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Reichsbürger in BrandenburgGescheiterte Väter und Bankrotteure

Rund 600 Reichsbürger gibt es inzwischen in Brandenburg, so eine Untersuchung. Und es werden mehr. Ihr Ziel: Delegitimierung des Staates.

Da passt was nicht: Ausweisdokument von Reichsbürgern Foto: dpa

Potsdam (dpa |) Rechtsgerichtete Protestbewegungen haben nach Erkenntnissen des Brandenburger demos Instituts für Gemeinwesenberatung auch den sogenannten Reichsbürgern Zulauf verschafft. „Im Sog der Pegida-Bewegungen hat die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ in den vergangenen Jahren deutlich Zulauf bekommen“, sagte Dirk Wilking vom demos Institut am Dienstag in Potsdam. „Die thematische Schnittmenge ist die Delegitimierung des Staates.“

Dabei unterscheiden sich die „Reichsbürger“ von der Pegida-Bewegung aber in einem wesentlichen Punkt, wie Wilking betonte. „Sie sind nicht politikverdrossen, sondern verwaltungsverdrossen.“ Ihr Ziel sei es, Behörden lahm zu legen. „Und die Verwaltung hat in der Öffentlichkeit nur wenig Lobby“, meinte der Experte.

In Brandenburg seien den Behörden inzwischen etwa 600 „Reichsbürger“ bekannt, bundesweit seien es bereits rund 18.000. Sie leugnen die Existenz des Staates und wehren sich massiv und mit meist abstrusen Schriftsätzen gegen Maßnahmen der Behörden. In vielen Fällen handele es sich um gescheiterte Familienväter oder Bankrotteure, die mit einer abstrusen Weltsicht von ihrem eigenen Scheitern ablenken wollten, meinte Wilking.

Der Experte stellte als Herausgeber die dritte, erweiterte Auflage des Handbuchs „Reichsbürger“ vor, das Mitarbeitern von Verwaltungen, Gerichten und der Polizei Tipps zum Umgang mit Vertretern der Szene gibt. „Es geht nicht nur darum, „Reichsbürger“ in die Schranken zu weisen“, betonte Wilking. „Wir müssen ebenso verstehen, wie sie und ihr Milieu funktionieren.“ Die Handbücher haben eine Auflage von 8.500 Exemplaren, davon sollen 3.500 Bände in Sachsen verteilt werden.

Die oberste Regel laute, mit den „Reichsbürgern“ nicht zu diskutieren, erläuterte Wilking. „Denn „Reichsbürger“ verfolgen damit das Ziel, Verwirrung zu stiften, um staatliche Stellen vom rechtlich gebotenen Handeln abzulenken.“ Auch der Schriftwechsel mit den Vertretern der Szene solle auf das absolut Notwendige beschränkt und Maßnahmen müssten konsequent vollstreckt werden.

Der Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes, Frank Nürnberger, zeigt ein Handbuch zum Umgang mit Reichsbürgern Foto: dpa

Im Herbst 2016 hatte sich ein bewaffneter „Reichsbürger“ im bayerischen Georgensgmünd verschanzt und einen Polizeibeamten erschossen. Die Polizei hatte dem Mann seine Waffen abnehmen wollen und war mit einem Spezialeinsatzkommando angerückt.

Die Öffentlichkeit ist aufgeschreckt

„Das hat die Öffentlichkeit aufgeschreckt“, sagte der zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium, Herbert Trimbach. Anschließend wurden auch in Brandenburg Verfahren gegen Reichsbürger eingeleitet, die waffenrechtliche Erlaubnisse hatten. In 26 Fällen wurden die Waffenscheine und die Waffen bereits eingezogen. In 13 weiteren Fällen laufen die Verfahren noch. Die Verfahren fußen darauf, dass bei „Reichsbürgern“ aus Sicht der Behörden die für einen Waffenschein notwendige Zuverlässigkeit nicht gewährleistet ist.

Sie sind nicht politikverdrossen, sondern verwaltungsverdrossen.

Dirk Wilking, demos Institut

Aus Sicht von Brandenburgs Verfassungsschutzchef Frank Nürnberger sind alle „Reichsbürger“ extremistisch, weil sie den Staat nicht anerkennen. „Oft gibt es auch rechtsextremistische und antisemitische Bezüge, andere glauben wiederum, dass die DDR noch fortbesteht“, erläuterte der Verfassungsschutzchef. Seine Behörde analysiert regelmäßig Schreiben, die von „Reichsbürgern“ am Behörden verschickt werden. „Da sehen wir, welche Wahn-Variante gerade aktuell ist – und das nehmen wir dann auch als Hinweis für die Gefährlichkeit dieser Menschen.“.

Doch auch bei reinen Querulanten sieht Nürnberger den Staat gefährdet. „Es geht ja darum, dass Amtsträger wie Gerichtsvollzieher und Richter in ihrer Amtsausübung behindert werden sollen. So könne man nicht zulassen, dass sich Mitarbeiter des Ordnungsamtes nicht mehr trauten, bei diesen Personen Parkverstöße zu ahnden. „Am Ende leidet das Ansehen des Rechtsstaates und die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft nimmt Schaden“, betonte Nürnberger.

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