Reiner Wild über die Mietpreisbremse: „Der Vermieter geht kein Risiko ein“
Die Mietpreisbremse kommt – mit vielen Ausnahmen zu Gunsten der Vermieter, wie Reiner Wild vom Berliner Mieterverein erklärt.
taz: Herr Wild, angenommen, ich will im Juni umziehen und habe eine Wohnung an der Hand, die deutlich über dem Mietspiegel liegt. Soll ich dennoch unterschreiben?
Reiner Wild: Wenn Sie die Miete zahlen können, ja. Wenn Sie aber darauf spekulieren, dass Sie die überhöhte Miete mit Hinweis auf die Mietpreisbremse reduzieren können, müssen Sie damit rechnen, dass das auch schiefgehen kann. Dazu bietet die Mietpreisbremse zu viele Ausnahmen. Es kann also sein, dass Sie auf der hohen Miete sitzen bleiben.
Als Mieter habe ich das Recht, auch nach der Unterzeichnung des Mietvertrags, den Vermieter zu rügen und ihn darauf hinzuweisen, dass die Miete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf.
Das ist richtig. Aber es kann ja sein, dass eine Ausnahme gilt. Das sehen Sie der Miete zunächst ja nicht an. Wenn im Mietvertrag zum Biespiel 12 Euro pro Quadratmeter drinstehen, wissen Sie nicht, ob der Vormieter das auch schon bezahlt hat.
Wenn dies so wäre, wäre die Forderung rechtens, weil die Mietpreisbremse einen Bestandschutz für Mieten vorsieht, die schon vor dem 1. Juni überteuert waren.
Richtig. Wenn schon der Vormieter eine überhöhte Miete bezahlt hat, ist das von seiten des Vermieters zulässig insoweit die überteuerte Miete nicht binnen der letzten 12 Monate zustande kam. Das muss ich wissen, wenn ich unterschreibe.
Welche Möglichkeiten gibt es denn, herauszufinden, wie hoch die Miete des Vormieters war?
Das ist eine gute Frage. Positiv für den Mieter ist, dass in dieser Frage der Vermieter in der Beweislast ist. Andererseits muss er aber auch den Datenschutz berücksichtigen. Er wird also kaum einen Überweisungsträger vorweisen können.
geboren 1954, ist seit 2009 Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Seit 2011 ist er auch im Präsidium des Deutschen Mieterbunds.
Er kann doch den Mietvertrag vorlegen.
Wenn der aber schon älter ist, steht da nur die Miete zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses drin. Spätere Mieterhöhungen sind da nicht vermerkt. Auch bei den Überweisungen ist es oft so, dass da nicht genau draufsteht, um welche Wohnung es sich genau handelt. Es ist also gar nicht so einfach. Weder für den Mieter, noch für den Vermieter.
Was ist, wenn ich als Wohnungssuchender weiß, wer in der Wohnung wohnte und wie hoch die Miete war?
Das ist natürlich super. Wenn man aus erster Hand weiß, wie hoch die Vormiete war, dann hat man einen Beweis. Und wenn der Vormieter einverstanden ist, kann man das auch vor Gericht verwenden.
Was ist, wenn ich dem Vermieter nachweisen kann, dass die Vormiete viel niederiger war? Macht er sich des Betrugs schuldig?
Nein, das hat nur mietrechtliche Konsequenzen. Das Gesetz sieht für den Fall kein Bußgeld vor. Der Vermieter geht überhaupt kein Risiko ein.
Auch wenn er versucht hat, mich arglistig zu täuschen?
Das wäre dann nicht mietrechtlich, sondern strafrechtlich relevant. Da müssten Sie ihm schon nachweisen, dies vorsätzlich getan zu haben. Das wird schwer sein. Der Vermieter riskiert bei einem solchen Vorgehen also nur, dass am Ende einer Überprüfung durch das Gericht nur das herauskommt,. was durch die Mietpreisbremse rechtlich zulässig ist.
Der Bestandsschutz ist eine der Ausnahmen. Was sind die anderen?
Bei Neubauten, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals vermietet werden, gilt die Mietpreisbremse überhaupt nicht. Das gilt auch für alle weiteren Vermietungen dieses Neubauwohnungen. Auch bei umfassend modernisierten Wohnungen greift die Bremse nicht. Das gilt aber nur für die erste Vermietung nach Modernisierung.
Was heißt umfassend modernisiert?
Wenn die Modernisierungskosten bei mindestens einem Drittel vergleichbarer Neubaukosten liegen. Das ist aber schwer nachweisbar, weil man da ja dann die Instandhaltungskosten herausrechnen müsste.
Was kann der Mieter in diesem Fall tun?
Zunächst muss er in seiner Rüge nur darlegen, dass die Miete mehr als zehn Prozent über der orstüblichen Vergleichsmiete ist. Der Vermieter muss dann wiederum nachweisen, dass dies aufgrund einer umfassenden Modernisierung geschehen ist. Das wird für ihn auch nicht einfach sein. Wie beweist er, wie hoch vor fünf Jahren, als eine Modernisierung stattgefunden hat, die vergleichbaren Neubaukosten waren?
Warum soll das eine Ausnahme sein? Der Vermieter kann bei Modernisierung doch elf Prozent der Kosten auf die Miete umlegen?
In diesem Fall würde der Bestandsschutz greifen. Wenn er vor einem Jahr modernisert hat, stieg zum Beispiel die Miete von sechs Euro den Quadratmeter auf neun Euro. Wenn dann der Mieter wechselt, kann er dann auch diese neun Euro verlangen. Dann muss er sich nicht auf den Ausnahmetatbestand Modernisierung berufen. Aber es gibt ja Fälle, in denen der Vermieter zwischen zwei Mietverhältnissen modernisiert. Also wenn der Vormieter auszieht, dann wird die leere Wohnung modernisiert und anschließend neu vermietet. Da greift dann der Bestandsschutz nicht, weil der vorige Mietzins niedrig war. Das ist dann der Ausnahmetatbestand normale Modernisierung.
Der Mieterverein hat einmal errechnet, dass die Mietpreisbremse wegen dieser Ausnahmen nur für sechzig Prozent der Wohnungen in Berlin gilt. Erwarten Sie dennoch eine deutliche Dämpfung des Preisanstiegs auf dem Wohnungsmarkt?
Uns wäre natürlich lieb gewesen, wenn das Gesetz für alle Wohnungen gegolten hätte. Dann hätte man einfach die ortsübliche Vergleichsmiete feststellen können, zehn Prozent daraufgepackt, und jeder hätte gewusst, was man verlangen darf. So muss man den Weg über die Rüge gehen und eventuell vor Gerichte ziehen.Das ist umständlich und könnte Mieter abhalten, Ihre Rechte wahrzunehmen. Gerade wenn man ein neues Mietverhältnis abgeschlossen hat, sind Mieter eher skeptisch, gleich einen Zwist mit dem Vermieter zu beginnen. Gleichwohl werden wir die Mieter bei der Mietprüfung und Herabsetzung untersützen.
Wie?
Wir beginnen eine Aktion Mietpreisprüfung. Da werden wir mittels Internet aber auch mit gedruckten Fragebögen die ortsübliche Vergleichsmiete berechnen. Dann geben wir den Mietern die Höhe der ermittelten ortsüblichen Vergleichsmiete bekannt und teilen Ihnen mögliche Schlussfolgerungen mit.
Sind Sie auf den Ansturm von Beratungssuchenden vorbereitet?
Wir sind vorbereitet. Aber ich gehe nicht davon aus, dass es einen Ansturm geben wird. Es betrifft ja nur die Neuvermietungen, und die Fluktuation ist in Berlin deutlich zurückgegangen. Im innerstädtischen Bereich auf zwei bis drei Prozent pro Jahr.
Sie könnte mit der Mietpreisbremse wieder deutlich steigen.
Sie wird wieder steigen, aber das wird nicht gleich übermorgen passieren.
Der neue Mietspiegel 2015 wurde von Haus und Grund und dem Landesverband freier Wohnungsunternehmen nicht unterzeichnet. Rechnen Sie damit, dass die Klagen gegen den Mietspiegel, auch wegen der Mietpreisbremse, zunehmen werden?
Das erwarte ich. Viele Vermieter wollen nicht verstehen, dass sie nun bei Neuvermietungen an eine ortsübliche Vergleichsmiete gebunden sind, da sie vorher deutlich mehr verlangen konnten.
Was wäre, wenn der neue Mietspiegel für ungültig erklärt würde.
Das wäre erst dann der Fall, wenn alle vier Kammern des Landgerichts sich gegen den Mietspiegel entschieden hätten. Wenn dem Mietspiegel aber dann der Status der Qualifiziertheit aberkannt würde und generell Gutachten zur Ermittlung der ortsüblichen Miete herangezogen würden, wäre das für Mieter katastrophal und für unsere Beratungspraxis extrem schwierig, Dann könnten wir den Mietern zur Kontrolle der Miete bei Mieterhöhungen oder bei der Mietpreisbremse nicht mehr raten, den Mietspiegel als Basis heranzuziehen. Das wäre ein Super-Gau für die Überprüfung von Mieterhöhungen. Das darf so nicht kommen.
Berlin ist das einzige Bundesland, in dem die Mietpreisbremse schon ab dem 1. Juni gilt.
Das stimmt. Selbst im rot-grün regierten Hamburg lässt sich die SPD vom Eigentümerverband Haus und Grund unter Druck setzen. Dort soll nun die Bremse nicht automatisch für das gesamte Stadtgebiet gelten. Das ist schon richtig peinlich. Die Kriterien für die Aufstellung einer solchen Rechtsverordnung sind seit Monaten bekannt. Berlin hat seine Hausaufgaben gemacht. Die Verordnung gilt landesweit und tritt gleichzeitig mit der Mietpreisbremse am 1. Juni in Kraft.
Und für welche Mietverträge gilt sie?
Für alle Mietverträge, bei denen Mieter und Vermieter ab dem 1. Juni unterzeichnet haben. Entscheidend für den Stichtag ist die Unterzeichnung des Mietvertrages und nicht der Beginn des Mitverhältnisses.
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