die Moschee von Tuba ist nicht mehr die größte Afrikas, und sie als "Prunkstück des sunnitischen Islams" zu bezeichnen, ist zumindest erklärungsbedürftig; etc. etc. Statt mit der deutschen Hotelwirtin oder der Radlergruppe hätte der Autor einfach mal mit ein paar Muriden reden sollen (außer den Führern und Bettlern vor der Moschee). Im Übrigen gibt es in Tomba sehr wohl Sicherheitskräfte--aber eben keine der Regierung unterstehende Polizei, sondern eigene Leute, die alles andere als zimperlich sind, wenn sie die Regeln durchsetzen, wie etwa das totale Rauch- und Alkoholverbot. Steuern werden aus Touba ebenfalls abgeführt. Um die Rolle zu verstehen, die Religion im Leben der Muriden und vieler anderer Afrikanerinnen spielt, genügt es gewiss nicht, auf deren vermeintliche Naivität zu verweisen. Ganz schwach.

  • Titel und Beginn des Artikels wecken falsche Erwartungen. In der Religionsgeschichte gibt es immer wieder Gemeinschaften, die tatsächlich erstaunlich egalitär organisiert sind (ich meine nicht die Sekten, bei denen der Oberguru "gleicher" alsdie anderen ist). Mich hätten deshalb konkrete Details interessiert (mehr ist von einer kurzen Reportage nicht zu erwarten), in denen sich diese "anarchistische Utopie" manifestiert. Aber nichts dergleichen, stattdessen eine Sammlung eigener und fremder Vorurteile.

  • Das ist mit abstand der oberflächliste Artikel über Afrika, den ich je in der Taz gelesen habe. Ein bischen Recherche über die Baye Fall, einer großen sozialen und religiösen Bewegung der Muriden , hätte dem Artikel gut getan. Hier ist die Chance verpasst worden den Islam mal von einer sehr positiven und toleranten Seite darzustellen.

    Der Artikel stotzt vor religöser Voreingenommenheit . Bhagwan, Hare Krischna. Gleich die Schublade parat. Und diese Empörtheit über die Touriabzocke. Die gibt es überall auf der Welt. Die Leute da, wollen auch nur über die Runden kommen und ihre Familien ernähren. Mit der nötigen Portion Humor, Lockerheit und Respekt, kann man viel Spaß mit den Leuten haben.

    • @Andreas J:

      Ich finde den Artikel auch ein wenig oberflächlich. Aber aus einem anderen Grund. Nämlich dem, daß mir der Autor viel zu wenig vor der Gefährlichkeit religiöser Netzwerke warnt. Welchem oder welchen Propheten oder angeblich heiligen Büchern sie auch immer wie die blökenden Schafe hinterherlatschen.

      • @TFG:

        Das ist eine rein westliche Sichtweise. So gut wie jeder Mensch in Afrika ist religiös. Wenn man das nicht vorurteilsfrei akzeptieren kann, wird man nie einen Zugang zu diesen Menschen haben, sie nie verstehen und und schätzen lernen Die Baye Fall sind alles andere als ein gefährliches, religöses Netzwerk. Es geht um Solidarität und Respekt. Ich selbst bin überhauptnicht religös und die Sufis in westafrika sind für mich keine blöckenden Schafe. Die tun niemanden was und sind offen und tolerant. Das selbe solten sie auch von uns erwarten können. Respekt!

        • @Andreas J:

          "So gut wie jeder Mensch in Afrika ist religiös"....oh nein. Wieder so eine Pauschalisierung, die wirklich nicht zutrifft und nicht weiterhilft.

           

          "Die tun niemandem was und sind offen und tolerant." Joooo, Verklärung und Romantisierung - das ist so Vieler täglich Mantra heutzutage hierzulande wie ich beobachte. Klischees und Vorurteile werden so gefestigt, schon mal dran gedacht?

    • @Andreas J:

      "Hier ist die Chance verpasst worden den Islam mal von einer sehr positiven und toleranten Seite darzustellen."

      Warum sollte der Autor das tun?

       

      Oberflächlich find ich den Kommentar nicht, eher heiter erhellend. Schreiben Sie doch einfach einen tiefgehenderen! Oder fragen Sie doch einfach mal SenegalesInnen, die keine Muriden sind - wie es der Autor im Artikel getan hat.

       

      Ich jedenfalls hab in mich hereingeschmunzelt und musste an all meine (meist ehemaligen) Freundinnen und Freunde, Mitstudentinnen und -studenten denken, die aus Liebe zu ihrem (meist mittlerweile ehemaligen) LebenspartnerInnen und Baye Fall zum Islam übergetreten sind, weil sie ja gedacht haben, alles so locker, lustig und lieb...Religion wechseln wie das Hemd, und deswegen niemals hinter die Kulissen schauten. So manch einer hatte ein böses Erwachen und verlor Hab und Gut mitsamt seinem Idealismus, aber wenigstens auch die dazugehörigen Scheuklappen.

      • @Florence:

        Im Gegensatz zu dir, war ich schon da. Und alle deine Freundinnen und Freunde, Mitstudentinnen und -studenten haben alle scheiß Erfahrungen mit Baye Fall gemacht. Sehr glaubwürdig! Komm mal klar.

        • @Andreas J:

          Kennen Sie mich, dass Sie hier rumduzen, spekulieren und mir meine Erfahrung absprechen? Das ist äußerst übergriffig, damit brauch ich nicht "klar zu kommen".

          • @Florence:

            Wer über andere mit Schaum vor dem Mund und herablasseden Sakassmus herfällt und sich lächerlich über sie macht, wird als Europäer sicherlich keine guten Erfahrungen mit Afrikanern machen. Meine Meinung des vom sufismus beeinflußtem Islam beruht auf eigener Erfahrung und hat rein garnichts mit Verkärung oder Romantisierung zu tun. Der von Mali ausgehende sufismus ist geprägt durch Solidarität und Toleranz. Die findet man vorallem bei den Armen. Das Problem sind die Lebensumstände. Wenn man einen lehren Magen hat oder die Familie krank ist, wird die eigene Moral auf einen schweren Prüfstein gelegt. Das ganze gekrönt von der Gewissheit, das es wohl niemals anders sein wird.

            Geht man offen, freundlich und Respektvoll auf die Leute zu, lehrnt man bei vielen ihre Freunlichkeit, Ihre Menschlichkeit und ihrem Humor schätzen. Das sind jedenfalls meine Erfahrungen. Arschlöcher gibt es da auch, wie überall auf der Welt. Und gerade die prägen Ihr Urteil. Ist einer Scheiße sind alle Scheiße. Das nennt man dann Vorurteil. Mich nerven negative Menschen wie Sie.