Reise durch die USA: Der lange Weg nach Westen

„Ozean in Sicht!“ Es war die Gier nach Gold, die Pioniere den Landweg vom Osten der USA in den fernen Westen am Pazifik erschließen ließ.

Columbia River, Astoria, Oregon Bild: Bob Heims

Breit öffnet sich vor uns der Columbia River in Richtung Pazifik. Das ruhige Wasser leuchtet in allen Orangetönen. Am Horizont verschwindet die Sonne. Die Reise nach Westen ist vorbei. Hinter uns liegen drei Wochen Fahrt durch den Nordwesten der USA, immer entlang den Strecken, die Anfang des 19. Jahrhunderts die Expedition unter dem Privatsekretär des damaligen US-Präsidenten Thomas Jefferson, Meriwether Lewis, und dessen Freund William Clark nahm, um den Landweg in den fernen Westen zu erschließen.

„Ozean in Sicht! Was für eine Freude!“, rief William Clark seinen Männern zu. Genau hier, wo heute die Hafen- und Westernstadt Astoria liegt, erreichten sie den Pazifik. Das Meer empfing die mehr als 40 Mann starke Expedition mit Regen, Nebelschwaden und hohen Wellen. Aber sie hatten es geschafft. Es war der 7. November 1805. Die Berichte und Karten von ihrer Reise sollten kein halbes Jahrhundert später die Besiedlung des Landes zwischen dem Mississippi und dem Pazifik einleiten. Tausende von Menschen zog es den Oregon Trail entlang in den Westen.

Eine Reise auf den Spuren der Pioniere ist ein ganz persönliches Roadmovie. Hier entstand der Traum vom starken, unbeugsamen Amerikaner. Und hier beging die junge Nation ihrer ersten Sündenfall. „First Americans“ - „erste Amerikaner“ werden die Verlierer jenes Verdrängungskampfes in den großen Ebenen heute politisch korrekt genannt. Sie leben entlang unserer Strecke in Reservaten.

Lewis und Clark waren 1803 in Saint Charles, unweit der Mündung des Missouri in den Mississippi, aufgebrochen. Doch die eigentliche Suche nach neuen Wegen begann am Oberlauf des Missouri, dort, wo bald schon die ersten Raddampfer anlegen sollten und Fort Benton entstand. Zuerst als Militär- und Handelsposten aus Holz. Dann folgten Backsteingebäude und eine kleine Westernstadt, die erste große Siedlung in dem, was 1889 der 41. Staat der USA werden sollte, Montana. Auch heute, nachdem der Schiffsverkehr längst von der Eisenbahn abgelöst wurde, zeugt Fort Benton vom einstigen Reichtum.

Wer aus dem Osten kommend Fort Benton erreicht, hat die großen Ebenen, die Prärie hinter sich gelassen. Städtenamen wie Custer erzählen von der blutigen Geschichte der Besiedlung. Anders als in Fort Benton, wo Ureinwohner und Neuankömmlinge einträchtig zusammenlebten und mit Büffelfellen und anderen Produkten der Region einen regen Handel betrieben, standen die Indianer der Prärie mit den Weißen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Massen kamen, auf Kriegsfuß. Es war Gold, das die Pioniere in die für die Sioux heiligen Black Hills in South Dakota brachte. Ein grausamer Verdrängungskrieg begann. General George A. Custer unterlag mit seiner 7. Kavallerie am Little Bighorn den Sioux-Kriegern unter Häuptlingen wie Crazy Horse. Ein Besuch auf dem zum Nationalmonument ernannten Schlachtfeld bietet Einblick in den verzweifelten Kampf der Indianer ums Überleben. Ihr Erfolg war von kurzer Dauer. Am Massaker am Wounded Knee - heute ebenfalls ein Museum - verloren die Sioux im Dezember 1890 endgültig gegen die bürgerkriegserprobte US-Armee.

Crazy Horse Monument in South Dakota Bild: Erik Marr/sxc

Crazy Horse war bereits 13 Jahre zuvor in Gefangenschaft geraten und hatte bei einem Ausbruchsversuch sein Leben verloren. Zu seinen Ehren wird in den Black Hills ein Denkmal aus dem Fels gesprengt. Ganz im Stile des unweit davon gelegenen Mount Rushmore, der die vier US Präsidenten verewigt: George Washington, Theodore Roosevelt, Abraham Lincoln und Thomas Jefferson, der die erste Expedition in den Nordwesten schickte.

Bereits Lewis und Clark machten mit den kriegerischen Sioux-Indianern Bekanntschaft. „Der Häuptling erklärte uns, [...] dass er uns vernichten würde, wenn wir weiterreisten“, schreibt einer der Teilnehmer der Expedition über das erste Zusammentreffen mit den Sioux 1804. Längere Verhandlungen konnten das Schlimmste verhindern. Ohne weitere Zwischenfälle erreichte die Gruppe Fort Benton.

Mythos Westen

In Fort Benton, der ältesten Stadt Montanas, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Ein Museum erzählt von Raddampfern, Trappern und der Blütezeit des Handels zwischen Indianern und Weißen. Stilgerecht übernachten wir im Grand Union Hotel (www.grandunionhotel .com). Um einiges billiger ist das Fort Motel an der alten Landstraße.

Custer ist der ideale Ausgangsort für einen Tripp zum Mount Rushmore und der Baustelle des Felsmonuments für Siouxhäuptling Crazy Horse. Vom Sylvan Lake führt ein schöner Wanderweg auf den höchsten Berg South Dakotas, den Harney Peak (2.207 m) mit seiner Aussicht über die Black Hills und die Prärie (www.custerstatepark.info). Das Custer Motel entführt uns in die 50er-Jahre (www.presidentsresort.com/ CusterM.htm).

Deadwood in den Black Hills ist eine ehemalige Goldgräberstadt, in der immer noch gepokert wird. Die alten Salons und Westernhotels wie das Martin Mason Hotel (www.martinmasonhotel.com) waren Zeugen des schnellen Reichtums und tiefen Falls so manchen Pioniers.

Im Glacier National Park (www.nps.gov/glac) seien zwei Wanderrouten ganz besonders empfohlen: der Grinnell Trail von Many Glacier zum Grinnell Glacier und der Highline Trail vom Logan Pass zum Granite Park Chalet und hinab zum Loop Trailhead, und von dort im Bus zurück zum Logan Pass.

Wer in East Glacier ein Quartier sucht, verlässt den Highway 2. Auf der anderen Seite der Bahnlinie liegt das Sears Motel mit seinen kleinen Holzhütten (www.searsmotel.com). Beste Küche gibt es im Serranos (www.serranosmexican.com).

Portland ist der ideale Ausgangspunkt für einen Tagestrip zum Mount St. Helens. Wer es mondän mag, kommt am altehrwürdigen Benson Hotel auf dem Broadway in Portland nicht vorbei (www.bensonhotel.com). Rundherum laden Clubs zum Nachtleben und Fischlokale zum Schlemmen ein. Der Vulkan St. Helens liegt 70 Kilometer nördlich der Stadt. Wer auf den Gipfel will, muss online eine der begehrten Genehmigungen einholen, je früher um so besser. Die frei zugänglichen Wanderouten rund um das Johnston Ridge Observatory auf der Nordseite des Vulkans bieten herrliche Aussichten auf den Krater (www.fs.fed.us/gpnf/mshnvm). In Astoria übernachten wir dort, wo für Lewis und Clark die Reise endete. Die Zimmer mit einer 20er-Nummer im Crest Motel haben die Mündung des Columbia Rivers vor dem Fenster. (www.astoriacrestmotel.com)

Von hier suchte sie den Weg nach Westen über die Rocky Mountains. Die Forscher überquerten die Bergkette auf dem in Vergessenheit geratenen Lemhi-Pass und dem Lolo-Pass am heutigen Highway 12 zwischen Montana und Idaho. Wer jetzt eine Reise gen Westen plant, begibt sich weiter in den Norden auf den Highway 2, dorthin, wo die Berge immer unwegsamer werden und bald schon die Gletscher des Glacier National Park die Täler beiderseits der Kontinentalen Wasserscheide bedecken. Eine unvergleichlich alpine Landschaft lädt zum Wandern ein.

Es sind diese Gletscher, die zahlreiche Flüsse speisen, die sich später zum Columbia River vereinen. In Richtung Westen erstreckt sich eine fruchtbare Hügellandschaft. Sie lockte die Pioniere. Weizen und Obstplantagen entstanden. Sie ernähren bis heute die kleinen Dörfer und Städte im Staate Washington. Abseits der großen Highways geht es durch das gelbe Meer der sich im Winde wiegenden Ähren. Ortsnamen wie Odessa, Moscow, Mohler, Lauer oder Krupp erzählen vom europäischen Ursprung der ersten Siedler. Bauernhäuser mit roten Dächern ducken sich zwischen riesigen Getreidesilos entlang den Straßen und Bahnlinien, bis plötzlich am Horizont erneut Berge auftauchen.

Es sind die Vulkane der Cascade Range, wo die nordamerikanische und die pazifische Platte aufeinanderstoßen. Der höchste von ihnen, der Mount Rainier (4.395 Meter), ist das ganze Jahr mit Schnee und Eis bedeckt. Nur erfahrene Bergsteiger wagen sich auf den Gipfel. Anders beim Mount St. Helens (2.549 Meter). Zwar ist es der aktivste und damit gefährlichste Vulkan auf dem nordamerikanischen Festland - er brach am 18. Mai 1980 zum letzten Mal aus -, doch der Weg hinauf über den Südhang ist für geübte Wanderer im Sommer kein Problem. Vom Gipfel aus ist an guten Tagen der Pazifik am Horizont zu erahnen.

„Ich entdeckte einen enorm hohen, schneebedeckten Berg“, schreibt Clark am 19. Oktober 1805 in das Expeditionstagebuch. Was er fälschlicherweise für den Mount St. Helens hielt, war in Wirklichkeit der Mount Adams (4.010 Meter), ein weiterer der insgesamt 13 Vulkane in Washington und Oregon. Auf dem Rückweg, 1806, entdeckte die Gruppe einen weiteren Vulkan. „Wir nannten ihn Mount Jefferson“, schreibt Clark.

Bald schon wird das Tal des Columbia River immer breiter. Unsere Reise führt hinab in den industriellen Teil des Nordwestens. Dort, wo der Willamette River in den Columbia River fließt, liegt Portland, einer der größten Häfen der USA. Nach Wochen der Einsamkeit erwartet den Reisenden die europäischste aller US-Städte mit ihrem Nachtleben.

Von hier sind es nur noch eineinhalb Autostunden bis nach Astoria und den Pazifik. „Ozean in Sicht! Was für eine Freude!“

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