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Regionalwahl in SpanienDas erwartet die Katalanen

Die Katalanen haben gewählt. Ist eine Abspaltung von Spanien möglich? Was würde passieren, sollte Katalonien wirklich seine Unabhängigkeit erklären?

Überzeugter Separatist: Artur Mas bei der Abstimmung am Sonntag. Foto: reuters

BARCELONA dpa | Zur Wahl in Katalonien hatten die zwei stärksten Parteien im Regionalparlament sich zu einem separatistischen Bündnis zusammengeschlossen. Sie wollen Spaniens wirtschaftsstärkste Region in 18 Monaten in einen unabhängigen Staat verwandeln. Die Madrider Zentralregierung will eine Abspaltung Kataloniens von Spanien unter allen Umständen verhindern. Die Regionalwahl am Sonntag galt als ein wichtiger Gradmesser für die Stärke der separatistischen Kräfte.

Kann die Regionalwahl als ein Plebiszit über eine mögliche Unabhängigkeit betrachtet werden?

Die katalanische Regierung tut dies. Ministerpräsident Artur Mas hatte die Wahl angesetzt als Ersatz für das geplante Unabhängigkeitsreferendum im November 2014, das vom Verfassungsgericht unterbunden wurde. Allerdings wird den Separatisten vorgehalten, sich in einen Widerspruch verwickelt zu haben. Sie wollen einen Prozess der Abspaltung einleiten, wenn sie die Mehrheit der Sitze im Parlament erringen. Bei einem Plebiszit zählt man jedoch nicht Mandate, sondern Stimmen. Dies ist in Katalonien ein wichtiger Unterschied: Die Separatisten haben ihre Hochburgen in eher dünn besiedelten Gegenden, wo relativ wenig Stimmen zum Gewinn von Parlamentssitzen ausreichen.

Ist eine Abspaltung Kataloniens überhaupt möglich?

In der spanischen Verfassung ist die Einheit der Nation verankert. Von daher erscheint eine Unabhängigkeit rechtlich als praktisch unmöglich. Allerdings waren Abspaltungen, die es in der europäischen Geschichte gegeben hatte, nach den geltenden Gesetzen im Grunde zumeist „illegal“. Sie seien dann nachträglich legalisiert worden, betonte die Juristin Araceli Mangas in der Zeitung „El Mundo“.

Welche Möglichkeiten hat der spanische Staat, eine Abspaltung zu verhindern?

Madrid erweiterte kürzlich die Befugnisse des Verfassungsgerichts und räumte den Richtern das Recht ein, den Chef einer Regionalregierung seines Amtes zu entheben, wenn dieser sich über Urteile des Gerichts hinwegsetzt. Zudem erlaubt der Artikel 155 der Verfassung es der Zentralregierung, in einer Region einzugreifen, wenn deren Regierung gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt. In letzter Instanz können die Polizei und die Armee die Einheit des Landes sichern. Eine solche Möglichkeit wird in Spanien aber nicht ernsthaft erwogen.

Bliebe Katalonien im Falle einer Abspaltung Mitglied der EU?

Fast alle katalanischen Parteien – auch die Separatisten – wollen in der EU bleiben. Die politischen Führer der EU warnten die Katalanen allerdings davor, dass sie im Falle einer Unabhängigkeitserklärung automatisch aus der EU ausschieden. Ein unabhängiges Katalonien hätte auch große Schwierigkeiten, von anderen Staaten anerkannt zu werden, denn in Europa ist praktisch niemandem an einer Abspaltung gelegen. Es würde voraussichtlich auch lange Zeit dauern, bis Katalonien in die EU wiederaufgenommen würde – unter anderem weil es dazu die Zustimmung Spaniens bräuchte.

Behielte ein unabhängiges Katalonien den Euro?

Es könnte den Euro weiterhin als Zahlungsmittel benutzen – ähnlich wie Montenegro oder Kosovo dies tun, die nicht der EU angehören. Allerdings hätte ein unabhängiges Katalonien keinen Einfluss auf die Währungspolitik der Euro-Gruppe. Zudem liefe es nach Ansicht von Experten Gefahr, keine Kredite von der Europäischen Zentralbank (EZB) zu erhalten.

Was wären die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Abspaltung?

Katalonien mit seinen 7,5 Millionen Einwohnern ist eine der reichsten Regionen Spaniens. Wirtschaftlich wäre es als eigenständiger Staat ohne weiteres lebensfähig. Eine Abspaltung von Spanien hätte jedoch erhebliche Einbußen zur Folge. „Es wäre wie bei einer Scheidung“, schrieb eine Gruppe von Wirtschaftsprofessoren in der Zeitung „El País“. „Niemand würde einen wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen.“

Der Ökonom Antoni Zabalza prognostiziert ein Schrumpfen der katalanischen Wirtschaft um zwei bis neun Prozent. Die Bauern verlören die EU-Subventionen. Der Handel müsste deutliche Abstriche machen, denn das übrige Spanien ist der wichtigste Absatzmarkt der Katalanen. Katalonien liefert mehr Produkte in Regionen wie Madrid, Valencia oder Andalusien als nach Deutschland oder Frankreich.

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