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Reiseführer für SolarfansDen blauen Zellen hinterher

Auf den Spuren der Energiewende durchs Land reisen? Unser Autor hat es ausprobiert. Nach vielen hundert Kilometern kommt er enttäuscht zurück. Viel neues hat er nicht gesehen.

Mit Solarenergie betriebenes Ausflugsschiff Alstersonne am Jungfernstieg in Hamburg. Bild: imago/Hoch Zwei Stock

Es wäre mir verborgen geblieben, hätte mein Reiseführer mich nicht darauf aufmerksam gemacht: Weder spuckt das Bremer Café Ambiente, in dem meine Reise beginnt, CO2 in die Luft noch belastet mein Cappuccino meine Kindeskinder mit gefährlichem Atommüll. Heiß ist er trotzdem und auch das Licht in dem kleinen Rundbau an der Weser brennt hell.

Während die Gäste in großen Mengen Sauerkraut und Bratwurst in sich hineinstopfen, speichern Solarzellen wenige Meter über ihnen auf dem Dach eifrig Energie.

Drei Trends sollen im Baedecker-Reiseführer „erneuerbare Energien entdecken“ aufgegriffen werden, lese ich im Vorwort: Kurzzeittourismus, Klimaschutz und erneuerbare Energien.

Ich kratze den Milchschaum aus meiner Tasse und mache mich auf zum nächsten Ziel: das Bremer Weserstadion. Als „spektakuläres Beispiel für die Bedeutung der Solarenergie“ preist es der Reiseführer an. Tatsächlich: Dach und Fassade sind mit Kollektoren gespickt. 200.000 Solarmodule auf einer Fläche von zwei Fußballfeldern.

Ich stehe vor der Fassade des Stadions und betrachte die bläulichen Solarzellen. Ob ein Fußballspiel im Innern des Stadions vielleicht doch spannender gewesen wäre?

Weiterfahrt nach Hamburg. Mit einem der größten Solarschiffe weltweit will ich über die Alster schippern. In sonnenarmen Zeiten hilft Ökostrom aus dem Netz nach, lässt mich mein Büchlein wissen.

Zur Sicherheit aber ein Anruf bei der Alster-Touristik. Absage. Die „Alstersonne“ fährt leider nur im Sommer, teilt die Stimme am Telefon entschuldigend mit.

Aber was solls? Meck-Pomm ruft mit spannenden Reisezielen für Freunde des Ökostroms. „Ich bin an erneuerbaren Energien interessiert“, erzähle ich der Dame am Eingang des Naturparks Güstrow.

Sie führt mich zu zwei Info-Computern im Eingangsbereich. Der Park, lerne ich, wird mit Solarenergie und Erdwärmekraftwerken betrieben. Gespannt spaziere ich los, doch abgesehen von der im Führer als "futuristisch" angepriesenen, aber etwas enttäuschenden Solaranlage in Form von dreieckigen „Solarsegeln“ sehe ich nichts – jedenfalls nichts, was mit erneuerbaren Energien zu tun hat.

Luchse, Wölfe, ja sogar Bären leben hier in freier Natur. Und in einer Unterwasserwelt bestaunen Kinder die dicken Fische.

Enttäuscht fahre ich ins Hotel. Der „Speicher“ am Ziegelsee ist das erste klimaneutrale Hotel Mecklenburg-Vorpommerns. Statt der durchschnittlichen 30 Kilogramm verursacht ein Hotelgast im „Speicher“-Hotel nur 17 Kilogramm CO2-Ausstoß pro Übernachtung.

Und neutral wäre nicht neutral, würden die Betreiber ihre Klimasünde nicht wiedergutmachen. In einem Aufforstungsprojekt wird das ausgestoßene Treibhausgas durch das Anpflanzen von Bäumen kompensiert.

Nur: Die Aufforstung findet in Panama statt, im Hotel selbst ist rein gar nichts zu sehen. Meine Energie ist am Ende. Ich übernachte nicht in dem Hotel, sondern fahre direkt nach Hause.

Erneuerbare Energien nutzen - ja! Ihnen aber hinterherzureisen gestaltet sich mühsam, auch mit Reiseführer.

Der Autor legte 900 Kilometer im Auto zurück. Die CO2-Emissionen betrugen 180 Kilogramm - über erneuerbare Energien gelernt hat er auf der Reise nichts.

Martin Frey: „Deutschland – Erneuerbare Energien entdecken", Baedecker Verlag, Ostfildern 2011, 192 Seiten, 14,95 Euro

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7 Kommentare

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  • T
    Tom

    Schlecht einfach nur schlecht. Von vorne bis hinten. Das mit dem Auto gereist wurde sagt ja schon einiges. Wer mal nachrechnet kommt bei dem Wert auf 200g/km. Da sind wir mal ganz oben dabei. Porsche Boxster, Mercedes S350 oder sonstwie..

     

    Abgrundtief und so etwas bringt die taz.

  • M
    Martin

    Vielleicht sollte der Autor erstmal verstehen, das Kollektoren und Module nicht identisch sind, sondern zum einen Wärme und zum anderen Strom generieren. Auf dem Weserstadion sind keine Kollektoren. Wenn man dann weiss worüber man schreibt, kann man auch seine Leser viel besser informieren.

  • H
    Horst

    Wäre es irgendwie nicht auch schlimm, wenn man mitbekommen würde, dass man grad in einem CO2-neutralen Hotel übernachtet?

    Ich finde es gerade gut, dass man es NICHT bemerkt. Das zeigt doch nur, dass auch mit erneuerbaren Energien der gleiche Komfort zu erreichen ist.

    Also alles bestens!

  • S
    Seebär

    Die Solarzelle, die Energie speichert, muss erst noch erfunden werden. Vielleicht sollte sich Herr Hagmann, bevor er einen Text über erneuerbare Energien schreibt (der vermutlich weniger informativ als das beschriebene Buch ist, das ich nicht kenne), sich zuerst einmal mit erneuerbaren Energien beschäftigen.

    Und warum eine Welt, die von Solaranlagen mit Energie versorgt wird, plötzlich bunter, toller und spannender sein soll, könnte Herr Hagmann ja noch in mehreren weiteren Artikeln darlegen.

  • P
    Peter

    Mir persönlich gefällt dieses Büchlein sehr gut und ich habe schon häufig darin gelesen. Anhand von 160 Beispielen wird bunt dargestellt, wie vielschichtig die Energiewende in Deutschland vorankommt... Solarsiedlung, wiederakttivertes, denkmalgeschütztes Wasserkraftwerk, Therme und Geoheizwerk, Energiekommune, alles übrigens auch mit dem Hinweis, wie es mit dem ÖPNV erreichbar ist!

  • X
    xonra

    Die Objekte in Berlin sind durchweg schlecht recherchiert. So ist dort ausgerechnet die Pyramide im Hof von Vattenfall aufgeführt, die dauerend im Schatten steht. Versuchen Sie es demnächst besser gleich mit einer Stadtführung. Leider weigert sich der Programmkalender der TAZ, seit 12 Jahren, einen Veranstaltungshinweis zu der Stadtführung "Das solare Regierungsviertel in Berlin", die ich als sehr Informativ und engagiert in Erinnerung habe,zu platzieren.

  • K
    Klaus

    Sorry für die deutlichen Worte, aber - was für ein bescheuerter Artikel!

     

    Wenn Sie, Herr Hagmann keinerlei Interesse an Solaranlgen und erneuerbaren Energien haben, warum verballern Sie dann völlig sinnfrei dafür 900 km im Mineralöl-Verbrenner-Auto, nur um ein Buch zu verreißen, das Sie genausogut am Schreibtisch hätten verreißen können? Ich hoffe inständig, dass die taz Ihnen diese Reisekosten nicht ersetzt!

     

    Für Leute, die das Thema interessiert und die vielleicht mit Rad & Bahn oder mit einem Elektrofahrzeug reisen, und wenn sie sowieso unterwegs sind entlang der Route passende La(n)demöglichkeiten finden wollen, für die könnte dieser Reiseführer durchaus hilfreich sein. Und ob er dies ist, hätte Ihr Verriß, wenn er stattdessen eine Rezension wäre, durchaus klären können.