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Regisseurin über Leonard-Cohen-Oper„Wenig Material, fein gesponnen“

Musiktheater zu Gedichten von Leonard Cohen: Die Hamburger Regisseurin Paula Rüdiger über ihre Aufführung von Philip Glass' „Book of Longing“.

Talente kombiniert: Komponist Philip Glass (l.) und der Sänger, Musiker, Dichter Leonard Cohen Foto: Miguel Ángel Molina/epa/dpa (l.), Peter Foley/epa/dpa (r.)
Alexander Diehl
Interview von Alexander Diehl

taz: Frau Rüdiger, warum eine Inszenierung des „Book of Longing“? Und warum jetzt?

Paula Rüdiger: Mein Betreuer hat mir eine ähnliche Frage gestellt: Paula, es überrascht mich, dass du ein Stück inszenierst von zwei alten weißen Männern.

Und doch?

Ich finde „Book of Longing“ toll, weil es, obwohl von zwei alten weißen Männern gemacht, sich genau dessen sehr bewusst ist. Es lässt viele Lücken für andere Perspektiven und dafür, sich diesen Text anzueignen, damit umzugehen. Ich finde, dass es sogar aktiv dazu einlädt, dass auch Leute, die nicht Leonard ­Cohen oder Philip Glass sind …

die Autoren von Text beziehungsweise Musik …

sich diesen Text aneignen und sich damit identifizieren. Außerdem finde ich es schön, etwas mehr oder weniger Kontemporäres zu machen, also, im Vergleich zu Vielem, was zum Repertoire zählt. Ich hatte aber nicht die Möglichkeit, rein von der von der Größe des Projekts und den Möglichkeiten der Hochschule her, eine komplett eigene Oper zu schreiben.

Jetzt könnte man natürlich sich leicht süffisant zurücklehnen und fragen: Ist das mit dem Aneignen, den Lücken auch, nicht eigentlich bei jedem Text gegeben? Inwiefern erschien Ihnen das so besonders ausgeprägt bei ­Cohens Gedichten und dem, was Glass dann musiktheatral daraus macht?

Ich bin darauf gekommen, als ich mich mit ­Leonard Cohen beschäftigt habe. Da habe ich eine Biografie gelesen, in der dieses Werk erwähnt wurde, und ich hatte noch nie davon gehört. Und ich finde eben, dass bei Leonard ­Cohen, einer sehr vielschichtigen Figur als Künstler, gerade diese Einladung so fesselnd ist: die eigene Perspektive in seiner wiederzufinden – und umgekehrt. Ich glaube, das spricht zu sehr vielen Menschen.

Als Dichter ist er hierzulande vergleichsweise unterbelichtet, ist mein Eindruck. Fürs deutsche, deutschsprachige Publikum ist er doch ein Singer-­Songwriter, vielleicht im etwas weiteren Sinne.

Je nachdem, in welchem Kreis man sich bewegt, ist der Name Leonard Cohen – oder auch Philip Glass – eine Hausnummer, wie man so schön sagt: Dann erwarten die Leute plötzlich etwas, aber sie sind halt auch erst mal interessiert. Und gleichzeitig ist es wahrscheinlich so, dass diese Erwartungen nicht unbedingt erfüllt werden, wenn man sich mit diesem Stück dann auseinandersetzt. Ich würde das gar nicht auf Deutschland beschränken. Ich glaube, dass insgesamt Leonard Cohens Bekanntheit nicht auf seiner schriftstellerischen Tätigkeit fußt – und das, wofür er am bekanntesten ist, wird oft gar nicht mit ihm in Verbindung gebracht: „Hallelujah“ ist sein berühmtester Song, glaube ich – aber die wenigsten Menschen wissen doch, dass er von ihm ist.

Bild: Lennart Nielsen
Im Interview: Paula Rüdiger

24, studiert Musiktheaterregie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg.

Philip Glass selbst hat gesagt, „The Book of Longing“ sei eine „Abkehr vom vergangenen Arbeiten“ gewesen. Würden Sie das bestätigen – ist daran etwas musikalisch neuartig für diesen Komponisten?

Ich empfinde das Stück als einen Schritt sowohl noch weiter in Richtung bekannter Sachen, an die wir gewöhnt sind, also populärer Musik oder populärer klassischer Musik. Aber auch als einen Schritt genau davon wieder weg. Das war jetzt eine sehr sperrige Beschreibung. Für mich kommt der Ansatz eher von der populären Musik, die es im Moment gibt, als von der klassischen: Es hat eine Gesamtlänge von anderthalb Stunden, wir haben es etwas gekürzt für unser Projekt, auf etwa eine Stunde. Das könnte in etwa die Länge eines populären Albums sein. Philip Glass’ Minimal Music hat ja etwas sehr Repetitives – ohne wirklich immer dasselbe zu sein; mit bestimmten sehr klaren Ausbrüchen. Ich finde das Stück interessant, weil es sehr fein gesponnen ist, aus scheinbar wenig Material – das aber gerade dadurch dieses Material viel mehr en détail ansieht, und viel genauer. Wenn ich daran also ein bisschen ändere, was passiert dann mit dem gesamten Ding?

Es gab 2007 eine erste kleine Tour, mit Glass selbst unter den Musizierenden. Da hatte das Stück eine bestimmte Reihenfolge, wie die Texte angeordnet waren, und es gab eine ganz bestimmte Besetzung. Machen Sie das jetzt genauso, nur etwas kürzer? Gehen Sie es in anderer Hinsicht frei an? Was ist da überhaupt erlaubt?

Die Aufführung

„Book of Longing“. Musik­theaterstück von Philip Glass, basierend auf Bildern und Gedichten von Leonard Cohen:

Sa, 28.1., 19.30 Uhr; So, 29.1., 18 Uhr,

Hamburg, Hochschule für Musik und Theater/Forum

Das ist eine spannende Frage. Ich habe überhaupt nichts gegen auch mal sehr große Änderungen an ­Stücken. Aber hier habe ich gar nicht so viel geändert; im Grunde tatsächlich nur gekürzt. Es gibt von damals, als das Stück herauskam, keine Filmaufnahmen zu erwerben oder zu finden. Das macht es schwierig, den theatralen Teil ganz genau einzuschätzen. Ich glaube aber, ich habe gerade da ­etwas ergänzt.

Inwiefern?

Es ist ein vertonter lyrischer Zyklus, für den ich mir nun eine Art Rollenfiguren und eine Art ­Geschichte ausgedacht habe. Sowohl der deutsche Verlag, wo man die Noten bekommt, als auch der Originalverlag mit Sitz in den USA, waren sehr kooperativ. Aber ich weiß nicht, wie weit es möglich gewesen wäre, daran noch größere Änderungen vorzunehmen. Ich musste begründen, warum ich überhaupt etwas kürzen will. Wenn ich musikalisch in einzelne Stücke hätte eingreifen wollen, hätte ich das alles mit meinem musikalischen Leiter zusammen vorab einreichen müssen; notieren und einreichen. Und das war zeitlich und arbeitstechnisch überhaupt nicht machbar. Aber ich bin nicht prinzipiell­ ­gegen oder für eine radikale Umstellung oder Änderungen von Repertoire-­Stücken. Ich glaube, sie bieten eine große Chance – und man kann es genauso gut scheiße machen. Aber man kann es auch konventionell scheiße machen.

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