: Reich des Schwelgens
Gehört: Vergangenen Sonntag war der Ferne Osten bei „das neue werk“ im Rolf-Liebermann-Studio mit Kompositionen von Toru Takemitsu und Isang Yun zu Gast
Der Chor tritt auf, bemühter Beifall der rund 150 Besucher beim zweiten Konzert am ersten Wochenende der Saison das neue werk im Rolf-Liebermann-Studio des NDR. „Abe jo-jo“, das beschworene Windpferd der tibetanischen Mythologie, das die Gebete der Menschen in den Himmel bringt, bestimmte die 1961–66 entstandene Komposition „Windhorse“ von Toru Takemitsu. Der Chor des NDR unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann ließ es durch den Raum schweben. Der Ferne Osten klang hier in schönster Melodie, folkloristischen Klängen und in den wildesten Harmonien moderner Musik.
Nicht so gelungen dann die Darbietung der Vokalkomposition „Noch – In Memoriam Isang Yun“ von Younghi Pagh-Paan für Mezzosopran und Viola aus dem Jahre 1998. Eine schlechte Wahl bei der Besetzung der Viola. Der kurze Ausschnitt eines größeren Zyklus der koreanischen Komponistin ließ das tibetanische Windpferd verschwinden.
Es folgten Chorwerke des koreanischen Komponisten Isang Yun, der von 1957 bis zu seinem Lebensende 1995 in Deutschland lebte. Seine Kantate „Der Herr ist mein Hirte“ für gemischten Chor und Solo-Posaune umkreiste in den Texten den 23. Psalm der Bibel, Gedichte von Nelly Sachs und buddistische Gebete. Eindrucksvoll, wie auch die Solo-Posaune von Simone Candotto den Chor, den beschworenen Ton „A“ und den „vom Menschen unabhängig existierenden Klang“ (Isang Yun) umkreiste und die Posaune mit Sopransoli oder Tutti-Chor verschmolz.
Das abschließende Werk, Yungs „Vom Tao“ (1982) für gemischten Chor, Schlagzeug und Orgel, ein in Zusammenarbeit mit dem NDR entstandener Ausschnitt aus Yungs letzter Oper Sim Tjong (1972), führte den Zuhörer ins Reich der schwelgenden Orgien Neuer Musik, geriet aber gegen Ende aus den Fugen, bevor sich alle Musiker dann doch auf den strahlenden Schlussakkord einigten. Blieb noch das wunderbare Nachtkonzert, in dem kammermusikalische Perlen dem opulenten Chorabend folgten. Peter Imig
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