Regionalwahlen in Italien: Schlappe für Meloni
Bei den Wahlen auf Sardinien gewinnt die Kandidatin des Linksbündnisses – trotz interner Konflikten. Das verdankt sie auch der Zerrissenheit der Rechten.
Am Sonntag waren die Bürger der Insel an die Urnen gerufen, um in direkter Wahl den oder die künftige Präsident*in sowie das Regionalparlament zu bestimmen. Den ganzen Montag wurde ausgezählt, erst spät in der Nacht stand die Siegerin fest. Es ist die 55-jährige Alessandra Todde, die an der Spitze einer Allianz des Movimento5Stelle (M5S – Fünf Sterne), der gemäßigt linken Partito Democratico (PD), der radikal linken Alleanza Verdi-Sinistra, und diverser weiterer Listen angetreten war.
Todde holte knapp über 45 Prozent und damit nur wenig mehr als ihr Gegenkandidat von der Rechten, der Postfaschist aus den Reihen von Giorgia Melonis Partei Fratelli d’Italia (FdI), der auf genau 45 Prozent kam. So knapp der Ausgang war, so wenig war er erwartet worden. Denn die Rechte – neben der FdI die Lega, Forza Italia und weitere kleine Gruppierungen – war absolut siegessicher in diese Wahl gegangen.
Schließlich hatte sie bisher bereits in der Region regiert, und die sprachen für sie. Und in der Gewissheit, ein Heimspiel zu haben, leistete sich die Rechtsallianz im Vorfeld einen veritablen Bruderkrieg. Ministerpräsidentin Meloni nämlich wollte nichts davon wissen, den bisherigen Regionalpräsidenten – der Matteo Salvinis Lega nahesteht – wieder antreten zu lassen. Stattdessen setzte sie mit Paolo Truzzu einen Kandidaten aus ihrer eigenen Partei FdI durch.
Giuseppe Conte, Fünf-Sterne-Chef
Spitzenkandidat mit Mussolini-Tattoo
Bisher war der Mann Bürgermeister der Inselhauptstadt Cagliari. Dort fiel er nicht nur dadurch auf, dass er sich „Trux“ auf seinen Unterarm hatte tätowieren lassen – eine Synthese aus seinem Namen und Dux, sprich dem Duce Mussolini. Vor allem gelang es Truzzu in fünf Jahren Amtszeit, zu einem der unpopulärsten Bürgermeister Italiens zu werden. Dennoch boxte Meloni die Kandidatur des jahrzehntelang treuen, postfaschistischen Weggefährten durch – in der Sicherheit, dass die Wahl gar nicht zu verlieren war.
Schließlich hatte sich zuvor auch das Mitte-Links-Lager wieder einmal gespalten. Und auch wenn die Fünf Sterne und die PD letztlich zu einer Allianz zusammenkamen, mussten sie gegen eine eher linke Konkurrenzliste anzukämpfen. Denn Renato Soru von der PD – er hatte Sardinien in den Jahren 2004 bis 2009 regiert – wollte sich nicht damit abfinden, dass seine Partei ihn diesmal nicht aufstellen wollte. Die logische Konsequenz: Mit einer eigenen Gruppierung ins Rennen gehen, zur Freude der Meloni-Rechten.
Doch aus dem einfachen Sieg der Rechten wurde nichts. Denn Wahlgewinnerin Alessandra Todde stellte die soziale Misere der Insel mit hoher Arbeitslosigkeit und einem abgewirtschafteten Gesundheitswesen in den Mittelpunkt – das zog. Sie ist nun die erste Frau, die Sardinien regiert, und die erste Fünf-Sterne-Politikerin, die es überhaupt zur Präsidentin einer Region brachte.
Neben ihr dürfen sich allerdings auch Elly Schlein, nationale Vorsitzende der PD, sowie der Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte als Sieger*innen fühlen. Schlein setzte die Allianz mit dem M5S auch gegen starke innerparteiliche Widerstände durch. Ihre Gegenspieler in der PD warteten nur darauf, dass die Vorsitzende mit ihrer Linie in Sardinien Schiffbruch erlitt. Das Gegenteil ist passiert.
Auch in den Abruzzen hoffen die Linken auf einen Sieg
Unruhig wird es dagegen in der Rechten werden. Dort wird sich Matteo Salvinis Konkurrenzkampf gegen die ihm im Bündnis übermächtig erscheinende Meloni weiter verschärfen.
Zur nächsten Probe kommt es am 10. März bei den Regionalwahlen in den Abruzzen. Auch dort treten PD und Fünf Sterne geeint an – und auch dort hoffen sie auf einen Überraschungssieg gegen die in der Region regierende Rechte. Giuseppe Conte jedenfalls kommentierte den Sieg in Sardinien mit den Worten „beim Essen kommt der Appetit“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen